Aufruf in den sozialen Medien zum Unterrichtsboykott fand keine Teilnehmer
Leere Klassenzimmer, statt Präsenzunterricht: Wäre es nach einem Aufruf in den sozialen Medien gegangen, wäre heute und morgen der Unterricht an der Beruflichen Oberschule (FOS/BOS) Wasserburg weitestgehend ausgefallen. Denn darin wurde unter anderem die Rückkehr zum Distanzunterricht gefordert, was mit einem Streik nachdrücklich unterstrichen werden sollte. Weil der Aufforderung aber kein Schüler Folge leistete, meldete Schulleiterin Claudia Romer heute Vormittag: „Es gibt keinen Streik bei uns.“
„Es gab tatsächlich Überlegungen zu einem Streik“, bestätigt Claudia Romer, „es gab diesbezüglich auch Gespräche mit der Schülermitverwaltung (SMV). Der Grund sei wohl, dass ab heute wieder der Präsenzunterricht startet, mit dem sich rund 230 Schüler auf ihren Abschluss vorbereiten. Womöglich aus Sorge, sich zu infizieren, habe man aufgerufen, per Streik zum Distanzunterricht zurückzukehren. Außerdem wurden weniger Leistungsnachweise gefordert, mehr Hilfe für benachteiligte Schüler sowie ein funktionierendes Wechselunterrichtskonzept.
Genau darauf setzt die Schulleitung. „In einer Woche ist immer nur die Hälfte der Klassen anwesend“, so Romer, „in der folgenden die andere Hälfte.“ So erhalte man in 14 Tagen eine komplette Schulwoche. Natürlich gestehe die Schulleiterin jedem Schüler das Recht auf Streik zu. Vom 10. bis 15. Juni finden allerdings die Prüfungen statt fürs allgemeine Abitur, zur Fachhochschulreife und zur fachgebundenen Hochschulreife. Um die jungen Leute darauf vorzubreiten, sei die Anwesenheit von Lehrern und Schülern notwendig.
„Wenn nun jemand nicht teilnimmt, gilt das als unentschuldigtes Fernbleiben“, gibt Claudia Romer zu bedenken, „nach fünf Tagen Abwesenheit entfällt eigentlich die Zulassung zur Prüfung.“ Eigentlich – denn die Lehrer und die SMV suchen auch in diesem Fall, der bisher nicht aufgetreten sei, nach einer Lösung. Schließlich könne ein Schüler überfordert sein oder aus persönlichen Gründen fernbleiben. „Letztendlich ist aber gerade jetzt unsere Schule nicht der richtige Ort zu streiken“, appelliert Romer.
Leider ist die Darstellung durch unsere Schulleiterin Frau Romer nicht richtig.
Am heutigen Schultag haben sich mehrere Klassen (ca. 50 Schüler*innen) dazu entschieden, nicht am Wechselunterricht teilzunehmen, waren aber trotzdem im Distanzunterricht anwesend.
Auch die Darstellung, der Hauptgrund des Streikes wäre die Angst vor einer Infizierung, entspricht nicht der gesamten Wahrheit. Der extreme Leistungsdruck, die Chancenungleichheit und auch die technische Umsetzung des Wechselunterrichts und dessen Folgen werden bei unserem Streik thematisiert.
Heute, am 1. Tag des Wechselunterrichts an der FOSBOS Wasserburg, entfielen in meiner Klasse drei Schulstunden für die, die von Zuhause aus lernen sollten. Dies lag nicht an den Lehrkräften, sondern an der, für einen Wechselunterricht, zu schlechten Infrastruktur unserer Schule.
Das hat uns bewiesen, dass ein Wechselunterricht an der FOSBOS Wasserburg technisch gesehen schlicht unmöglich ist, wodurch ein Teil der Klasse keine Chance an der Teilnahme am Unterricht hat.
Wie schon oben angesprochen, ist das nicht unser einziges Anliegen. Die fehlenden Noten des 1. Halbjahres sollen nun so schnell wie möglich nachgeholt werden. Dies ist nach einer so langen Pause vom Präsenzunterricht eine enorme Herausforderung für Lehrer*innen und Schüler*innen und macht unserer Meinung nach auch keinen Sinn, sondern verschärft das Problem schlechter Noten und damit auch die Gefahr eines Nichtbestehens des Abiturs.
Durch den, in den Augen der meisten Schüler*innen, richtigen Beschluss vom Dezember in den Distanzunterricht zu gehen, haben wir ein deutlich höheres Stresslevel als im regulären Schulbetrieb, das durch die jetzt anstehenden Schul- und Kurzarbeiten verstärkt wird.
ES GEHT UNS AUCH NICHT DARUM DIE SCHULLEITUNG DER FOSBOS WASSERBURG ZU KRITISIEREN, SONDERN DAS KULTUSMINISTERIUM, DAS ZWAR SCHON OFT DIE CHANCE HATTE AUF VORSCHLÄGE DER SCHÜLER*INNEN EINZUGEHEN, DIES ABER BISHER NICHT GEMACHT HAT.
Schlussendlich ist der Streik ein Hilferuf von uns Schülerinnen und Schülern nach besseren Bedingungen, weniger Druck und mehr Chancengleichheit für finanziell benachteiligte Mitschüler*innen.
Dass der Streik von Frau Romer hier öffentlich heruntergespielt wurde, sendet die falschen Signale an Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen.
Auch die Androhung bei dieser Art des Streiks den beteiligten Schüler*innen „unentschuldigte Fehltage“ eintragen zu lassen, verstärkt in meinen Augen das Gefühl der Machtlosigkeit von uns Schüler*innen für unsere Themen und unsere Zukunft kämpfen und vor allem etwas erreichen zu können.
Ich gehe mal davon aus dass Sie Schüler*in sind, an der FOS/BOS Wsb.
Bin echt beeindruckt wie sie hier die Sache in das richtige Licht rücken und auf die eigentlichen Probleme hinweisen.
Möchte einfach DANKE sagen für Ihren Artikel.
… und ganz viel Durchhaltevermögen für Sie und ihren Komulitonen!!!
Den Kommentar von LF kann ich nur bestätigen. Mein Sohn besucht eine der betroffenen Klassen, die heute „gestreikt“ haben.
„Streik“ bedeutete, dass die jungen Erwachsenen den Präsenzunterricht mit geteilten Klassen im Wechsel (d.h. jeder bekommt nun nur noch 50% Unterricht) heute verweigert haben und auf den Distanzunterricht bestanden haben. Das haben sie der Schulleitung am Tag zuvor in einem ausführlichen und freundlichen Brief mitgeteilt. Darin wurden auch die Gründe für den Wunsch nach einer Fortführung des Distanzunterrichts dargelegt.
Dieser Distanzunterricht hat in der FOS/BOS Wasserburg eine dermaßen gute Qualität (Schule nach Stundenplan auf Teams), dass ein Wechselunterricht in Präsenz mit halber Klassenstärke nur eine Verschlechterung der Unterrichtssituation bringen kann, abgesehen von einer großen Unruhe und einem totalen Durcheinander, das durch den Wechselunterricht entsteht.
Die Schule und die Lehrer der FOS/BOS Wasserburg leisten im Distanzunterricht hervorragende Arbeit, die sich seit den Herbstferien bewährt hat. Nun kommt das Kultusministerium mit der Anweisung des Wechselunterrichts von oben, ohne Rücksicht auf Sinn und die Gegebenheiten der Schule zu nehmen. Und die Schulleitung hat das umzusetzen.
Die Lehrer meines Sohnes sind allesamt mit der Anweisung zum Wechselunterricht unzufrieden und möchten am Distanzunterricht festhalten.
Wenn alle Beteiligten mit dem eingespielten System des Distanzunterrichts zufrieden sind und eine Änderung als negativ empfinden, warum lässt man dann die Schreibtischtäter im Kultusministerium so destruktive Entscheidungen treffen?
Herr Piazolo und sein Team haben schließlich im letzten Jahr nicht wirklich überzeugt.
Abschließend: Ich finde es toll, wenn die jungen Erwachsenen, die schulisch und privat sehr von den Pandemiebestimmungen getroffen wurden, ihren Standpunkt darlegen und verteidigen. Schließlich sind sie nicht nur gegen etwas oder verweigern gar die Arbeit, sondern sie liefern die Lösung gleich mit. Und das ohne Demonstration und Menschenansammlung coronakonform von zuhause. Was will man mehr? Macht weiter so!
Edit:
Frau Romer merkte an, dass die FOSBOS nicht der richtige Ort für einen Protest sei. Dem muss ich widersprechen. Der einzige Ort bzw. der einzige Weg gehört zu werden ist ein Protest an der Schule. Eine andere Möglichkeit haben wir nicht.
Dies zeigen etliche Briefe von vielen Schüler*innen an das Kultusministerium und auch die Konferenzen mit den Schülersprecher*innenverbänden.
In unseren Augen ähnelt diese Situation einer Tarifverhandlung die für gescheitert erklärt wurde.
Respekt zu diesem ausführlichen und reflektierten Kommentar! Ich wünsche euch viel Erfolg fürs Fachabitur/Abitur!
@LF
Danke für den ausführlichen Kommentar/Erklärung, finde ich Klasse!
@Wasserburger-Stimme
Vielen Dank, dass ihr hier dem Raum gebt!
Auch ich bin Mutter eines Schülers der FOS/Bis Wasserburg. Ich finde es schade, denn der Distanzunterricht der Schule hat seit den Herbstferien sehr gut funktioniert.
Wurde von Schulleitung, Lehrern und Schülern sehr gut umgesetzt.
Dass die Schüler nur zu den schriftlichen Proben in die Schule müssten, fand ich sehr gut.
Schade, dass etwas, was so gut umgesetzt wurde und sehr gut funktionierte, jetzt nicht so fortgeführt werden darf.
Ich hab auch einen Sohn auf der FOS/BOS.
Ich finde es verantwortungslos, solch einen Wechselunterricht durchzuführen.
Die einen sitzen zu Hause und sollen online dazugeschaltet werden, nur die Beiträge von denen hört man nicht.
Und andersrum das gleiche.
Ganz ehrlich, das ist der größte Witz.
Vor allem kommen die Infos von der Schulleitung immer erst kurz vor knapp, das ist sehr schade.