Als die städtische Wasserversorgung am Drahtseil hing - Hauptleitung beim Einsturz der Innbrücke 1929 unterbrochen
Im März 1929 beschädigte ein Eisstoß die Wasserburger Innbrücke schwer und brachte sie teilweise zum Einsturz. Dabei riss auch die städtische Hauptwasserleitung ab, die über die Brücke geführt und die Altstadt mit Quellwasser versorgt hatte. Als Ersatz installierte die Stadt unmittelbar nach dem Einsturz eine Notwasserleitung. Dazu wurden Feuerwehrschläuche an einem Drahtseil befestigt, das auf einer Länge von 140 Meter über den Inn gespannt wurde. Entgegen aller Befürchtungen erwies sich diese Behelfskonstruktion als äußerst zuverlässig und sicherte für mehrere Monate die Versorgung der Altstadtbewohner mit sauberem Trinkwasser – wie dieses Zeugnis,. das im Stadtarchiv die Archivalie des Monat ist, belegt.
Die für die Notleitung verwendeten Feuerwehrschläuche der Marke Tabaria lieferte der Wasserburger Seilermeister Franz Koloseus. Obwohl selbst der Hersteller keine Garantie dafür abgeben wollte, überstanden die Schläuche den mehrmonatigen Dauereinsatz schadlos. Einen besseren Nachweis für die Qualität seiner Ware hätte sich Koloseus vermutlich kaum wünschen können. Entsprechend selbstbewusst trat er einige Monate nach dem Abbau der Behelfskonstruktion auch an die Stadt Wasserburg heran und bat um Bestätigung dieser außergewöhnlichen Leistung.
Das Stadtbauamt entsprach seiner Bitte und stellte Ende Januar 1930 ein Zeugnis über die hervorragende Qualität der verwendeten Schlauchleitungen aus. Diese hätten sich in Bezug auf Dicht- und Haltbarkeit über alle Erwartungen vorzüglich bewährt, so dass diese Qualität zur Verwendung bestens empfohlen werden kann. Es versteht sich von selbst, dass Koloseus dieses Gütesiegel sogleich an prominenter Stelle in die Werbebroschüre seines Spezialgeschäfts für Feuerlösch-Ausrüstungen aufnahm.
Zusammenstellung zweier Ausschnitte aus der Werbebroschüre von Franz Koloseus.
Auf der Titelseite ist die Behelfsleitung aus vier Feuerwehrschläuchen zu erkennen, die an einem Drahtseil über den Inn gespannt wurde. Auf der Rückseite sind Passagen aus dem Zeugnis des Stadtbauamtes Wasserburg und der Berichterstattung des Wasserburger Anzeigers zur Qualität der Behelfsleitung abgedruckt, enthalten in der Sammlung StadtA Wasserburg a. Inn, VI3937.
In gewisser Weise zog Franz Koloseus damit auch einen Schlussstrich unter eines der markantesten Kapitel der jüngeren Stadtgeschichte. Der Einsturz der Innbrücke im März 1929, der das Leben der Wasserburger Bevölkerung für einige Monate aus den gewohnten Bahnen geworfen hatte, war im Frühjahr 1930 wohl ausreichend überwunden, sodass Koloseus den Blick zurück auf die jüngste Katastrophe nun ganz pragmatisch dafür nutzte, zukünftige Geschäfte anzubahnen. Ob das Zeugnis des Wasserburger Stadtbauamtes ihm wirklich zu besseren Umsätzen verhalf, geht aus den städtischen Akten nicht hervor. Es eröffnet jedoch eine interessante Perspektive darauf, in welch vielfältiger Weise sich der Einsturz der Innbrücke 1929 auf den Alltag in Wasserburg auswirkte.
Quelle/Ausführlicher hierzu:
Johannes Böhm, Unterbrechung der Hauptwasserleitung, publiziert am 22.03.2021 [=Tag der letzten Änderung(en) an dieser Seite]; in: Historisches Lexikon Wasserburg, URL: https://www.historisches-lexikon-wasserburg.de/Unterbrechung_der_Hauptwasserleitung (22.03.2021)
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