Klimakrise, Coronakrise, Digitalisierung, Zukunftsangst: Der DGB lud in Rosenheim zu einem interessanten Pressegespräch ein
Die Zukunft von Beschäftigten und ihre Familien in der Region sowie die Forderungen der Gewerkschaften zur Bundestagswahl: Das stand im Mittelpunkt des diesjährigen Sommer-Pressegesprächs des Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in Rosenheim.
Unter dem Motto „Echt gerecht – DEINE WAHL“ wurden anstehende Herausforderungen, die aufgrund von Klimakrise, Coronakrise und der mit der Digitalisierung verbundenen notwendigen Transformation gesamtgesellschaftlich auf alle zukommen, aufgezeigt.
„Es gilt solidarisch und gerecht aus der Krise zu kommen und die anstehenden Veränderungen in der Arbeitswelt im Interesse der Beschäftigten zu gestalten“, so der DGB Regionsgeschäftsführer für Oberbayern, Günter Zellner. Er forderte mehr Investitionen in Infrastruktur und einer stabilen Energieversorgung. „Statt Reiche mit einer Abschaffung des Soli weiter zu entlasten, müsse mehr Geld in Bildung, Gesundheit und in die sozialen Sicherungssysteme fließen“.
Das Foto zeigt von links Simone Stefan, Günter Zellner, Heike Stoffels, Alexander Kirnberger, Dr. Stefan Plenk.
Dr. Stefan Plenk, Gewerkschaftssekretär der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), erklärte im Gespräch, man bekenne sich klar zur Notwendigkeit des Klimaschutzes und man sei bereit, die notwendigen Schritte zu gehen. Die Politik müsse aber endlich vorangehen und Rahmenbedingungen hierfür setzen.
Mit der Entwicklung eines Tarifvertrages „Moderne Arbeitswelt“ gehe die IG BCE hier voran.
Dieser regelt die Arbeitsbedingungen in neuen Tätigkeitsfeldern wie zum Beispiel Homeoffice oder mobiles Arbeiten. Gleichzeitig bietet er den Beschäftigten individuelle Gestaltungsmöglichkeiten, wie sie ihre Lohnerhöhungen umsetzen möchten. Sie können frei wählen, ob diese in die eigene Altersvorsorge fließen, in ein höheres Entgelt, in mehr Anspruch auf Urlaub oder beispielsweise in die Finanzierung eines Jobfahrrads.
Mit dem ersten Tarifvertrag zum Aufbau einer tariflichen Pflegezusatzversicherung im Chemie und Pharmabereich sei es der IG BCE zudem gelungen für 800.000 Beschäftigte bundesweit eine Lösung zur Schließung der Versorgungslücke im Bereich der Pflege einzuführen.
Das unterstreiche, dass die Gewerkschaften in der Lage seien, auf verschiedene, nicht nur wirtschaftliche, sondern auch sozialpolitische Probleme, effektive Antworten zu finden. Grundsätzlich wäre es wichtig, dass es im Interesse der Beschäftigten wieder mehr Tarifbindung und besserer Mitbestimmung gebe. Die Politik sei hier gefordert mit gesetzlichen Regelungen zu unterstützen.
Heike Stoffels, stellvertretende Regionalleitung der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), berichtete anschließend über die unterschiedlichen Entwicklungen in ihrer Branchen. Gerade geringverdienende Beschäftigte in der Floristik oder der Gebäudereinigung kämpften mit negativen Folgen der derzeitigen Krise.
Dagegen sei die Baubranche kaum von Corona betroffen. „Ganz im Gegenteil hat der Bau sogar davon profitiert“, so Stoffels. Auch wenn die Baubranche wirtschaftlich gut dastehe, heiße das aber nicht, die Welt für die Beschäftigten sei dort in Ordnung.
Seit 2016 gab es hier keine Anpassung des Tarifvertrages. Wichtigste Forderung in den derzeitigen Tarifverhandlungen ist eine Wegezeitentschädigung. Für die oft langen Fahrten der Beschäftigten zu den Baustellen bekommen diese keine Entschädigung, die Wegezeit gelte bei ihnen als Freizeit.
Für Heike Stoffels müsse das dringend geändert werden. Durch solch unfaire Arbeitsbedingungen könne man den Fachkräftemangel am Bau nicht Herr werden – im Gegenteil, mahnte Stoffels.
Für die katholische Betriebsseelsorge als Kooperationspartner des DGB blickte Alexander Kirnberger mit Sorge auf die Diskussion über den arbeitsfreien Sonntag.
„Immer mehr Beschäftigte sind gezwungen, am Sonntag in die Arbeit zu kommen. Besonders der Einzelhandel drängt auf eine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten an Sonntagen.
Derzeit sind anlassbezogen vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr möglich.
Der genaue Blick in manches Wahlprogramm der Parteien macht deutlich, dass dieser Anlassbezug aufgehoben werden soll. Das dies gerade im Programm der CSU zu finden ist, befremdet mich – der erste Schritt hin zu einer 7-Tage-Arbeitswoche.
Der Mensch braucht seine Ruhepausen und dafür ist der Sonntag unabdingbar. Er muss weiter für Zeit mit der Familie, Freunden oder des ehrenamtlichen Engagement zur freien Verfügung stehen.“
Im Anschluss schilderte Simone Stefan, Jugendsekretärin des DGB Oberbayern, mit welchen Herausforderungen Auszubildende und Studierende zu kämpfen haben. Sie mahnte an, die Interessen der jungen Menschen im Wahlkampf bekämen zu wenig Aufmerksamkeit, obwohl es dringenden Handlungsbedarf gebe.
Das Angebot an Ausbildungsplätzen gehe dramatisch zurück, so Simone Stefan.
Rund 80 Prozent aller Betriebe bildeten aktuell keine Azubis aus. Um dieser Entwicklung entgegen zu steuern, forderte die Jugendsekretärin eine gesetzliche Garantie auf einen Ausbildungsplatz.
Finanziert werden solle der Anspruch durch einen umlagefinanzierten Zukunftsfonds. Jeder Betrieb ab fünf Beschäftige zahle in den Fonds ein und trage so dazu bei, die duale Berufsausbildung auf solide Füße zu stellen.
So könne sich kein Betrieb mehr aus der Verantwortung stehlen, fordert Simone Stefan.
Foto: DGB
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