Serie der Wasserburger Stimme: Nicht schneller ankommen, aber entspannter
Sie sind die absoluten Experten, wenn es um die richtige Körperhaltung geht, um den Sport im allgemeinen und das Laufen im speziellen: Sportmediziner Dr. Sebastian Sinz aus Wasserburg und der Sportwissenschaftler Bernhard Grundl aus Eiselfing. Zusammen haben sie ein Ziel: Wasserburg fitter zu machen und das auf einem gesunden und nachhaltigen Weg. Zusammen mit den beiden Experten bringt die Wasserburger Stimme in den nächsten Wochen eine neue Serie unter dem Titel „Gesünder laufen“.
Mit dabei: Christian Huber (56) von der Redaktion der Stimme, der in zehn Schritten seinen über Jahrzehnte angewöhnten, schlampigen Laufstil deutlich verbessern soll und damit künftig ein nachhaltiges und vor allem schmerzfreies Lauftraining absolvieren kann.
Huber (56) beschreibt seine Ausgangslage:
>Laufen, das ist für mich mehr als irgendeine Sportart. Laufen ist meine Passion. Es gibt fast keinen Tag, an dem ich keinen Sport treibe. Meistens laufe ich zwischen vier und zehn Kilometern täglich, fahr‘ mit dem Radl oder ich spiele Squash. Leider lebe ich nicht immer danach, hab‘ bisweilen viel zu viel Speck auf den Rippen. Das Warmmachen, Dehnen oder Gymnastik sind mir verhasst. Die Folge: Immer wieder hab‘ ich muskuläre Probleme. Knie- und Rückenschmerzen. Obwohl ich in den letzten Monaten fleißig trainiert habe, kann ich kaum noch einen Fortschritt feststellen. Weder meine Ausdauer, noch meine Schnelligkeit lassen sich verbessern.“
Mit den ersten Schritt, der Laufanalyse, der Auswertung der Laktatwerte und der Körperanalyse, wurde es schon deutlich besser. Vor allem das Lauf-ABC, das mit Bernhard Grundl zur Verfügung gestellt hat, hat mir schon in der ersten Woche toll geholfen. Ein paar einfache Übungen, ein paar Tricks beim Laufen und meine Schmerzen im Rücken haben deutlich abgenommen. Und im Urlaub hab‘ ich kürzlich sogar einen Rekord für mich gebrochen: Zehn Kilometer in einer Achter-Zeit hab‘ ich schon Jahre nicht mehr geschafft.“
Heute geht’s um die richtige Trainingsplanung…
Dazu Dr. Sinz:
>>Die Erstellung eines Trainingsplans beginnt mit der Festlegung des Ziels, das Sie damit erreichen wollen. Aber damit ist es nicht getan. Wenn Sie zum Beispiel Silvester beschließen, im Herbst beim Köln-Marathon eine neue Bestzeit aufstellen zu wollen, könnte man denken, dass es genügen würde, sich den entsprechenden Termin im September rot im Kalender anzustreichen und sich dann wieder hinzulegen. Ist ja noch viel Zeit. Viel klüger wäre es aber, ganzjährig auf ein großes Ziel hinzuarbeiten – so wie es die Profis auch tun.
Die meisten Trainingspläne beschränken sich auf die unmittelbare Wettkampfvorbereitung, in der Regel also einen Zeitraum von rund drei Monaten. Doch wenn Sie in den Monaten zuvor strukturiertes Training gänzlich vernachlässigt haben und völlig außer Form in den Trainingsplan starten, werden Sie im Rennen nicht das herausholen können, was eigentlich für Sie möglich wäre. Und es gibt noch einen weiteren Haken an dieser Strategie: Es darf nichts schiefgehen. Damit Sie das Ziel des gewählten Trainingsplans auch wirklich erreichen, muss in den zwölf Wochen vor dem Tag X wirklich alles glatt laufen. Man darf kaum ein Training ausfallen lassen und sich zum Beispiel nicht erkälten oder gar verletzen.
Warum ist ein Trainingsplan überhaupt wichtig?
Laufen ist ja eigentlich ein äußerst simpler Sport, die Laufbewegung lernen wir als kleine Kinder, die Ausdauer kommt mit der Wiederholung. Wer rein aus gesundheitlichen Gründen läuft, sein Herz-Kreislauf-System und sein Immunsystem stärken und einfach fit bleiben will, braucht auch keinen Trainingsplan. Dreimal in der Woche 20 bis 30 Minuten locker joggen reicht dafür aus.
Doch wer sich verbessern und seine Leistung steigern will, fährt mit einem Trainingsplan besser. Planen heißt in dem Fall einfach: systematisch trainieren. Und systematisch bedeutet: Es werden alle wichtigen Trainingsprinzipien berücksichtigt. Dabei ist es egal, auf welchem Niveau Sie laufen: Absolute Laufeinsteiger profitieren von einem Trainingsplan, weil er vor Überforderung und damit vor Verletzungen schützt, weil er die Belastung maßvoll steigert und so der Laufspaß erhalten bleibt. Fortgeschrittene Läuferinnen und Läufer erzielen mit einem Trainingsplan schneller und effektiver Leistungsfortschritte und erreichen Ihre Laufziele mit höherer Wahrscheinlichkeit. In jedem Fall strukturiert ein Trainingsplan das Lauftraining, hilft dabei, die Trainingseinheiten auch durchzuziehen und erhöht die Motivation.
Was muss ich beachten, wenn ich einen Trainingsplan erstelle?
Wer sich einen Trainingsplan selbst schreiben will, sollte unbedingt wichtige Trainingsprinzipien beachten. Wir stellen die wesentlichsten hier vor:
Die Trainingsbelastung ist an Ihre Leistungsfähigkeit angepasst.
Eine ehrliche Bestandsaufnahme ist die Grundlage für einen passenden Trainingsplan. Überprüfen Sie, wie oft Sie aktuell pro Woche laufen und wie Ihr wöchentlicher Kilometerumfang ist. Von dieser Basis müssen Sie ausgehen. Wenn Sie plötzlich zwei Lauftrainingseinheiten pro Woche mehr einplanen oder einen um 30 Prozent höheren Kilometerumfang, sind Überlastungen fast sicher.
Falls Sie einen Plan zur Verbesserung Ihrer Wettkampfzeiten schreiben wollen, ist ebenso wichtig ein Check der aktuellen Leistungsfähigkeit. Ideal ist es, wenn Sie ein aktuelles Wettkampfresultat haben. Ansonsten können Sie einfach einen Testlauf über 5 Kilometer durchführen (ausführliches Aufwärmen nicht vergessen). Aus dem Ergebnis lassen sich mittels unseres Wettkampfzeit-Rechners mögliche Wettkampfzeiten auf anderen Distanzen hochrechnen. Wählen Sie eine realistische Zielzeit, indem Sie nur eine maßvolle Verbesserung einplanen (je höher die Leistungsfähigkeit bereits ist, desto kleiner sind die Leistungssprünge).
Auf jede Belastung folgt Erholung.
Auf jeden Lauftag folgt ein Ruhetag (für Einsteiger und Freizeitläufer), beziehungsweise auf jedes harte Training eine regenerative Einheit oder ein Ruhetag (für fortgeschrittene Läufer). Nach jeder Trainingsbelastung braucht Ihr Körper Zeit zur Regeneration, nur so erhöht sich die Leistungsfähigkeit. Dieses äußerst wichtige Prinzip des Wechsels von Belastung und Erholung gilt für einzelne Trainingseinheiten, für kürzere Trainingsphasen und auch für eine ganze Saisonplanung. Im Kleinen bedeutet das, dass harte Trainingsbelastungen (besonders lange Läufe oder besonders schnelles Training) entzerrt und auf die Woche verteilt werden, sodass dazwischen immer Ruhetage bzw. regenerative Einheiten liegen. Auf mittelfristiger Sicht heißt das, dass nach drei, vier Wochen, in denen Sie den Trainingsumfang gesteigert haben, eine Woche mit verminderter Trainingsbelastung folgt. Und in der Saisonplanung gibt es langfristige Phasen des Formaufbaus und der kompletten Regeneration. Darum ist Regeneration so wichtig.
Die Steigerung der Belastung erfolgt maßvoll
Steigern Sie Ihre Trainingsbelastung maßvoll. Es gibt im Wesentlichen drei Ebenen der Trainingsbelastung:
- die Trainingshäufigkeit (Anzahl der Trainingseinheiten pro Woche)
- den Trainingsumfang (Kilometerumfang pro Woche)
- die Trainingsintensität (Tempo Ihrer Läufe und Umfang des Tempotrainings)
Steigern Sie nicht mehrere Ebenen gleichzeitig und machen Sie keine zu großen Sprünge. Erhöhen Sie also beispielsweise zunächst nur um einen Trainingstag pro Woche, steigern Sie aber nicht gleichzeitig den Wochenumfang oder die Intensität. Wenn Sie den Kilometerumfang steigern möchten, planen Sie nur eine Erhöhung von 10 bis maximal 15 Prozent pro Woche ein und legen Sie nach drei oder vier gesteigerten Wochen eine Woche mit reduziertem Umfang ein. Auch die Trainingsintensität sollten Sie entsprechend vorsichtig steigern, etwa, indem Sie beim Intervalltraining entweder die Wiederholungszahl steigern ODER das Tempo, aber nicht beides gleichzeitig.
Abwechslungsreiches Training für ganzheitlichen Formaufbau
Nutzen Sie verschiedene Trainingseinheiten, um verschiedene Ziele zu erreichen. Mit ruhigen und lockeren Läufe schaffen Sie eine solide Grundlagenausdauer. Lange Läufe schulen Ihren Fettstoffwechsel – wichtig für lange Wettkämpfe wie den Marathon. Diese Läufe im aeroben Bereich sollten den Großteil Ihres Lauftrainings ausmachen. Dazu kommen Tempodauerläufe, Fahrtspiele, Intervalltrainings und Bergläufe, die steigern Tempo und Kraft. Kurze langsame Läufe dienen ebenso wie Schwimmen, Radfahren, Walken oder ruhiges Yoga der aktiven Regeneration. Krafttraining und Stretching ergänzen das Ausdauertraining. Welche Anteile die verschiedenen Trainingsbausteine in Ihrem Trainingsplan einnehmen, hängt von der Trainingsphase (siehe unten) und dem Trainingsziel (z. B. Laufeinstieg, 5-km-Bestzeit oder Marathon-Finish) ab.
Erfahrene Läuferinnen und Läufer und insbesondere Laufprofis beziehungsweise deren Trainer planen langfristig, sie nutzen eine Periodisierung im Trainingsaufbau.
Was bedeutet Periodisierung im Sport?
Sportler mit einer periodisierten Trainingsplanung unterteilen den Weg zum Hauptziel der Saison in systematisch aufeinander aufbauende Trainingsphasen, die den Läufer sehr viel gründlicher auf sein Ziel vorbereiten, als das übliche Zwölf-Wochen-all-inclusive-Programm. Die Experten sprechen von einer Periodisierung des Trainings. Die einzelnen Phasen unterscheiden sich dabei einerseits durch die angesetzten Trainingsumfänge (wie viele Kilometer pro Tag, pro Woche und pro Monat gelaufen werden sollen), andererseits durch die Intensitäten, also effektiv durch das anzuschlagende Lauftempo beziehungsweise in unseren Plänen durch die dabei gemessene Herzfrequenz.
Die Phasen der Periodisierung im Lauftraining
In der ersten Phase der Periodisierung werden die Grundlagen für einen Ausbau der Leistungsfähigkeit gelegt. Dieser Trainingsabschnitt heißt Vorbereitungsphase I.
Darauf folgt die sogenannte Vorbereitungsphase II, in der die individuellen Leistungsmöglichkeiten herausgekitzelt werden.
Letzter Schritt vor dem Tag X ist eine kurze Erholungsphase. Dieser dritte Abschnitt nennt sich schlicht und einfach Wettkampfphase oder auch Taperingphase.
Wann welche Trainingsphase eingeleitet wird, hängt vor allem vom Termin Ihres Trainingsziels ab. Die meisten und auch die größten Marathonläufe finden im Frühjahr und Herbst statt, wenn es noch nicht oder nicht mehr zu heiß zum ambitionierten Laufen ist (wie im Sommer), aber auch nicht zu kalt.
Ein Beispiel für einen Wochenplan:
Montag: 30 Min. lockerer Dauerlauf (ca. 80 % HFmax)
Dienstag: Alternativtraining (Schwimmen, Radfahren, Skaten et cetera)
Mittwoch: 60 Min. lockerer Dauerlauf (ca. 80 % HFmax)
Donnerstag: Ruhetag
Freitag: 40 Min. Fahrtspiel (wechselndes Tempo nach Gefühl)
Samstag: Ruhetag oder Alternativtraining
Sonntag: 60 Min. langsamer Dauerlauf (70–75 % HFmax)
Wichtig: Vernachlässigen Sie nicht das Krafttraining. Läufer brauchen zwar keinen dicken Bizeps und auch nicht unbedingt einen V-förmigen Rücken, aber eine starke Rumpfmuskulatur. Die stabilisiert beim Laufen den ganzen Körper und bewahrt Sie dadurch vor vorzeitiger Ermüdung. In der Vorbereitungsphase I bietet es sich daher an, parallel zum Ausdauerlauftraining ein leichtes Krafttraining zu absolvieren. Mehr als zehn Prozent des Gesamttrainingsumfangs sollte die Kräftigung der Bein- und Rumpfmuskulatur allerdings nicht in Anspruch nehmen.
Viel Spaß beim Trainieren
Bleiben sie gesund und fit
Ihr Sebastian Sinz <<
In den nächsten Folgen geht es um folgende zehn Punkte zum besseren, gesünderen und nachhaltigeren Laufstil:
1. Laufanalyse
2. Laktate
3. Körperanalyse
4. Schuhe, Einlagen
5. Equipment
6. Lauf-ABC / Leichtathletik
7. Dehnen / Regeneration
8. Ernährung
9. Trainingsplanung
10. Personal Coaching
Dr. Sinz bietet übrigens bis zum Winter auch immer ein wöchentliches Lauftraining in Wasserburg an. Außerdem ist mittwochs (17 Uhr) zusammen mit Anna Steinbacher vom Hotel Fletzinger ein Lauftreff geplant (Bericht folgt).
Direkt-Kontakt
Dr. med. Sebastian Sinz
Salzburgerstr. 2
83512 Wasserburg am Inn
Tel.: 0160-90179327
Email: info@sportmedizin-sinz.de
Telefonische Terminvereinbarung unter
0160-90179327
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