Bilanz und Ausblick mit dem neuen Kreisobmann des Bauernverbandes und mit der Kreisbäuerin

Jetzt ist der Milchpreis einigermaßen stabil und auf einem erträglichen Niveau, da explodieren die Dünger- und Energiepreise. Im Endeffekt ist es nach wie vor ein harter Kampf.“ Der neue Kreisobmann des Bauernverbandes, Josef Andres aus Ebrach in der Gemeinde Pfaffing, ist Landwirt mit Leib und Seele. Seit 20 Jahren ist er aktiv im Bayerischen Bauernverband und verschiedenen anderen landwirtschaftlichen Gremien.

Zusammen mit der eben erst wiedergewählten Kreisbäuerin Katharina Kern, die die Schweinsteiger Alm in Oberaudorf betreibt, ist er das wichtigste Sprachrohr der heimischen Landwirte. Die Wasserburger Stimme sprach mit Beiden auf dem Hof von Andres in Ebrach über die aktuelle Lage der Bauern, über Probleme und Lösungsmöglichkeiten.

„Wir haben den Landkreis quasi in der Zange. Viel weiter auseinander kann man nicht wohnen“, lachen Andres und Kern, die die Bauern und Bäuerinnen in Rosenheim repräsentieren. Andres ist ganz neue im Amt, Kern hat bereits ihre zweite Amtszeit. Beide sehen die Hauptprobleme, mit denen die heimischen Bauern zu kämpfen haben, in der nach wie vor wachsenden Bürokratie.

„Es ist unglaublich, was wir in kürzesten Zeiträumen dokumentieren müssen. Jedes Fass Gülle, das wir ausbringen, muss binnen zweier Tage datentechnisch erfasst und gemeldet sein. Früher hatte ich für meinen Hof zwei Ordner im Büro stehen, heute ist das ganze Büro voll davon“, sagt Andres und Kern ergänzt: „Der bürokratische Aufwand ist ins Unermessliche gestiegen. Das kostet uns ungemein viel von unserer Arbeitszeit und damit natürlich Geld.“ Viele bürokratische Hürden würden durch die Europäische Union aufgebaut, „aber wir in Deutschland setzen dann immer noch einen obendrauf“, so Kern und Andres.

Während man in Bayern und der Bundesrepublik sehr genau durch verschiedenste Behörden kontrolliert werde, treffe man im europäischen Ausland oftmals auf sehr lässige Umsetzungen der EU-Verordnungen und -Gesetze. „Das verzerrt den Wettbewerb und erschwert uns unsere Arbeit enorm.“

Hinzu käme, dass einzelne Naturschutz-Initiativen heute eine riesige Lobby hätten und politisch massiv Druck ausüben könnten. „Wir glauben zwar, dass die meisten der Verbraucher auf unserer Seite sind, weil sie wissen, was sie an unseren Produkten haben, insgesamt spüren wir aber von verschiedensten Umweltorganisation immer wieder großes Misstrauen. Dabei sind wir doch selbst am allermeisten daran interessiert, dass unser größtes Kapital, unsere landwirtschaftlichen Flächen, in einem Top-Zustand bleiben.“

Andres weiter: „Es ist wirklich seltsam, wie reflexartig sofort auf die Landwirte gezeigt wird, wenn’s irgendwo Probleme mit dem Trinkwasser gibt. Dabei sind wir gerade bei der Gülleausbringung durch unzähligen Reglementierungen in den seltensten Fällen der Auslöser für Probleme.“

80 bis 90 Prozent der Anbinde-Betriebe werden aufhören

Insgesamt stehe die heimische Landwirtschaft in den nächsten Jahren vor dem größten Umbruch aller Zeiten. „Dadurch, dass die großen Discounter auf die Betriebe mit Anbindehaltung Druck machen und ab 2027 keine Produkte aus solchen Betrieben mehr verkaufen wollen, werden von unseren 10.000 Anbinde-Betrieben in den nächsten Jahren 8.000 bis 9.000 dicht machen.“

Dabei könne man schon jetzt nicht mehr in Deutschland den gesamten Bedarf an Milch decken. „Was weltweite und europäische Abhängigkeiten von anderen bedeutet, kann man jetzt sehr gut beim Gas sehen.“ Zwar werde dadurch der Milchpreis stabil bleiben, beziehungsweise sogar steigen. „Was uns gerade jetzt aber wieder sehr wenig hilft, wenn man weiß, dass die Düngerpreise ums Vierfache wachsen und der Sprit das Doppelte kostet.“

Und auch auf dem Fleischsektor  – dem zweiten Standbein der heimischen Landwirtschaft –  seien die Probleme nicht mehr zu übersehen. „Die Nachfrage nach Schweinefleisch ist quasi tot, beim Rind geht’s noch ganz gut, beim Kalbfleisch ist die Nachfrage komplett eingebrochen. Viele Betriebe haben deshalb die Produktion eingestellt oder beabsichtigen die Einstellung. Klar ist: Was wir nicht bei uns unter strengsten Kontrollen selbst produzieren, müssen wir von irgendwo importieren, wo uns zum Teil gänzlich der Einblick fehlt.“

2022: Durchwachsenes Ertragsjahr

Insgesamt stehe man vor einem durchwachsenen Erntejahr. Andres: „Beim Getreide ist heuer alles im grünen Bereich, der Mais aber hatte viel zu wenig Wasser und bei den wiesen fehlt uns durch die Trockenheit mindestens ein Schnitt. Unterm Strich bleibt’s eher schwierig.“ Und das gilt auch auf anderen Gebieten. „Durch den Brennernordzulauf wird es massive Verwerfungen auf dem Grundstücksmarkt und bei der Pacht landwirtschaftlicher Flächen geben“, weiß Katharina Kern. Die Kreisbäuerin aus dem Inntal vermutet: „Das wird sich durch den ganzen Landkreis ziehen. Die Pachtflächen werden generell nicht mehr.“

Und noch ein zweites, existenzielles Problem sieht Kern auf die heimischen Landwirte zukommen. „Die Forderungen der Tierschützer in Sachen Wolf sind einfach nicht realisierbar. Der Wolf ist in Europa nicht vom Aussterben bedroht, dennoch stellen einzelne Initiativen dessen Wohl über das der heimischen Landwirtschaft. Wir sollen unsere Weiden gegen den Wolf schützen. Ich nenne da nur zwei Zahlen: 23 Euro kostet ein Meter Zaun. Alleine alle Flächen auf unserer Alm haben acht Kilometer Umfang. Wie soll das funktionieren?“ Die in der hitzig geführten Diskussion geforderten Umzäunungen würden zudem dem Tourismus wenig zuträglich sein.

Insgesamt stecken weder Kreisobmann noch Kreisbäuerin den Kopf in den Sand: „Wir werden weiter für unseren Berufsstand gemeinsam kämpfen. Gerade in der heutigen Zeit ist die regionale Versorgung mit gesunden Lebensmitteln in ausreichender Menge und unabhängig vom Import aus anderen Ländern, so wichtig wie noch nie. Das können nur die heimischen Bauern bewerkstelligen.“ Was beide unter anderem zuversichtlich stimmt: „Wir haben keine Nachwuchsprobleme. Unsere landwirtschaftlichen Schulen sind bestens besucht. Die jungen Leute drängen wieder in landwirtschaftliche Berufe.“ Und das sind nicht wenige: Jeder siebte Job in Bayern hängt direkt oder indirekt an der Landwirtschaft.

HC