„FormFollowsNature“: Ausstellung von Rudolf Finisterre im Ganserhaus eröffnet – Werke bis 12. Februar zu sehen
Im Ganserhaus in der Schmidzeile hat der AK68 am gestrigen Samstag zur Vernissage der Werke von Rudolf Finisterre mit dem Thema „FormFollowsNature“ eingeladen, ein trefflicher Titel, wenn man einmal davon absehen mag, dass der inflationäre Umgang mit Anglizismen auch hier Einzug halten kann. Allerdings klingt dadurch in diesem Fall ein Bezug auf den Architektur-Leitsatz „FormFollowsFunction“ direkt durch.
Bei der Vernissage hatte Rudolf Finisterre mehrfach Gelegenheit, zu seinen Kunstwerken Erläuterungen zu geben. Ud die Anekdote, wie er zu seinem Künstlernamen gekommen sei, erzählte er ebenfalls gern: Er sei einmal am Kap Finisterre im galizischen Spanien gewesen, jenem Ort, der als der westlichste in Europa gilt. Hier, am Kap Finisterre (Ende der Welt), sei er mit Freunden, davon einem Iren, an den steilen Felsklippen gestanden und habe bemerkt, dass man es dort mit dem westlichsten Punkt Europas zu tun habe und sein irischer Freund habe entgegnet, ja, aber wohl der westlichste Punkt Kontinentaleuropas, auf die Tatsache anspielend, dass Irland und auch Island noch etwas westlicher lägen.
Rudolf Finisterre, der als Rudolf Finsterwalder geboren wurde, hat in Rosenheim und Berlin Architektur studiert und schon sehr bald seine Leidenschaft für die Kunst entdeckt. In der Vorstellung seiner Person wies er auch darauf hin, dass es mehrere Architekten gebe, die sich der Kunst verschrieben hätten, aber nur wenige Künstler entwickelten eine Leidenschaft für die Architektur. Und so entdecke er immer wieder skulpturale Elemente in der Architektur und stelle fest, dass – auch unbeabsichtigt – Architekten mit ihren Arbeiten Kunst erschaffen könnten. Umgekehrt gelte dies aber nicht.
GEDANKEN ÜBER DIE ZUKUNFT DES BAUENS
In Zeiten der Nachhaltigkeit müsse man über das Bauen nachdenken, ergänzt der Künstler, denn nach wie vor immer werde am Bau sehr viel Energie benötigt, werde das meiste CO2 in die Atmosphäre ausgestoßen. Dann wurde Finisterre auch etwas philosophisch, als er seine Produktion „Spongiosa“ als ein Werk charakterisierte, das auch an ein Hochhaus erinnere. Und an diesem Punkt emanzipiere sich der Künstler vom Architekten. „Man muss es nicht studiert haben, um es zu machen“, ruft er den zahlreich erschienenen Besuchern der Vernissage im Ganserhaus zu. Kunst sei immer vieldeutig, ergänzt er, und es seien gerade die Naturformen, die inspirierten. Allerdings will er auch keine Deutungshoheit: Vieldeutigkeit sei das Wesen der Kunst und damit zutiefst pluralistisch. Die Darstellung einer Eruption, wie das Bild „Eruption I & II“, könne genauso gut einen Sonnenuntergang im Wald darstellen. Seine Kunst sei sinnlich, habe stets etwas Sinnlich-Haptisches. Und er ergänzt, dass viele Besucher seiner Ausstellungen sehr häufig seine Werke berühren wollten, was seine Annahme unterstreiche.
ERKENNEN, WAS NICHT SICHTBAR IST
In den Keller des Ganserhauses habe man 10 Tonnen Kies transportiert. Zwei fleißige Helfer hätten diesen Kies an einem Tag ganz ohne technische Unterstützung hinuntergetragen. Die Vorsitzende des AK 68, Katrin Meindl, ergänzte, dass es ihr schon ganz mulmig werde bei dem Gedanken, dass dieser Kies auch irgendwann wieder hinaufgetragen werden müsse. Finisterre beendete seine Einführung mit dem Hinweis auf Julian Deutschbauer, der am 2. Februar im Ganserhaus eine Performance unter dem Thema: „Gegen den Strich“ veranstalten werde.
Vorher hieß Katrin Meindl die Anwesenden, es drängten sich an die 100 Menschen im engen Ganserhaus, unter ihnen der Zweite Bürgermeister der Stadt Wasserburg, Werner Gartner, und die Dritte Bürgermeisterin und Kulturreferentin der Stadt Wasserburg, Edith Stürmlinger, sehr herzlich willkommen und zeigte sich über die große Resonanz sehr erfreut.
Sie fragte Finisterre in ihrer Begrüßung, wer er sei, und er antwortete ohne lange zu überlegen: „am liebsten Künstler“. Und er sprach dann am Beispiel seines Werkes „Spongiosa“ davon, dass „Spongiosa“ jenes schwammartige Innengewebe der Knochen sei, der Begriff also eigentlich aus der Medizin stamme, aber das passe wohl zu seiner Kunst: Er wolle eben nicht das offen Zugängliche, das einfache Sinnlich-Erfahrbare, darstellen, sondern er wolle Raum lassen für individuelle Deutungen, damit man sich auch in die Lage versetzen kann, die Dinge zu erkennen, die nicht sichtbar sind und deren Strukturen uns zunächst verborgen erscheinen mögen.
Zum Abschluss der einführenden Worte gab es noch eine Hommage an die Stadt Wasserburg. Finisterre meinte, es gebe wenig Orte, die eine so unverfälschte Architektur aufwiesen, wie man es in Wasserburg glücklicherweise vorfinden könne.
Im Ganserhaus hatte man für diese Ausstellung alle Möglichkeiten, die das Haus bietet, ausgeschöpft. Katrin Meindl wies eigens darauf hin, dass das Dachgeschoss bitte nur auf eigene Gefahr betreten werden könne, da man hier noch am Abschluss der notwendigen Sicherheitsmaßnahmen sei. Der Rundgang durch das Gebäude mit der Vielzahl an Exponaten lud dann tatsächlich zum gedanklichen Reflektieren über die Kunstwerke ein. Und hier darf man dem Künstler vollkommen Recht geben: Es ist gelungen, die Vielfalt des Lebens künstlerisch in ihrer Unfassbarkeit darzustellen und damit auch Raum für zahlreiche Interpretation zu lassen.
Dem AK68 ist mit „FormFollowsNature“ sehr gut gelungen, eine wirklich sehenswerte Ausstellung nach Wasserburg zu holen.
Sie kann bis zum 12. Februar 2023 immer donnerstags bis sonntags von 13 bis 18 Uhr besucht werden.
PETER RINK
Titelbild:
Katrin Meindl, Vorsitzende des AK68, und Künstler Rudolf Finisterre bei der gemeinsamen Eröffnung der Ausstellung.
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