Ausstellung regt zum Grübeln an
Der Arbeitskreis 68 hat das vereinseigene Ganserhaus in der Schmidzeile 8 am 18. Februar 2023 zu einem spannenden künstlerischen Experimentierfeld gemacht: Mit der gut besuchten Vernissage und regen Diskussionen in einem Open Table-Gespräch am Folgetag wurde eine Ausstellung eröffnet, die es mit einer solchen Struktur im Ganserhaus niemals zuvor gegeben hat.
Die noch bis 12. März 2023 jeweils von Donnerstag bis Sonntag (13 bis 18 Uhr) geöffnete Ausstellung mit dem Titel solitary/solidary ist eine gemeinschaftliche, sich fortwährend weiterentwickelnde Arbeit von 16 Studierenden der Akademie der Bildenden Künste München. Das dortige Studium ist in Klassenverbänden organisiert.
Eine dieser 25 Klassen wird von Prof. Katharina Gaenssler geleitet. Ihre Klasse hat nun das Ganserhaus in eine Studienwerkstätte verwandelt – und das buchstäblich vom Keller bis unter das Dach, auf fünf Ebenen.
Katharina Gaenssler war durch die aus Wasserburg stammende Josefine Pytlik, eine der Studierenden ihrer Klasse, auf das Ganserhaus aufmerksam geworden, und so entwickelte sich in Zusammenarbeit mit Katrin Meindl, der Ersten Vorsitzenden des AK68, nach und nach ein Ausstellungsprojekt der besonderen Art.
Schon seit Herbst des vergangenen Jahres befasste sich die Klasse mit dem Ganserhaus und dessen kleinteiligem, herausforderndem Grundriss. Die Studierenden entwickelten für je einen Raum des Ganserhauses eine ortsspezifische Arbeit, jeweils individuell, aber doch im Dialog mit den weiteren Studierenden der Klasse.
Und so entstand in sechzehnfacher Version eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Ganserhaus und dessen Möglichkeiten, teils auch mit Themen aus der Geschichte der Stadt Wasserburg am Inn. So befasst sich Mira Schienagel mit der von Baggerschaufeln freigelegten Grabstätte des „Fletzi“. Ihr Thema ist das bei Bauarbeiten auf dem ehemaligen Fletzinger-Areal 2003 gefundene Skelett eines dort zur vermeintlich letzten Ruhe gebetteten Menschen aus dem 9. Jahrhundert. Die Installation trägt den Titel Endlich ist mein Bett fertig, gezeichnet Fletzi. Eduardo Palomares bezieht seine Installation von tiefschwarzen, mit gleißend weißen Salzkrusten überzogenen Keramikgefäßen und organischen Fundstücken aus Gewässern in der freien Natur auf den nahegelegen Inn, dessen Wasser er zusammen mit dem Salz verwendete. Noch vor allen vom Künstler damit verknüpften programmatischen Überlegungen zum Wasserkreislauf der Natur ist die Arbeit mit dem Titel Inn´s Wasser, now kraft ihrer Ästhetik optisch ungemein wirksam. Einen gänzlich anderen Weg geht Jokūbas Griška, ein aus Vilnius (Litauen) stammender Studierender: Er umschließt mittels einer semitransparenten, bedruckten, an eine weiche, aber doch undurchdringliche Membran erinnernden Plastikfolie Raum im Ganserhaus; mit dem Titel confinement (Gefangenschaft) verweist er auf das Gefühl, von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen zu werden. Zahra Ghadimian (sie stammt aus dem Iran) reflektiert das politische Geschehen in ihrem Heimatland, an der Wand angebrachte Spiegel brechen und vervielfältigen Videoprojektionen. Im Keller des Ganserhauses wurde Esther Abdelghani von einem architektonischen Detail, nämlich dortigen Resten einer Natursteinmauer zu einem auf den Boden projizierten Video inspiriert; es trägt den Titel „Die Unmöglichkeit der Bewegung“.
Und dies sind nur fünf von sechzehn Beispielen: Der Besucher der Ausstellung ist sechzehnmal aufgerufen, sich mit dem jeweiligen künstlerischen Weg und der Position des oder der Studierenden zu befassen. Kurze Texte an den Wänden verknüpfen die ausgestellten Arbeiten mit der Gedankenwelt der Künstlerinnen und Künstler.
Die Studierenden KIMO (aus Südkorea stammend) und Igor Vrdoljak werden bis zum Ausstellungsende vor Ort im Ganserhaus weiterarbeiten und so die Ausstellung nach und nach verändern. Sie stehen den Besuchern für Fragen zur Verfügung.
An den Sonntagen 5. März und 12. März 2023 bietet der AK68 zudem jeweils um 11.30 Uhr etwa 75 Minuten dauernde Führungen an (Entgelt: 7 Euro). Zusätzliche Führungen können unter Telefon 0171 4103719 vereinbart werden.
Am Samstag, 11. März um 16 Uhr schließlich werden die Studierenden gemeinsam mit Katharina Gaenssler einen nach und nach während der Ausstellung entstehenden Katalog zur Ausstellung präsentieren. Spontane schriftliche Beiträge und Kommentare des Ausstellungspublikums werden willkommener Teil dieses Katalogs sein.
Die Klasse Katharina Gaenssler wird auch nach Ausstellungsende dem AK68 verbunden bleiben – nach der Ausstellung ist somit vor der Ausstellung:
Im Sommer 2023 werden die Studierenden das Umspannwerk an der Priener Str. 3 als Artists in Residence nutzen. Sie werden sich dort, soweit möglich, häuslich einrichten und an ihren dann aktuellen Projekten arbeiten.
Das Publikum wird sich erneut fragen: Was machen die Studierenden? Woher kommen sie? Wie denken und fühlen sie, was nehmen sie wie wahr, wie sehen sie die Welt? Was kommt da auf uns zu?
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