Wasserburger informierten sich bei Stadtrundgang eingehend über Rosenheim

 „Warum fahren wir eigentlich nie nach Rosenheim?“ Diese Frage wurde dem Vorsitzenden des Wasserburger Heimatvereins, Peter Rink, häufiger gestellt. Im Rahmen der sommerlichen Exkursionen des Vereins fand deshalb gestern ein geführter Stadtrundgang durch Rosenheim statt, der den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wohl manche neue Information darbringen konnte.

Stadtführerin Maria Wolfarth erklärte den anwesenden Mitgliedern des Wasserburger Heimatvereins ausführlich die geschichtlichen Hintergründe mancher interessanter Begebenheit.

So erfuhren die Teilnehmer, dass Rosenheim im späten Mittelalter und der früheren Neuzeit immer abhängig war von Wasserburg. Wasserburg war das Zentrum und die entscheidende Verkehrsachse war der Inn. Als dann im 19. Jahrhundert der Bau der Eisenbahn erfolgte und die Bahnlinie von München nach Salzburg über Rosenheim verlief und nicht über Wasserburg, da war es auch um die Bedeutung der Innschifffahrt geschehen.

Man traf sich beim Lokschuppen, wo man vis-à-vis das Rathaus sehen kann. Dieses Gebäude war im 19. Jahrhundert das ehemalige Bahnhofsgebäude. Von 1857 bis 1876 befand sich hier der Bahnhof Rosenheim, bevor man in der stark expandierenden Stadt einen neuen Bahnhof benötigte, der zweierlei zu liefern wusste; einerseits sollte er das innerstädtische Leben fördern und nicht behindern, zum anderen sollte er groß genug sein können für die Anforderungen der neuen Zeit.

So kam es, dass nach nur knapp 20 Jahren der Bahnhof von Rosenheim auf den Südtiroler Platz umziehen musste und das Gebäude des ehemaligen Bahnhofes Rathaus werden konnte. Auch die heutige Verkehrsachse Rosenheims, die Rathausstraße und dann Prinzregentenstraße konnte so umgestaltet werden zur Straße, nachdem vorher hier das Bahngleis entlanglief, weshalb auch der Lokschuppen hier einen Sinn ergab.

Daneben kann man ein Gebäude erkennen, das eindeutig dem Stil der 30er Jahre des 20.Jahrhunderts zuzuordnen sei, die Städtische Galerie. Diese wurde 1935 als „Haus der Deutschen Kunst“ begründet und fiel zwar etwas kleiner aus als ihr Münchner Vorbild, konnte aber durchaus ihren eigenen Charme begründen.
Wenn man am Hintereingang des Rathauses in der Königsstraße steht, kommt die Gruppe unweigerlich auf die Rosenheim-Cops zu sprechen. Aus Seattle habe sie eine Anfrage bekommen, berichtet Maria Wolfarth, man habe Rosenheim durch die Rosenheim-Cops kennengelernt und wolle nun Rosenheim persönlich kennenlernen. Sie weiß auch mit kleinen Anekdoten aufzuwarten, die ihre Zuhörerschaft immer wieder zum Schmunzeln bringen.
Am Max-Josefs-Platz steht man dann vor dem ehemaligen Rathaus und direkt gegenüber befand sich bis 1605 der Pfarrhof.

Dann berichtet sie, dass es 1984 heftige Diskussionen um die Schaffung einer Fußgängerzone gegeben habe. Die Geschäftsleute in Rosenheim seien dagegen Sturm gelaufen und seien heute dankbar dafür, dass sie sich nicht haben durchsetzen können. Die Einrichtung der Fußgängerzone am Max-Josefs-Platz habe aber auch dafür Sorge tragen können, dass das Mittertor erhalten geblieben ist.

Ein Blick hinüber zum Gillitzerblock lässt Maria Wolfarth erneut ausholen:

Zwischen 1894 und 1897 habe der Münchener Geschäftsmann Thomas Gillitzer das Areal zwischen Münchener-, Prinzregenten- und Herzog-Heinrich-Straße erworben. Letztere sei dann ihm zu Ehren 1913 in Gillitzerstraße umbenannt worden. Auf dem Gelände seien großzügig angelegte Wohnhäuser mit Läden, dem Hotel „Deutscher Kaiser“ und dem Bismarck-Bad entstanden. Neu an der Anlage sei nicht nur das Ausmaß, sondern auch die Fassaden im Gründerzeitstil und die aufwendige und moderne Innenausstattung gewesen. Es ist Maria Wolfarth dann auch wichtig festzustellen, dass dieser Bau nicht von einem Unternehmen oder einer Stiftung durchgeführt wurde, sondern das Werk eines einzelnen Mannes gewesen sei. Thomas Gillitzer siedelte sich bereits 1883 in der Rosenheimer Gegend an. 1895 zog er dann endgültig von München nach Rosenheim, nachdem er bereits einen Teil seines Grundstückquadrats an der Münchener Straße gekauft hatte. Er sei voller Wissen, aber schließlich doch ohne Geld verstorben, aber der Gillitzerblock als Andenken sei erhalten geblieben.

Betritt man die Kirche St. Nikolaus, die Rosenheimer Stadtpfarrkirche, dann fällt einem als erstes die karge Ausstattung auf. Die Teilnehmer an der Führung erfuhren, dass die Kirche 2006 komplett renoviert wurde, weshalb diese Kirche, die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erbaut wurde, innen modern wirkt.
Wichtig seien die Fenster, die ausschließlich aus Spenden hätten finanziert werden können. Maria Wolfarth berichtete hier, dass der in Rosenheim-Kastenau geborene Zauberer Siegfried Fischbacher, besser bekannt unter dem Namen des Duos „Siegfried & Roy“, eine Stiftung ins Leben gerufen habe, durch die die Fenster der Nikolauskirche hätten finanziert werden können.

Dann erfährt die Gruppe noch, dass eines der Fenster dem Andenken der jüdischen Schülerin Elisabeth Block, ihrer Familie und allen jüdischen Opfern gewidmet sei. Elisabeth Block wurde 1923 in Niedernburg bei Prutting geboren und fiel 1942 dem Holocaust zum Opfer. Auf einem nachträglich gestalteten Fenster ist das Bußgebet von Papst Johannes XXIII. über die jahrhundertelangen Versäumnisse der katholischen Kirche gegenüber den Juden zu lesen, eine Schrifttafel informiert über den Zweck dieser beiden Fenster.

Im Riedergarten erfährt die Gruppe noch, dass der Apotheker Johann Rieder diesen Garten 1729 als privaten Kräutergarten hat entstehen lassen und von einem seiner Nachfahren, dem Mediziner Hermann Rieder, 1925 an die Stadt als Sommergarten verkauft worden sei. In der Überlassung wurde vereinbart, dass der Garten als Garten erhalten bleiben müsse, weshalb diese grüne Lunge Rosenheims bis heute ihren Bestand gesichert haben dürfte.

Die Führung dauerte 90 Minuten und alle Teilnehmer waren sich in der Einschätzung einig: Das hat sich gelohnt, bei Maria Wolfarth bedankte sich die Gruppe herzlich für die sehr kenntnisreiche und hoch informative Führung.

RP