Acht Studenten und Studentinnen gestalten Umspannwerk künstlerisch neu

Seit knapp vier Wochen wohnen sie nun im alten Umspannwerk – die acht Studenten der Akademie der Bildenden Künste in München (wir berichteten). Im Rahmen des unter dem Namen „Artists in Residency“ bekannten Projekts wollten sich in Wasserburg von der Welt abkoppeln, um auf diese Weise über Kunst im Allgemeinen, aber auch ganz speziell über ihre künstlerische Tätigkeit nachdenken, lernen und produzieren zu können. Jetzt wurde die Ausstellung ihrer Werke um Umspannwerk eröffnet. Mit dabei: Die Vorsitzende des AK 68, Katrin Meindl (links) sowie Wasserburgs Bürgermeister Michael Kölbl und Zweiter Bürgermeister Werner Gartner.  

Bei ihrem Projekt hatten die drei weiblichen und fünf männlichen Künstler durchaus mit Widrigkeiten zu kämpfen. So gibt es im alten Umspannwerk zwar Strom, aber kein fließendes Wasser, sodass sie sogar bei der Beschaffung von Trinkwasser auf fremde Hilfe angewiesen waren. Sich von der Welt gänzlich abkoppeln zu wollen, und sei es auch nur auf Zeit, würde hier also nicht funktionieren. Und die Studenten der Münchner Akademie der Bildenden Künste wussten dies und haben sich darauf eingelassen. Und das mit gutem Erfolg, kann man sagen.

Die benachbarten Johanniter halfen mit Trinkwasser, im benachbarten Badria durften sie sich waschen, duschen usw. und so konnte dieses künstlerische Projekt trotz der großen Hitze in den vergangenen beiden Wochen zu einem Erfolg geführt werden.

In ihrer Begrüßung betonte die Vorsitzende des AK 68, Katrin Meindl, ihre große Freude, dass in diesem Gemäuer Ausstellungen stattfinden können, die auch neue Wege in der künstlerischen Präsentation in Wasserburg zu weisen vermögen. Auch der Bürgermeister der Stadt Wasserburg betonte in seiner Begrüßung die gute Zusammenarbeit zwischen der Stadt und dem AK 68. Es mache immer wieder große Freude, Künstlern Gebäude der Stadt zur Verfügung zu stellen. Das Herz des AK 68 sei das Ganserhaus in der Schmidzeile und auch hier gebe es noch einiges zu tun, betonte Kölbl. Man dürfe sich deshalb auf noch viele Veranstaltungen des AK68 freuen, selbst wenn dies die vorletzte Ausstellung im ehemaligen Umspannwerk sein dürfte, denn im Herbst werden die Gebäude wohl abgerissen.

Wenn man das Gelände des ehemaligen Umspannwerks betritt und die Exponate, die in den vergangenen Wochen entstanden sind, betrachtet, sticht einem zuerst „die Zauberbohne“ ins Auge. Georg Weyerer hat hier aus Stahlseilen, Stahlblech, Stahlbändern und Kupferblech eine riesige Bohne an überdimensionalen Wurzeln geschaffen. Das Kunstwerk, das aus dem ersten Stock des Hauptgebäudes herausragt und die sich darunter aufhaltenden Menschen gleichzeitig beschützt und bedroht, soll, so will es der Künstler, auf die globale Ungerechtigkeit in der Verteilung von Gütern aufmerksam machen. Aber diese Zauberbohne, die sich auf das Märchen „Hans und die Bohnenranke“ bezieht, spricht eigentlich auch für sich selbst.

Und hier erreicht man die Frage, ob Kunst immer eine gesellschaftspolitische Botschaft hat oder haben muss oder ob sie nicht auch aus sich heraus sprechen kann, zu sprechen vermag. Georg Weyerer hat noch ein zweites Exponat geschaffen, und zwar eine 500 Kilogramm schwere Metallkugel, die im Untergeschoss des Hauptgebäudes ausgestellt ist. „Hängt diese Kugel an einem Galgen?“, fragt sich der Betrachter und man erfährt, dass die Kugel eben nicht nur die Weltkugel symbolisieren kann, sondern auch eine Abrissbirne. Denn der Abriss steht ja auch dem ehemaligen Umspannwerk bevor, Kunst, die gerne für die Ewigkeit produziert wird, ist eben immer endlich und man muss sich wohl auch mit dem Gedanken anfreunden, den Goethe in seinem Faust schon formulierte: „Alles, was entsteht, ist wert, dass es zu Grunde geht.“ Dieses Thema beschäftigt Menschen seit jeher, es ist immer wieder die Frage, wieviel Tradition wollen wir bei unserem Handeln berücksichtigen und wieviel Innovation wollen oder müssen wir integrieren? Das wäre dann auch das Thema der Kunst in seiner Vergänglichkeit, die sie möglicherweise gar nicht so gerne wahrhaben will. Und so ist es auch hier.

Als vor einiger Zeit der AK 68 das ehemalige Umspannwerk von der Stadt Wasserburg anmietete, wussten alle Beteiligten, dass es nur für eine bestimmte Zeit sein würde. Diese Zeit neigt sich nun dem Ende entgegen. Nach der Ausstellung „Artists in residency“ wird es noch die Mitgliederausstellung des AK 68 geben und dann ist Schluss. Nicht wenige werden das bedauern, aber es gibt hier wie fast immer mehrere unterschiedliche Auffassungen.

Vincent Schober hat beispielsweise das Suchen in den Mittelpunkt seiner künstlerischen Aktivität im ehemaligen Umspannwerk gestellt. Er hat einen kreuzförmigen Graben in den Garten des Geländes getrieben und damit, wie er es selber nennt, „scheinbar“ eine Ausgrabung“ geschaffen. Teile des Aushubs finden sich im benachbarten Nebengebäude des ehemaligen Umspannwerks wieder. Dort wurde die Erde auf dem Boden eines Raumes ausgebreitet.

Barbara Karrer, die auch als Sprecherin der Gruppe auftrat, hat mit ihrer Videoarbeit „Bodyscope“ den Versuch unternommen, das Industriegebäude mit dem menschlichen Körper symbiotisch zu verschmelzen. Ob es gelungen ist, kann wohl nur jeder für sich beantworten. Diese Idee zeigt aber auch das Ziel dieser Gruppe, nämlich, dass man immersiv tätig wird, also in das Industriegebäude „eintaucht“ und sich auf diese Weise neue künstlerische Dimensionen erschließen will.

Mit dem Exponat „In Memory“ hat sie Hydrolate aus Materialien geschaffen, die sie auf dem Gelände des Umspannwerkes sammeln konnte.

Von ganz anderer Art sind die Exponate von Luisa Heinz, die eine Serie von neun Anzügen geschaffen hat, die hier sowohl als künstlerisches Objekt, als auch als tragbares Kostüm gelten dürfen und so ein Spannungsfeld zwischen Malerei und Kleidung zu schaffen vermögen.

Maxine Weiss wiederum hat sich mit gefundenen Industriematerialien beschäftigt, die sie mit der bestehenden Architektur verbunden hat.

Jos Strobl seinerseits nimmt eine Kopie der „Venus von Milo“ zum Spielball zwischen Konservierung im Innern eines Gebäudes einerseits und „der rohen Gewalt der Witterung“ andererseits.

Auch Florian Clemens Meier hat das Problem der Nahrungssicherheit und er Ressourcenverschwendung zu seinem Thema gemacht. Und schließlich will Milan J. Mulzer mit Hilfe der Fotografie den Gegensatz zwischen Zwei- und Dreidimensionalität sichtbar machen und aufzulösen versuchen.

Und so ist eine Ausstellung entstanden, die aus einem scheinbaren Mangel an Anregungen zündende Ideen hat gestalten können, die nun in der Ausstellung komprimiert dem interessierten Publikum gezeigt werden.

Zu sehen ist die Ausstellung „Artists in residency“ noch bis zum 3. September, und zwar jeweils samstags und sonntags von 12 bis 18 Uhr. Die Finissage am 3. September findet von 12 bis 17 Uhr statt. Daneben gibt es am 26. und 27. August und am 2. September jeweils um 15 Uhr eine Führung durch die Ausstellung mit der Möglichkeit eines Gesprächs mit den Künstlern.

PETER RINK