„Tag des offenen Denkmals in Wasserburg: 600 Besucherinnen und Besucher überzeugten sich vom „Talent Monument“

Seit nunmehr 30 Jahren findet der „Tag des offenen Denkmals“ deutschlandweit statt und Wasserburg war von Anfang an mit dabei. Die diesjährige Besucherzahl von 600 Interessierten beweist, dass die Faszination und Begeisterung für das Kulturerbe weiterhin ungebrochen hoch ist. Dieses Jahr hieß es „Talent Monument“. Davon gibt es in Wasserburg jede Menge und einige davon haben die Veranstalter „auf die Bühne gebracht“.

 

So hat etwa Martina Pfeiffer-Zorn den Vorhang von Schloß Weikertsham geöffnet und führte zusammen mit Museumsleiterin Sonja Fehler durch das beeindruckend restaurierte Gebäude, das sie Anfang der 1990-er Jahre vor dem Verfall rettete und innerhalb von drei Jahren in neuem Glanz erstrahlen ließ. Sie erzählte von ihrem ersten Entdecken der Ruine in den 1980-er Jahren, den Weg zur endgültigen Übernahme, die damit verbundenen Hürden und Schwierigkeiten, aber auch das damalige große Interesse der Presse und Bevölkerung. Noch in den 1950-er Jahre wurde das Gebäude bewohnt, bis es feuerpolizeilich als Wohnhaus gesperrt wurde. Davor waren nach dem Zweiten Weltkrieg in den kleinen Räumen geflüchtete Familien untergebracht, viele Kinder wurden hier geboren. Einige kamen nach der Sanierung zu Besuch, eine Frau sogar eigens aus den USA.

Zum Abschluss konnten die Besuchergruppen auch einen Blick in das Innere werfen. Zu Zeiten der reichen Wasserburger Patrizierfamilien bestand jedes Stockwerk nur aus einem einzigen Raum mit einem vorgelagerten Flez und einem offenen Laubengang. Nun sind die Geschosse in mehrere Räume unterteilt, die Arkaden mit Verglasung geschlossen. Ganz besonders ist das Speichergeschoss, das schon in früheren Zeiten ausgebaut und mit Holz vertäfelt war. Von hier hat man einen fantastischen und unverstellten Blick bis in die Berge – der Standort wurde von den früheren Bewohnern schließlich nicht ohne Grund genau an diesem Ort gewählt!

Dass die Räume des Wasserburger Rathauses ein wahres Talent im Erzählen von vergangenen Zeiten sind, wurde in den Führungen in den beiden Rathaussälen und im Alten Archiv deutlich. Thomas Rothmaier erklärte das Bildprogramm an den Wänden des großen und kleinen Rathaussaals. Letzterer ist der eigentliche historische Saal, denn dessen Fresken aus dem Jahr 1564 sind noch im Original erhalten. Heute finden hier Hochzeiten statt, früher wurde hingegen Gericht gehalten. Dies ist noch an der Bemalung abzulesen – so befindet sich im damaligen Sichtfeld des Richters eine Darstellung des Jüngsten Gerichts, in einem Fensterzwickel die Justizia und auch das Salomonische Urteil ist abgebildet.

Der große Rathaussaal fungierte auch schon in vergangenen Zeiten als Ort für städtische Festlichkeiten und hatte einst eine kunstvolle Holzvertäfelung. Nach einem verheerenden Brand im Jahr 1874 war diese komplett zerstört, Prinzregent Luitpold höchstpersönlich regte eine Neugestaltung an und stellte dafür Geldmittel aus dem Bayerischen Kulturfonds zur Verfügung. Man entschied sich jetzt für eine allegorische Freskenbemalung, die Maximilian von Mann in den Jahren 1903 bis 1905 ausführte. Dafür bediente er sich als Vorbild in Motivik und Ausführung der Alten Meister. So kopierte er Teile von Gemälden vor allem aus der Zeit um 1500 – etwa von Altdorfer, Dürer oder Beham – und interpretierte diese passend für Wasserburg um. Dabei gibt es sehr viel zu entdecken: auf der Nordseite ein Hochzeitsmahl mit einem großen von Amor bekrönten Brunnen als Zentrum, auf der Ost- und Südwand Allegorien wie Glück, Tapferkeit und Wahrheit und eine Stadtansicht Wasserburgs nach Merian, auf der Westseite einen prunkvollen Triumphzug des Salzes, daneben sind unter anderem auch Wappen von wichtigen Wasserburger Bürgergeschlechtern verewigt.

Stadtarchivar Matthias Haupt gewährte in zwei ganz besonderen Räumen im Rathaus – dem Alten Archiv – Einblicke in die Wasserburger Stadtgeschichte. Der ältere Raum wurde im Jahr 1618 eigens zu Archivzwecken eingerichtet, die originalen Schränke sind auch heute noch erhalten. Im 19. Jahrhundert kam der zweite Raum hinzu. In den Örtlichkeiten waren bis um das Jahr 2000 alle historischen Dokumente, Akten der Stadt Wasserburg gelagert – das älteste stammt aus dem Jahr 1301. Da die Jahrhunderte teilweise massive Schäden – wie etwa von Feuchtigkeit verursachter Schimmel oder Schmutz von Staub und Ruß – hinterlassen hatten, wurden sämtliche Archivalien von 2002 bis 2018 gereinigt, konservatorisch gerecht verpackt und sind nun im neuen Archivbau untergebracht. In den Jahren 2020 bis 2022 erfolgte außerdem eine vollständige Digitalisierung.

Im Sitzungssaal des Rathauses drehte es sich dagegen nicht um den Raum selbst, sondern über die Vereinbarkeit von Denkmalschutz und erneuerbarer Energie. Stadtbaumeisterin Mechtild Herrmann erläuterte ein in Wasserburg laufendes Modellprojekt zum Thema, dessen Erkenntnisse in eine neue Gestaltungssatzung fließen werden. Die zahlreichen Nachfragen der Besuchenden zeigte, dass der Sachverhalt einen hohen Stellenwert in der öffentlichen Wahrnehmung hat. Abgerundet wurde der Vortrag mit einem Streifzug auf die Burg mit Ausblick über die Wasserburger Dachlandschaft.

In ehemaligen Kloster Attl war nicht nur das Herbstfest geboten, sondern man konnte auch einen Abstecher in die Ausstellung zum 150-jährigen Jubiläum der Stiftung unternehmen. Michael Johannes Wagner gab einen prägnanten Überblick über die Geschichte der Einrichtung für Menschen mit Assistenzbedarf und zeigte an einigen markanten Objekten – wie etwa einer Zwangsjacke – sehr anschaulich, wie noch bis vor 50 Jahren beispielsweise freiheitsentziehende Maßnahmen praktiziert wurden. Die Stiftung Attl wurde 1873 gegründet und stand bis 1970 unter der Verwaltung des Ordens der Barmherzigen Brüder. Danach übernahm der Caritasverband und es erfolgte eine grundlegende Veränderung in der Arbeitsweise und im Umgang mit Menschen mit Assistenzbedarf. In diesem Sinn wurde 1972 auch die Fachschule für Heilerziehungspflege eingerichtet. Die Stiftung Attl ist eine Stiftung des bürgerlichen Rechts und wird seit 1994 von zwei Vorständen verwaltet. Eine beeindruckende Ergänzung zur sehr gelungenen Ausstellung ist die Präsentation der „150 Scheenen G’sichter“ – gezeigt werden große ausdrucksstarke Schwarz-Weiß-Porträts von Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Einrichtung im ehemaligen Kloster Attl.

Eine weitere sehr sehenswerte Ausstellung, deren Pforten am „Tag des offenen Denkmals“ geöffnet wurden, ist das Psychiatriemuseum in Gabersee. Viele Interessierte nutzen die Gelegenheit für einen Rundgang durch die eindrücklich gestalteten Räume in einem alten Stationsgebäude der ehemaligen „Kreisirrenanstalt“. In diesem waren noch bis in die 1980-er Jahre Patientinnen und Patienten untergebracht. Im damaligen Schlafsaal werden nun zahlreiche Exponate – wie Bettpfannen, Dienst- und Anstaltskleidung oder Medizininstrumente – auf weißen Quadern präsentiert. Letztere symbolisieren die Betten, die hier dicht an dicht beieinanderstanden. Gegründet 1883 – zehn Jahre nach der Stiftung Attl – veränderte sich das Leben und Arbeiten in Gabersee in den 1970er Jahren ebenfalls entscheidend. Die reine „Verwahrpsychiatrie“ entwickelte sich zur heutigen modernen Klinik. Wie in Attel wurden auch Patientinnen und Patienten aus Gabersee im Zuge der Euthanasie der Nationalsozialisten deportiert und ermordet, was ebenfalls anschaulich thematisiert wird. Museumsleiter Wolfgang Schmid berichtete in einem lebhaften Vortrag von den Anfängen, der bewegten Vergangenheit, den dunklen Zeiten sowie den Umbrüchen und Veränderungen in der 140-jährigen Geschichte von Gabersee. Den Grundstock für das Museum legte übrigens ein Pfleger: Er sammelte über viele Jahre hinweg bei Renovierungen ausgemusterte alte Objekte, die nun in der Ausstellung zu sehen sind.

 

Das Angebot zum „Tag des offenen Denkmals“ wurde durch ein weiteres nicht regelmäßig geöffnetes Museum ergänzt: Die Sammlung „Wasserburg aus fünf Jahrhunderten“ im ehemaligen Heilig-Geist-Spital. Es konnten nicht nur die historischen Räumlichkeiten und die zugehörige Spitalkirche besichtigt werden, sondern auch die beeindruckenden Objekte, die von Bernd Joa gesammelt und der Stadt geschenkt wurden und die alle von der Geschichte Wasserburgs aus den vergangenen 500 Jahren zeugen. In zwei Führungen wurden zudem die Highlights der Ausstellung präsentiert.

 

Auch das Museum Wasserburg war bei freiem Eintritt zu erkunden. Jüngere Besucherinnen und Besucher konnten mit einer Museumsrallye oder einem Suchspiel das Gebäude und seine Exponate entdecken, die älteren mit der Museums-App. Zusätzlich wurden zwei Führungen angeboten. Sonja Fehler intensivierte den Blick auf die ehemaligen Eigentümerfamilien von Schloß Weikertsham, von denen auch im Museum einige Spuren zu finden sind. Außerdem gab es eine Hausführung, in der das Museumsgebäude näher beleuchtet wurde.

 

Foto oben: Sonja Fehler erklärt die Bedeutung der Fassadenmalerei des Schloßes Weikertsham.

 

 Thomas Rothmaier erläutert die Bemalung „Triumphzug des Salzes“ an der Westwand des großen Rathaussaals.

 

Stadtarchivar Matthias Haupt zeigt ein originales Dokument aus der Stadtgeschichte.

 

Stadtbaumeisterin Mechtild Herrmann referiert über das Modellprojekt zum Denkmalschutz und erneuerbare Energie vor der Wasserburger Dachlandschaft 8wir berichteten).

 

Michael Wagner zeigt Exponate aus der 150-jährigen Geschichte der Stiftung Attl.

 

Wolfgang Schmid gibt in seinem Vortrag einen Überblick über die Geschichte von der „Kreisirrenanstalt“ zur modernen Fachklinik für Psychiatrie in Gabersee.