Theater Wasserburg: Über das Privileg des Menschen, aus seinen Fehlern zu lernen
Am Theater Wasserburg gab es am Freitagabend wieder eine Premiere: „Richard 3″ von Mario Eick nach Motiven Shakespeares stand auf dem Programm.
Die Handlung ist schnell erzählt: Richard III. (hier Richard 3) sitzt nach der Schlacht von Bosworth schwer verwundet, dem Tode ins Auge blickend, auf der Bühne. Ein Fremder gesellt sich zu ihm und stellt in gewisser Weise sein alter ego dar. Beide sprechen miteinander, bedrohen einander, bevor sich Anna zu ihnen gesellt.
Was das Publikum miterleben darf, ist ein intensiver Austausch über Krieg und Frieden, Leben und Tod, den Charakter der Könige und vieles mehr. Das Theater Wasserburg bezeichnet es mit dem Begriff „Richard 3 ist in der Tat das leibhaftige Böse in seiner reinsten Form“. Doch auch hier gibt es Zweifel. Mario Eick selbst spielt die Rolle des Richard 3. Es sei das Privileg des Menschen, aus seinen Fehlern zu lernen, lässt er den vom Tode gezeichneten König sagen, nur um zu ergänzen: „Könige müssen lügen!“ Ob der Mensch von einem solchen Privileg Gebrauch macht, bleibt unbewantwortet. Skepsis ist sicher angebracht.
Dann wagen sich die Darsteller an das Rauchen und die Anti-Raucher-Werbung unserer Tage. Und sie nehmen sich selbst auf den satirischen Arm dabei: „Rauchen kann tödlich sein“ und „Rauchen führt zu ungewollter Schwangerschaft“. Widersprüchlicher kann man die Wirklichkeit kaum darstellen. Und widersprüchlich ist auch Richards Wirklichkeit: Einerseits schwer verwundet, vom Tode gezeichnet, spielt er immer noch den diktatorischen Machtpolitiker, wenn er den „guten Menschen“ als „Luftpumpe“ bezeichnet oder vom Frevel in der Gerechtigkeit spricht.
„Traue nie Deinem Gewissen“, sagt der Fremde zu Richard und will ihn auf den rechten Pfad zurückführen, indem er ihm das Glaubensbekenntnis vorbetet. Doch Richard betet nicht mit. Ist der Tod Strafe oder Erlösung? Und was ist die schlimmere Strafe? Sterben oder weiterleben? Und gibt es Gerechtigkeit, selbst wenn wir die ganze Reue zeigen? Auf der Bühne wird das durch eine Pistole versinnbildlicht: Der Fremde zielt auf Richard, drückt aber nicht ab, dann nimmt Anna die Pistole und schließlich Richard selbst. Erschossen wird niemand. Als Erlösung empfindet dies aber auch keiner.
Richard kann nicht trauern um all die Menschen, denen er Gewalt hat antun lassen und die dadurch gestorben sind, auch um sich selbst kann er nicht trauern. er hat immer nach dem Motto „Der Zweck heiligt die Mittel“ gelebt, jenem Motto, mit dem Lenin den russischen Bürgerkrieg gerechtfertigt hat.
Und so entlässt das Ensemble am Ende das Publikum mit der Erkenntnis, dass es keine Unschuld gibt, nur Schuld, dass Machtpolitik zum Tode führt und nicht zum Heil der Menschen. In diesem Sinne ist Rauchen dann noch eher ein harmloser Weg, das Sterben zu beschleunigen.
Gibt es Liebe? Das fragen sich die Akteure und kommen schnell dahinter, dass Liebe und Begierde siamesische Zwillinge zu sein scheinen, so wie gut und böse sich als zwei Seiten „derselben Medaille“ darstellen.
Am Schluss leiht sich Richard 3 noch ein Zitat bei Shakespeares Richard III. aus, wenn er seine Fluchtgedanken präzisiert: „Ein Königreich, ein Königreich für ein Pferd!“
Mario Eick als Richard verkörpert die tragische Figur des Gewaltherrschers während der Rosenkriege in England in beeindruckender Weise, er vermag gekonnt die verschiedenen Facetten des Bösen eindrucksvoll zu verkörpern, aber auch Carsten Klemm, der den Fremden spielt, zeigt genau, dass der Gegensatz des Bösen eben nicht das Gute sein muss, sondern seinerseits das Böse sein kann, genau so, wie wir es in der aktuellen politischen Situation derzeit erleben.
Susan Hecker als Anna wirkt sehr eindringlich und überzeugend, wenn sie einerseits über Richards bevorstehenden Tod trauern will und das dann doch nicht so recht kann.
Richard 3 ist ein Stück im Anschluss an Shakespeares Themenschwerpunkte, aber gedanklich eben auch die die Gegenwart projiziert. Ein sehenswertes Stück, insbesondere von der Botschaft und der schauspielerischen Leistung her betrachtet.
Das Theater Wasserburg führt das Stück noch am 19. November um 19 Uhr, am 22. und 23. Dezember jeweils um 20 Uhr und am 19. und 20. Januar 2024 um 20 Uhr sowie am 21. Januar um 19 Uhr auf. Am 21. Januar 2024 gibt es darüber hinaus um 18 Uhr ein Publikumsgespräch mit dem Autor und den Darstellern. Das Gespräch wird die Kulturjournalistin Ute Mings führen.
PETER RINK / FOTOS: CHRISTIAN FLAMM
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