Gestern 19. Verhandlungstag im „Eiskellerprozess“ vor dem Schwurgericht in Traunstein

Ursprünglich sollte in der kommenden Woche das Urteil gegen Sebastian T., den Angeklagten im „Eiskeller-Mord“ von Aschau, gesprochen werden. Doch nun hat das Schwurgericht beim Landgericht Traunstein im Januar und Februar 2024 vier zusätzliche Verhandlungstage angesetzt. Mit einem Urteil ist also vor Februar 2024 nicht zu rechnen. Am gestrigen Dienstag fand nun der 19. Prozesstag statt und er brachte manch neuen Aufschluss. Aufgeklärt ist der Mord an Hanna W. in den frühen Morgenstunden des 3. Oktober 2022 aber lange noch nicht. Da der Angeklagte weiterhin schweigt, ist es für alle Seiten nicht einfach, Licht in das Dunkel jener Nacht zu bringen, in der Hanna W. ums Leben kam.

Richterin Jacqueline Aßbichler begann die Verhandlung an diesem 19. Prozesstag mit dem Hinweis, dass heute die Kriminalbeamten vernommen werden sollen, die die Smartphones des Angeklagten ausgewertet hätten. Und an dieser Stelle hakt die seit dem 16. November zum Prozess dazugestoßene Wahlverteidigerin von Sebastian T., Regina Rick, ein. Sie beklagt zunächst die von ihr so empfundene unzureichende Akteneinsicht, was Richterin Aßbichler nicht so ganz nachvollziehen mochte.

Dann wurde der erste von zwei Kriminalbeamten, die sich mit der Analyse der smartphones des Angeklagten beschäftigt haben, vernommen. Er erklärte, dass der Angeklagte drei Smartphones besessen habe. Insgesamt 11.826 Aufrufe im Internet seien zwischen dem 4. August 2022 und dem 2. November 2022 auf den Geräten protokolliert worden. Es gebe natürlich auch viele Duplikate, aber insgesamt, so sagt es der Kriminalbeamte aus, seien 3.198 verschiedene Webseiten aufgerufen worden.

Der Beamten erklärte, dass von den 3.198 besuchten Webseiten drei Prozent nicht pornographischer Natur seien, 97 aber schon. Im Gerichtssaal wurde es zunächst mucksmäuschenstill, der Angeklagte schaute auf den Boden und sagt nichts. Die Verteidigerin von Sebastian T. gab an dieser Stelle zu Protokoll, dass sie sich gegen das Zeigen von Clips, die der Angeklagte aufgerufen habe, ausspreche.

Der Kriminalbeamte führte dann weiter aus: Die 3.198 verschiedenen Webseiten sei die Mindestzahl. Es könne durchaus noch weitere geben, aber die seien nicht protokolliert. In einem nächsten Schritt habe man die Suchbegriffe des Angeklagten verfolgt und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass Suchbegriffe wie „Sex“, „Porn“, „Vergewaltigung“, „Folter“, „Teenager“ und „Entführung“ besonders häufig gefunden worden seien. Vor dem 3. Oktober 2022, dem Tag, als Hanna W. zu Tode kam, seien die Aufrufe „signifikant“ hoch gewesen. So seien am 27. September 2022 mindestens 412 Aufrufe protokolliert und am 29. September 2022 mindestens 451 Aufrufe.

Der Kriminalbeamte betonte mehrfach,  dass immer nur die Aufrufe auf dem Smartphone protokolliert worden seien, man aber nicht exakt bestimmen könne, welche Inhalte dort angesehen worden seien. Es sei der Auftrag der Polizei gewesen zu prüfen, ob gewaltaffine Inhalte aufgerufen worden seien. An dieser Stelle stand die Mutter des Opfers Hanna W. auf und verließ den Gerichtssaal. Sie wohnt als Nebenklägerin fast jedem Verhandlungstag bei, registriert genau den Verlauf des Prozesses und hat verständlicherweise immer wieder mit ihren Emotionen kämpfen.

Direkt hinter den Pressevertretern saßen gestern einige junge Frauen, anscheinend Bekannte des Angeklagten. Sie gaben ihrem Unmut Ausdruck, kritisieren die Prozessführung durch die Richterin. Es blieb aber insgesamt ruhig und friedlich.

Der Kriminalbeamte erklärte weiter, am 1. Oktober habe der Angeklagte das Suchwort „lost shorts“ eingegeben und kam auf eine Web-Seite, auf der sich junge Männer über ihre erfolglosen Versuche bei jungen Frauen austauschen.

Aus der Vielzahl der aufgerufenen Clips hätten zwei bei der Polizei gesichert werden können und er würde gerne dem Gericht einen davon zeigen. Obwohl die Verteidigerin das verhindern wollte, wurde einer der verstörenden Clips gezeigt. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so ruhig wurde es im Saal. Der Kriminalbeamte erlaubt sich mehrfach den Hinweis, dass man nicht genau sagen könne, welche Seiten aufgerufen worden seien und welche durch Pop-Ups praktisch automatisch aufgerufen würden, es sei aber höchst unwahrscheinlich, dass der gezeigte Videoclip als Pop-Up sich selbst aufgerufen habe.

Sebastian T. habe im fraglichen Zeitraum drei Mobiltelefone besessen, aber im Oktober und November 2022 nur zwei davon benutzt.

Ein Kollege des Kriminalbematen wurde anschließend vernommen und er erklärte dem Gericht, dass man bei der Verhaftung beim Angeklagten ein Mobiltelefon gefunden habe, die beiden anderen erst bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten. Auf dem ersten Mobiltelefon seien aber keine tatrelevanten Inhalte gefunden worden, diese aber seien auf den beiden anderen später entdeckt worden. Verteidigerin Rick schreibt erneut ein. Ob etwas „tatrelevant“ sei, dürfe wohl nicht der Beamte entscheiden.

Dann ging es nach einer kurzen Mittagspause erneut um die Webcams in Aschau. Sebastian T. habe bei seiner ersten Vernehmung, damals noch als Zeuge, am 21. Oktober 2022 seine Laufstrecke als Jogger in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 2022 in einer Karte markiert. Dem Gericht wurden Aufnahmen einer Webcam aus der Bahnhofstraße in Aschau gezeigt. Ein Jogger mit Stirnlampe ist darauf deutlich zu erkennen. Die errechnete Uhrzeit habe 2.08 Uhr ergeben. Ein Polizeibeamter sei dann die Strecke bis zum Tatort abgelaufen und die Polizei habe festgestellt, dass er bei einer durchschnittlichen Laufgeschwindigkeit das Hotel Hohenaschau in 21 Minuten habe erreichen können. Das heißt: Sebastian T. habe um 2.29 Uhr mit Hanna W. zusammentreffen können.

Nach dieser Feststellung wurde der Prozess unterbrochen. Er wird am morgigen Donnerstag um 9 Uhr fortgesetzt.

Die Fragen bleiben: War Sebastian T. der Täter? Wenn ja, war es Mord oder Totschlag oder ein Unfall? Auch eine fahrlässige Körperverletzung mit Todesfolge kommt aktuell in Frage. Wir berichten weiter.

 

RED