Elektronisches Rezept stellt Apotheken vor große Herausforderungen
Ab ersten April wird das elektronische Rezept bei verschreibungspflichtigen Medikamenten zur Pflicht. Bereits seit Anfang Januar läuft in den Apotheken im Altlandkreis schon alles digital. Wie funktioniert das sogenannte E-Rezept eigentlich und welche Vorteile und Nachteile hat es? Wir haben nachgefragt bei Gabriele Singer (Foto), der Inhaberin der Apotheken in Soyen und Sankt Wolfgang.
Das elektronische Rezept ersetzt die bisher verwendeten roten Papierrezepte und wird von einem Arzt digital erstellt, signiert und auf einem zentralen System gespeichert. Danach können die Patienten es in einer Apotheke ihrer Wahl einlösen, zumeist mit ihrer elektronischen Gesundheitskarte oder einer speziellen App am Smartphone. Auch ein Papierausdruck mit QR-Code ist möglich.
Später soll das digitale Rezept auch für weitere Verordnungen eingeführt werden, zum Beispiel für Heilmittel wie Krankengymnastik und für Hilfsmittel wie Krücken oder einen Rollstuhl.
Soweit die Theorie, in der Praxis sieht dieser Ablauf etwas anders aus.
„Die ersten Probleme beginnen bereits mit der Software“, berichtet Gabriele Singer. So gab es im Vorfeld keine Einführung in das System, auch bei den Ärzten nicht. Wenn beispielsweise mehrere Medikamente auf der Gesundheitskarte gespeichert sind, sei ihr System deswegen schon abgestürzt. Beim Neustart sei dann eine Position nicht mehr gespeichert gewesen, was für die Apotheke eine Nachfrage beim Arzt bedeutet. Und Mehrarbeit.
Für die Patienten bedeute die Abspeicherung auf der Karte auch eine gewisse Unwissenheit, weil sie darauf hoffen müssen, dass alles richtig abgespeichert sei. „Der Gang in die Apotheke erweist sich oft als Überraschung“. Um dem etwas entgegenzuwirken, drucken manche Ärzte derzeit noch Zettel mit QR-Codes aus.
Als großen Nachteil betrachtet Singer die teilweise entstehenden Wartezeiten in der Apotheke. „Wenn der Patient vom Arzt direkt in die Apotheke fährt, kann es vorkommen, dass das Rezept noch nicht elektronisch signiert ist“. Der Patient müsse dann warten, bis die Signierung erfolgt sei. Dem schließt sich auch Singers Mitarbeiterin, Eva Handwerker, an: „Letzte Woche haben plötzlich acht Patienten auf die Digitalisierung ihrer Rezepte gewartet.“ Die Patienten zeigten durchaus Verständnis für die Situation, aber gerade für ältere Menschen, die auf einen Fahrdienst angewiesen sind, sei diese lange Wartezeit nicht akzeptabel. Dazu komme, dass manche Patienten durch die zeitversetzte Signierung bis zu dreimal in die Apotheke kommen müssen, da die Medikamente teilweise erst noch bestellt werden müssten.
Einen Vorteil im E-Rezept sieht Singer, gerade im Hinblick auf die derzeitige Medikamentenknappheit darin, dass die auf der Gesundheitskarte gespeicherten Medikamente in verschiedenen Apotheken abgeholt werden können. Ebenso vorteilhaft sei der Umweltaspekt, da papierlos gearbeitet werde. Der Patient müsse auch nicht mehr wegen jedem Rezept in die Praxis kommen.
Auch die elektronische Gesundheitskarte sieht Gabriele Singer zweigeteilt. „Einerseits bedeutet es eine große Erleichterung, gerade für Hausärzte, wenn sie Befunde darauf gespeichert haben, auf der anderen Seite wird der Mensch immer gläserner.“ Auch sei es in ihren Apotheken schon vorgekommen, dass eine Gesundheitskarte liegen geblieben sei. In einem kleinen Ort wie Soyen sei das kein Problem, da sie 95 Prozent ihrer Kunden kenne, aber in Großstädten könne so eine verloren gegangene Karte im Hinblick auf missbräuchliche Nutzung durchaus problematisch werden.
„So wie es derzeit läuft, ist die Situation sowohl für Apotheken und Ärzte als auch für die Patienten nicht befriedigend“, so Gabriele Singer. Um auf Nummer sicher zu gehen, wäre es tatsächlich am besten, sich das Rezept mit QR-Code in der Arztpraxis ausdrucken zu lassen. „Allerdings ist das dann fast wieder das alte System“.
TANJA GEIDOBLER
Typisch Deutsch. Wenn etwas ab Start nicht zu 110% funktioniert, dann ist es automatisch schlecht. Bis zum ersten April ist ja noch etwas Zeit. Bis dahin kann man aus den Erfahrungen lernen und die Software und Abläufe anpassen. Ein ganz normaler Vorgang. Was hätte es den Apothekern gebracht, wenn sie vorab die Software bekommen hätten, es aber keine Patienten mit eRezept gibt?
Dieses Totschlagargument „Datenschutz“ geht mir mittlerweile auch ziemlich auf den Senkel. Jedem halbseidenen Onlineshop wirft man seine Daten hinterher, aber beim Staat hat auf einmal jeder Bedenken dass da was schief gehen könnte und ein ominöser „Dritter“ die Daten abgreifen und missbrauchen könnte.
Wenn wir raus aus der digitalen Steinzeit wollen, dann muss man sich halt auch mal was trauen. Sonst werden wir endgültig zum digitalen Schlusslicht der Welt.
Mag sein daß die E-Rezepte teilweise funktionieren. Schlimm wird es aber dann wenn wie in einem mir bekannten Fall der schwer Krebskranke Patient stark schmerzlindernde Medikamente verschrieben bekommt, die Apotheke das Rezept nicht lesen kann und der ausstellende Arzt nicht mehr erreichbar weil er ins Wochenende ging. In solchen Fällen sollte mintestens eine Paierform zusätzlich ausgestellt werden.Da hilft auch nicht der Spruch bläd glaffa. Das ist einfach schlimm.
Und wegen diesem – sicherlich tragischen – Einzelfalls stellen wir natürlich gleich das komplette System in Frage? 100% Sicherheit wird es nie geben. Das Ganze muss sich erst einspielen, dann wird auch dieses Verfahren funktionieren. Mit all seinen Vorteilen. Außerdem kann man sich ja einen QR-Code ausdrucken lassen.
Wenn wir nur Systeme betreiben würden, dann gäbe es keine Autos, keine Flugzeuge, keine Bahn und auch keine Ärzte. Denn auch die sind nicht unfehlbar.
Deutschland live… 😉