Michael Altinger zum ersten Mal mit seinen Kollegen im historischen Rathaus

Erstmals trat Michael Altinger mit seinem Montagsbrettl gestern im Wasserburger Rathaussaal auf. Der Dynamik seiner Sprache, seiner Aussprüche, seiner Mimik und Gestik tat dies an diesem Abend aber keinen Abbruch – im Gegenteil: Begleitet von Andreas Rother vom Musikimperium Wasserburg an der Gitarre, macht Altinger sofort auf die Probleme unserer Gesellschaft aufmerksam: Es gebe zu wenig Handwerker bei uns. Und was sei die Lösung dieses Problem? Altinger lässt sein Publikum nicht lange warten. „Du musst Dir einen zeugen!“ Und von diesem Thema kommt er sofort auf die Nöte unseres Bildungssystems zu sprechen. In heiterer, mitunter beißender Ironie skizziert er die wahren Defizite an unseren Schulen: „47 Prozent der Lehrer arbeiten in Teilzeit, das sind ja mehr als zwei Drittel.“ Und dann widerspricht er selbst seiner eigenen Eingangsthese: „Lehrer können erst wieder in Vollzeit arbeiten, wenn es keine Kinder mehr gibt!“

Altinger beherrscht es, unsere Gesellschaft, sein Publikum und vor allem sich selbst so gekonnt auf den Arm zu nehmen, dass der gesamte Saal frenetisch applaudiert, herzerfrischend lacht. So kennt man ihn, wenn er von seinen eigenen Humoresken so angetan ist, dass er selber lachen muss. Oder ist das auch Show?

Dann spricht er von den Herausforderungen der Gegenwart. Die wahre Kriegstüchtigkeit, die der Bundesverteidigungsminister kürzlich gefordert hat, erfahre der Mann im Straßenverkehr. Hier könne er Krieg führen ohne zu müssen. Und ohne das Recht, mit 130 km/h durch geschlossene Ortschaften zu fahren, gebe es auch keine Freiheit, fügt Altinger spitzbübisch an.

Ja, er sei älter geworden. Der junge Mittdreißiger müsse nun feststellen, dass Politiker jünger seien als er, ja selbst Ministerpräsidenten seien mittlerweile jünger als er. Was ihn tröste, sei die Tatsache, dass der Papst noch älter sei als er und bis er das Alter der Kandidaten im US-amerikanischen Wahlkampf erreiche, sei es doch auch noch ein langer Weg. Aber er fange an, das Leben vom Ende her zu denken und trifft mit diesem Satz  bei seinem Publikum voll ins Schwarze.

Es gehört zur DNA des „Montagsbrettl“, dass Altinger nicht alleine auftritt. Und auch an diesem Abend hat er einige Kollegen mitgebracht. Christl Sittenauer aus Freising und, wie sie selbst sagt, aus der Hallertau, ist die erste Künstlerin an diesem Abend, die Michael Altinger zu einer Verschnaufpause verhilft. Seit 2020 ist sie Ensemblemitglied der Münchner Lach- und Schießgesellschaft und tritt an diesem Abend mit viel Esprit im Rathaussaal auf. Das immer aktuelle Thema „Frauen“ liegt natürlich auch ihr am Herzen. Dabei kann sie sehr gekonnt dieses Thema aufgreifen, ohne ernst bleiben zu müssen. „Die Handtasche einer Frau ist wie der Magen einer Sau“, ruft sie dem Publikum entgegen und scheut auch nicht das interaktive Spiel mit dem Publikum. Ein Herr in der ersten Reihe zeigt, leicht verschüchtert, seine Handtasche und wird von Christl Sittenauer sofort gelobt, weil er eben der Versuchung vieler Männer widersteht, seine Hosen- und Jackentaschen mitt allerlei Sachen aufzublähen, die in einer Handtasche gut Platz finden könnten. Dabei scheut sie auch keine Selbstironie, wenn sie gleich einen Schritt weitergeht und sagt, dass eine Handtasche auch so unergründlich sein kann wie der Marianengraben.

Einen lang anhaltenden Applaus des Publikums erfährt Christl Sittenauers Vortrag, bevor Michael Altinger weitermachen kann. Er philosophiert über den Umgang mit historischen Bauwerken in unserer Gesellschaft. „Die Sixtinische Kapelle kennt doch eh jeder“, führt er aus und fordert augenzwinkernd dazu auf, sie abzureißen und stattdessen den Gewerbegebieten mehr Respekt zu zollen. „Wir brauchen keine Windräder und Photovoltaik-Anlagen in Bayern. Was wir brauchen, ist ein Gewerbegebiet“ ruft er in den Rathaussaal und jeder spürt, die Ironie wird beißender. „Wenn ich entscheiden könnte zwischen der Alten Pinakothek und einem Baustoffhandel“ – die Antwort formuliert er nicht aus, aber jeder weiß, was er sagen will, ohne es auszusprechen. Dann tut er so als sei er gegen erneuerbare Energien, wenn er sagt: „Windräder im Norden sind ok, weil die Landschaft dort eh so hässlich ist!“

Wir bräuchten keinen Erhalt historischer Altstädte, wir bräuchten viel dringender Umgehungsstraßen und dann scheint er irgendwie ehrlich zu werden und sagt nur: „Ich finde München am schönsten, wenn ich über den Brenner fahre.“ Und vor Nachbarn, die ja bekanntlich immer am „greislichsten san“, schützt er sich mit Hilfe von „Gabionen“, die ja auch immer moderner werden.

Und nun legt Altinger eine zweite Verschnaufpause ein und überlässt Stefan Noelle das Feld. Manch einer kennt diesen Liedermacher von Quadro Nuevo, an diesem Abend fragt er: „Wo findet der Liedermacher seine Themen?“ und weiß die Antwort selbst: „Daheim“, dann singt er ein Lied über die Waschmaschine, lässt einen ein ganz klein wenig an Udo Jürgens erinnern, bevor er die große Keule auspackt, und zwar gekonnt: Er singt einen Song über jenen Mann, der mit orange-roten Haaren und zu langer roter Krawatte gerne vor dem Spiegel steht und sich selbst bestaunt. „Ein Babymops im Heu“ singt Noelle über Donald Trump ein Lied aus der Perspektive des Spiegels, der am liebsten freiwillig erblinden möchte, denn nur so könne er den Mann vor dem Spiegel hart treffen und ihn auch ertragen. Und Stefan Noelle sagt dann nach diesem Lied sehr nachdenklich und ernsthaft, dass er hoffe, nach dem November dieses Lied nicht mehr singen zu müssen.

Tosender Beifall lässt hier auch den Künstler spüren, wie sehr er den Publikumsgeschmack getroffen hat. Dann bringt er noch einen Song zu Gehör, der sich mit der Schokolade „Mon Cheri“ beschäftigt und er kommt zu dem Schluss, dass man zu „Mon Cheri“ nie keine Meinung haben kann. Entweder man liebt’s oder eben auch nicht. Am Schluss besingt er das siebenjährige Kind mit Dreieckshut und 1,3 Promille Alkohol im Blut am Weihnachtsabend. Der frenetische Applaus des Publikums und die zahlreichen intensiven Heiterkeitsbekundungen sind auch diesem Künstler gewiss.

Nach der Pause stellt Altinger dann C. Heiland vor, der „ein Labersack im positivsten Sinne“ sei. Heiland sagt über sich selbst, er sei ein „unvollendet studierter Psychologe“ und habe „10 Jahre erfolgreich als Psychiater, Imker, Ladendetektiv und Baumarkt-Maskottchen“ gearbeitet, bevor er Comedian wurde. C. Heiland spielt auf dem „Omnichord“, jenem japanischen Instrument, das seit gut 40 Jahren auf dem Markt ist.

Der Berliner Comedian streichelte zunächst die Eitelkeit der Wasserburger, als er „Wasserburg das St. Tropez von Oberbayern“ nennt, entbietet dann ein paar Lieder, die auch Blödelqualität besitzen, spricht über die Vergänglichkeit der Schönheit, spricht schließlich vom „Fresse halten“ und fordert das Publikum auf, dabei mitzusingen. Es sei immer besser, meint er, zwei Damen im Arm zu halten, als zwei Arme im Darm zu haben“. Auch hier tosender Beifall für den Beitrag von C. Heiland. Auf seine Tätigkeit als Psychiater geht er immer wieder ein und man kann spüren, dass man im Publikum weiß, wovon er spricht.

Zum Schluss des Abends zeigt Michael Altinger noch, dass er auch rhythmisch gut aufgestellt ist und begeistert tanzen kann. Das Publikum ist begeistert.

Nach gut zwei Stunden ist die geballte Energie des Ensembles im Publikum angekommen, es quittiert die äußerst eindrucksvolle Darbietung mit langen Ovationen.

Am 16. September gibt’s das nächste Montagsbrettl und allerseits herrschte im Publikum die Meinung vor: Es wäre schön, wenn’s wieder im Rathaussaal sein könnte.

PETER RINK