Neun Jahre Jugendhaft: Landgericht Traunstein verurteilt den Angeklagten im „Eiskellerprozess“
Über fünf Monate zog sich der so genannte „Eiskeller“-Prozess vor dem Landgericht Traunstein hin. Seit dem 12. Oktober vergangenen Jahres gab es 35 Verhandlungstage. Und der Angeklagte, Sebastian T., schwieg beharrlich. Höchstselten einmal konnte man in seiner Mimik etwas lesen, etwas erahnen. Heute nun hat die Jugendkammer beim Landgericht Traunstein sein Urteil gesprochen: Sebastian T. muss für neun Jahre ins Gefängnis (wie kurz berichtet). Verteidigerin Regina Rick kündigte sofort an, in Berufung gehen zu wollen.
Die Vorsitzende Richterin Jacqueline Aßbichler eröffnete die Urteilsbegründung mit der Feststellung: „Die Regeln der Strafprozessordnung gelten auch für die Verteidigung.“
In der Art und Weise, wie im vorliegenden Fall von der Wahlverteidigerin eine Kampagne initiiert worden sei, erblickte die Richterin auch „eine Gefahr für den Rechtsstaat“.
Die Verteidigerin Regina Rick habe vor dem Gerichtssaal ein vollkommen „sachfremdes Posing“ veranstaltet, sie habe bewusst und gezielt Stimmung gemacht, das Gebot der Sachlichkeit, das auch für die Verteidigung gelte, zunichte machen wollen. Gerade deshalb wolle sie auf die Manipulationen durch die Verteidigung nicht eingehen, erklärte Aßbichler der sehr zahlreich erschienenen Zuhörerschaft.
Dann dankte sie der Polizei für ihre „enorme Ermittlungsarbeit“. Da auch der Angeklagte beharrlich geschwiegen habe, habe die Ermittlungsarbeit der Polizei eine sehr wichtige Rolle dabei gespielt, die schreckliche Tat an Hanna W. nachzeichnen zu können.
Im weiteren Verlauf der Urteilsbegründung ging die Vorsitzende Richterin detailliert auf die Verletzungen des Todesopfers ein: Dabei müsse man auch über nicht vorhandene Verletzungen sprechen. So habe es bei der Obduktion von Hanna W. keinerlei Anzeichen auf Schwimmbewegungen gegeben, ebenso wenig wie Spuren, dass sie sich selbst ausgezogen habe. Die am Körper von Hanna W. festgestellten Verletzungen können ausschließlich Ergebnis eines körperlichen Angriffs gewesen sein. Dieser Auffassung seien auch alle drei hinzugezogenen Sachverständige gefolgt, einer davon auf Antrag der Wahlverteidigerin, der in diesem Punkt der Verteidigerin widersprochen hatte.
Darüber hinaus habe die Untersuchung des Mageninhaltes ergeben, dass Hanna W. in dem Moment, als sie ins Wasser des Bärbachs gekommen sei, schon habe bewusstlos gewesen sein müssen.
Auch die Spitzenunterwäsche von Hanna W. sei vollkommen unbeschädigt gewesen. Wenn es ein Unfall gewesen wäre und sie sich selbst ausgezogen hätte, wäre diese Unterwäsche wohl das erste gewesen, wo man eine starke Mitleidenschaft hätte erkennen können.
Schließlich habe die Wahlverteidigerin das Gericht mit der Unwahrheit bedient. Sie habe erklärt, dass die Abstände der Schleusenrechen 34 cm betrügen, sie habe das persönlich ausgemessen. Tatsächlich hat das Messen dieser Abstände ergeben, dass es sich um einen Abstand von 60 cm handele. Solch ein Verhalten einer Verteidigung sei „einem Organ der Rechtspflege unwürdig“ erklärte Richterin Aßbichler mit Blick auf die Wahlverteidigerin Regina Rick.
Im Urin des Mordopfers habe man einen hohen Glucosewert ermittelt, führte Richterin Aßbichler in der Folge aus, dies sei eine Folge von hohem Stress.
Sebastian T. sei nach der Tat zunächst gar nicht verdächtigt worden, sondern als Zeuge befragt worden. Was aufgefallen sei, dass Sebastian T. von sich aus während einer Zeugenbefragung den wahrscheinlichen Tathergang selbst geschildert habe und dass er gegenüber Bekannten noch am Tattag diese Tat gestanden habe, zu einem Zeitpunkt, als in der Presse noch gar nicht über den Tod von Hanna W. berichtet worden war.
Die Verletzungen am Kopf des Opfers, das habe nur der Täter wissen können, die Beschreibung der Tat durch Sebastian T. bei der Polizei sei sehr konkret gewesen.
Die fehlenden DNA-Spuren von Hanna W. an der Wäsche von Sebastian T. erklärte das Gericht mit der Tatsache, dass Sebastian T. seine Hose ausgetauscht habe und sein Oberteil intensivst gewaschen habe. Schließlich habe Sebastian T. die Tat vor drei Bekannten und einem Mithäftling in der JVA gestanden. Und deiser Mithäftling habe vor Gericht Aussagen gemacht, die ein Wissen offenbart hätten, dass nur der Täter habe besitzen können. Auch das erhöhe erheblich die Glaubwürdigkeit des Mithäftlings in dieser Hinsicht. Denn wenn ein Zeuge Dinge sage, die er in dieser Form nur von dem Angeklagten haben könne, dann erhöhe das seine Glaubwürdigkeit erheblich.
Schließlich und endlich habe der Angeklagte nach dem 3. Oktober 2022 (dem Tattag) eine massive Verhaltensänderung an den Tag gelegt, habe sich förmlich verstecken wollen.
Und zum Abschluss ging die Richterin auf die Persönlichkeit des Angeklagten ein. Sebastian T. habe sich nach einer Freundin gesehnt, er sei sehr impulsiv, bevorzuge gewaltpornographische Darstellungen im Internet. Sie bezog sich hierbei auf den vor Gericht gezeigten Video-Clip, der zum Schwerpunkt das sadistische Quälen eines Menschen bis zum Tode hatte. Danach habe er seinen Kopf frei bekommen wollen, sei trotz Regens und der Uhrzeit nachts um 2 Uhr joggen gegangen, habe nicht damit rechnen können, jemanden zu treffen, habe Hanna W. getroffen, habe sie von hinten angefallen, gesehen, dass sie versucht habe zu telefonieren, sei hypernervös geworden, habe das Handy von Hanna W. in den Bärbach geworfen und habe nunmehr versucht, seinen Überfall auf Hanna W. zu vertuschen, indem er sie mit einem Stein bewusstlos geschlagen und anschließend in den Bärbach geworfen habe. Nunmehr habe er seine Tat verdecken wollen, denn er habe wissen müssen, dass eine bewusstlose Person im Wasser zu Tode kommen werde.
Wie sei das Strafmaß zu beurteilen? Zum Tatzeitpunkt sei Sebastian T. noch nicht 21 Jahre alt gewesen und Gutachter hätten ihm eine Entwicklungsverzögerung attestiert. Nicht zuletzt deshalb hätten auch Staatsanwaltschaft und Nebenklage auf eine Verurteilung nach Jugendrecht plädiert und eine Jugendstrafe von neun Jahren und sechs Monaten gefordert.
Zum Abschluss wandte sich Richterin Aßbichler nochmals an die Zuhörer und die Wahlverteidigerin: „Der Angeklagte darf das Gericht belügen, die Verteidigung darf das nicht!“
Eine Berufungsklage kann innerhalb einer Woche eingelegt werden und müsste dann vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe verhandelt werden.
RP
Es ist ein Mensch zu Tode gekommen.
Die nun bekannt gewordenen Fakten liefern eine ausreichende und damit faire Begründung des Urteils.
Weniger fair um nicht zu sagen, unterirdisch, ist die Vorgehensweise der Verteidigerin, wie gesagt, es geht hier nicht um einen Handtaschenraub.
Dass die Verteidiger noch ruhig schlafen können – unglaublich. Skrupellos und Gewissenslos muss man da sein, um diesen Beruf ausüben zu können.
Ich frage mich hingegen, ob die Richter noch ruhig schlafen können, die dafür verantwortlich sind, dass in dem angeblichen Mordfall in Rottach-Egern ein Mann 13 Jahre unschuldig im Gefängnis saß. Hier hat diese Verteidigerin eine Wiederaufnahme erreicht und mittels durch ein Gutachten wurde eindeutig bewiesen, dass es ein Unfall war, kein Mord. Der Angeklagten wurde dann wegen erwiesener Unschuld freigesprochen. Damals hatten Polizei, Staatsanwaltschaft und das Gericht einem Unschuldigen 13 Lebensjahre gestohlen.
Im Gegensatz zum Verurteilten hat Herr Gendinzki von Anfang an gesagt, dass er unschuldig ist!
Im Falle von Frau Regina Rick, kann man nur davon ausgehen, das Sie halt auch mal in der Öffentlichkeit stehen wollte! :-)
Interesse am Aufklären des Falles, Fehlanzeige!
Wenn man den Absatz „Und zum Abschluss ging die Richterin auf die Persönlichkeit des Angeklagten ein ….“ liest, incl, „Video Clip, der zum Schwerpunkt dassadistische Quälen eines Menschen bis zu. Tode hatte ….“ kann einem schlecht werden und man versteht weder die niedrige Jugendstrafe noch diese Verteidigerin des (Un)Rechts.
Was heißt auch mal in der Öffentlichkeit stehen wollte? Die gute Dame hat es geschafft zwei Wiederaufnahmeverfahren in Gang zu bringen, in denen Sie die Unschuld beweisen der zu Unrecht verurteilten Personen beweisen konnte. Das hat glaub ich soweit noch niemand geschafft. Wer ist mit dem Rechtssystem hat, der weiß wie schwer es ist eine Wiederaufnahme zu erreichen.
Zum Fall:
Bin ich der Meinung dass eine Schuld vorliegt? Ja.
Gefällt mir das Vorgehen der Anwältin? Nein.
Aber wir leben Gott sei Dank in einem Land in dem die Schuld eben bewiesen werden muss, so wie in o.g. Fall und nicht durch die Willkür einzelner Menschen festgelegt wird.
Obacht! Die Verteidigerin hat schon mal einen spektakulären Fall wieder aufgearbeitet und gewonnen! Die ist richtig „unangenehm“…
Wieso „unangenehm“?
Sie hat erreicht, dass unschuldig Verurtelte frei kamen.
Das sollte für die an diesen Fehlurteilen Schuldigen „unangenehm“ sein. Und das ist recht so.
Und dass hier kein falscher Eindruck entsteht, ich bin absolut dafür, dass Schuldige verurteilt werden, aber nur diese!
Hier sieht keiner gut aus. Verteidigerin, Richterin, Staatsanwaltschaft. Es müsste mit Profis von vorne begonnen werden. So ist keinem geholfen. Jetzt gibt’s einen Verurteilten, der es wahrscheinlich war aber Beweise gibt’s nicht
Nein, die Anwältin Rick ist sicher keine Sympathieträgerin. In einem solchen Verfahren geht es aber nicht um „Sympathien“, sondern um belastbare Fakten, auch Beweise genannt. Im vorliegenden Fall konnten diese aber nicht erbracht werden. Aktuell handelt es sich hier um ein reines Indizienurteil. Dies zu bewerten, gegebenenfalls zu bestätigen, oder aber zu einer Neuverhandlung zu bringen, obliegt jetzt dem Bundesgerichtshof. Das liegt in der Natur unseres Rechtssystems. Emotionalisieren hilft dabei nicht weiter. Dass die Angehörigen, der um ihr Leben gekommenen Tochter, hier die Hauptleidtragenden sind, steht außer Frage. Das Landgericht Traunstein trägt aber, durch die in Teilen unsägliche Verhandlungsführung, eine Mitverantwortung.
Stellen wir uns vor, plötzlich kommt die Polizei, nimmt uns mit und nach 2 Jahren U-Haft finden wir uns im Gerichtssaal wieder, werden schuldig gesprochen und zu mehreren Jahren Haft verurteilt.
Und warum? Weil wir zufällig in der Nähe waren, als eine Betrunkene in einen Bach gefallen ist.
Auch wenn ihr Kommentar für die Allermeisten nur schwer erträglich sein dürfte, kommt man nicht umhin sich auch mit dieser Möglichkeit des „Tat“Geschehens auseinanderzusetzen. Trotz der Drastik gerade des letzten Satzes.
Ja und stellen wir uns mal vor, wir (wer immer wir ist) werden völlig zu Recht aus unserer Komfortzone herausgeholt, weil wir Mist gebaut haben?
Wo ist bitte schön das Problem?