Aktuelle Themen bei offenem SPD-Stammtisch im Café Central angesprochen
Im „Café Central“ fand der gut besuchte, offene SPD-Stammtisch zum Thema Sicherheitspolitik statt. Vorab hielten Christian Peiker (links) und Dr. Martin Heindl informative Impulsreferate, in denen insbesondere der Ukrainekrieg und seine Folgen im Zentrum standen.
Christian Peiker ordnete die historisch-politischen Hintergründe des Überfalls Russlands auf seinen Nachbarstaat ein, „der unsere Gesellschaft wie kein anderes Ereignis der letzten Jahrzehnte in ihrem Selbstbewusstsein erschüttert und verändert hat“.
Alle diplomatischen Bemühungen, insbesondere die Initiativen Frankreichs und Deutschlands, den Krieg zu verhindern, seien zum Scheitern verurteilt gewesen. „Die massiven wirtschaftlichen Verwerfungen, insbesondere den weitgehenden Einbruch des Handels mit Russland und die daraus resultierenden Preissteigerungen unter anderem für Energie und Lebensmittel mussten sozial abgefedert werden, was der Bundesregierung weitgehend gelungen ist.“
Als Beispiele seien hier Strom- und Gaspreisbremsen, Erhöhung von Kinder-, Bürger- und Wohngeld, Energiepreispauschalen und steuerfreie Inflationsausgleichsprämien, Soforthilfen für die energieintensive Wirtschaft, die Erhöhung des Mindestlohns, Einführung des Deutschland-Tickets wie diverse steuerliche Entlastungen genannt.
Dr. Martin Heindl stellte verschiedene Thesen in den Raum, die Anlass zur Diskussion bieten sollten. Noch vor wenigen Jahren sei die Eskalation seitens Russlands, aber auch ein 100-Milliarden-Paket für die Bundeswehr für die Sozialdemokratie als Partei der Entspannungspolitik, für die meisten Sozialdemokrat und Sozialdemokratinnen als traditionell Friedensbewegte undenkbar gewesen. Nun werde über die Wiedereinführung der Wehrpflicht oder die Installation eines Veteranentags debattiert. Die geänderte Situation habe viele Menschen, die sich lebenslang für Frieden und gegen Nachrüstung engagiert hätten, sich gedanklich umorientieren lassen. „Si vis pacem para bellum“ – also „Wenn Du Frieden willst, bereite Dich auf den Krieg vor“, die Ertüchtigung der Bundeswehr und klare Abschreckung sei die einzige Möglichkeit, eine Ausweitung des blutigen Konflikts zu verhindern.
Aktuell sei die Bundeswehr kaum in der Lage, Deutschland und das Bündnisgebiet zu verteidigen. Die gesellschaftliche Debatte bewege sich dabei zwischen den Polen von „Frieden um jeden Preis“ und „Freiheit um jeden Preis“. 60 Prozent der Bevölkerung seien gegen die Lieferung von Taurus-Raketen seitens Deutschlands, Deutschland trage nach den USA den zweitgrößten Anteil der militärischen Hilfen für die Ukraine, gleichzeitig werde aber der Bundesregierung Zögerlichkeit vorgeworfen.
Nach der kontroversen, gleichzeitig sachlichen Diskussion kann festgehalten werden, dass die Wasserburger Sozialdemokraten sich über die Notwendigkeit, die Ukraine mit ausreichenden Waffenlieferungen zu unterstützen und so dem Diktator Putin klare Grenzen zu setzen, einig waren. Zentral ist die ausreichende Belieferung der ukrainischen Armee mit Munition, um sie in die Lage zu versetzen, ihr Territorium dauerhaft zu verteidigen. Eine atomare Bewaffnung der Bundeswehr über die bisherige atomare Teilhabe hinaus, aber auch die Entsendung von NATO-Truppen wurde klar abgelehnt. Bezüglich der Lieferung von Taurus-Raketen war die Meinungslage gespalten. Entscheidend wird sein, die NATO und damit auch Deutschland aus direkten Kampfhandlungen herauszuhalten, dafür stünden Bundeskanzler Scholz genauso wie Bundesverteidigungsminister Pistorius ganz persönlich.
Die Diskutanten waren sich einig, dass Friedensverhandlungen mit dem russischen Unrechtsregime Stand heute unvorstellbar erscheinen, auch angesichts der aktuellen militärischen Entwicklungen, diplomatische Bemühungen laufen permanent im Hintergrund.
Letztlich wurde China als die einzige Kraft eingestuft, die gegebenenfalls ausreichenden Einfluss auf Russland ausüben könnte. Die Krise habe zum Zusammenrücken der Europäer und der gesamten NATO geführt – katastrophal könnte sich ein Wahlsieg von Donald Trump in den US-Präsidentschaftswahlen auswirken.
Zum Verständnis eines Konfliktes gehören immer die Betrachtung aller beteiligten Parteien und deren Sichtweise. Die eine Wahrheit gibt es nur selten.
Bei der Wasserburger SPD wurde anscheinend, so lese ich das zumindest, nur die westlich-ukrainische Sichtweise thematisiert. Sehr schade, vor allem da sich heute der Angriff des (neo)nationalistischen Mobs auf ein Gewerkschaftshaus in Odessa mit 42 (prorussuschen)Toten, der offensichtlich von der ukrainischen Regierung zumindest gebilligt wurde, zum 10. mal jährt.
Mit dieser einseitigen Betrachtung, die ich leider im öffentlichen Raum vorherrschend sehe, wird wohl weder ein Konflikt auch nur ansatzweise verstanden, geschweige denn die richtigen Schritte in Richtung einer Lösung eingeschlagen.
Respekt, ex SPD ler,
Ein sehr guter Kommentar mit Rundumumblick👍
Aber leider müssen die Ortsvereine die Großmeinung auch nach unten verbreiten.
Ein Vortrag von Prof. Lengfellner bietet eine breitere Darstellung, aber die ehrliche Sicht der Dinge ist auch schwerer zu ertragen.
Die Meinung der anderen Partei, ich meine hier Russland, in diesem Konflikt ist doch allgemein bekannt, da braucht man sich nicht mehr ernsthaft damit beschäftigen. Oder glauben Sie etwa an die putinschen Propagandalügen.
Dann möchte ich Ihnen nur mein Beileid aussprechen.
Früher wurde im Central immer wieder, mal humorvoll, bissig oder auch heftig über politische Themen diskutiert. Seit der Corona Zeit hat sich auch dort das Meinungsspektrum sehr verengt und wer lauthals gegen den Mainstream wettert, wird auch dort in die Ecke der boesen Buben gestellt.
Dafür gibt es nun von manchen Parteien immer wieder mal, organisierte, politische Stammtische. Aber bitte, wer diese Impulsreferate solcher Experten erleuchtend findet, warum nicht.