Bauausschuss genehmigte umfangreiches Bauvorhaben am Weberzipfel
„Man zerschießt sich mit jeder Ausnahme die Satzung“, empörte sich Stadtrat Christian Stadler in der jüngsten Sitzung des Bauausschusses. Hintergrund war das Bauvorhaben am Weberzipfel 8, 10 und 12 – ein Gebäudekomplex, der nach dem Brand im vergangenen Jahr (wir berichteten) nicht mehr sanierbar erscheint. Nun will der Eigentümer das Gebäude neu errichten und dabei gleichzeitig das Dachgeschoss anheben, um damit zusätzlichen Wohnraum zu schaffen.
Für die Mitglieder des Bauausschusses war dies ein schwieriges Thema. Denn der Eigentümer beantragt tatsächlich eine mehrfache Abweichung von der Gestaltungssatzung der Stadt Wasserburg, die erst im vergangenen September in Kraft getreten war. Stadlers Empörung erfuhr im Bauausschuss auch sofort Unterstützung: Sowohl Christian Peiker (SPD), als auch Dr. Hermann Budenhofer (FWRW) und auch Wolfgang Schmid (CSU) pflichteten Stadler bei, dass es nicht Sinn der Gestaltungssatzung sein könne, wenn in jeder Sitzung eine Ausnahme beschlossen werden müsse.
Der Bauausschuss stand vor einer schwierigen Entscheidung. Natürlich braucht Wasserburg zusätzliche Wohnungen, zumal im Innenstadtbereich, andererseits will man die Gestaltungssatzung nicht immer wieder durch Ausnahmeregelungen aufweichen.
Und so beschloss der Bauausschuss einstimmig, dass bei der Fensterfront im Bereich des Weberzipfels 10 auf die ansonsten verpflichtenden Sprossen bei der Fensterfrontgestaltung verzichtet werden kann, bei der Fensterfront im Bereich des Weberzipfels 12 hingegen die Vorgaben der Gestaltungssatzung zu beachten seien.
Schließlich beschloss der Bauausschuss, dass bei der Ausführung der neu anzulegenden Schaufenster und Ladentüren eine Abstimmung mit den Denkmalsschutzbehörden erforderlich ist. Die Tatsache, dass neuer Wohnraum entstehen könne, leitete die Mitglieder des Bauausschusses bei ihrer Entscheidung, selbst wenn eine Abweichung von der Gestaltungssatzung nur ungern genehmigt wurde.
RP
Wie will man anderen Hausbesitzern die Gebäude-Erhöhung verweigern?
Es gibt schon viele Präzedenzfälle, das ist der juristische Maßstab für vergleichbare Fälle .
Ich kann die Aufregung nicht verstehen, die hier wieder herrscht.
Wenn man solche Gebäude, die einer Gefängnisarchitektur entsprechen, in der Fletzingergasse genehmigt und sich dann über die Fenstergestaltung aufregt …
Interessant, dass die geplante Abweichung von der Gestaltungssatzung, um die tatsächlich kontrovers diskutiert wurde, im Artikel noch nicht mal erwähnt wird.
Es ging dabei um die Frage, ob entgegen der Satzung im Dachgeschoss Terrassen in Form von Dacheinschnitten realisiert werden dürften.
Das hat der Bauausschuss zum Glück mit 5:2-Stimmen abgelehnt.
Dass die Gebäude aufgestockt werden dürfen, war unstrittig und widerspricht auch nicht der Satzung.
Für was wurde denn eine Gestaltungssatzung verabschiedet, wenn sie danach keinerlei Rolle mehr spielt?
Stadtpolitik zum Abwenden …
Wie oben beschrieben hat die „Stadtpolitik“ (also in dem Fall der Bauausschuss) doch beschlossen, dass die Satzung eine Rolle spielen soll.
Im Einzelnen:
Es waren zwei Dacheinschnitte geplant, die der Satzung widersprochen hätten. Das hat der Bauausschuss mit 5:2 abgelehnt.
Es war geplant, an zwei Gebäuden an der Rückseite – also zur Stadtmauer hin – im Dachgeschoss großflächiger zu verglasen als in der Satzung vorgesehen. Dies wurde in einem Fall für vertretbar gehalten, weil die Fassade durch eine Loggia zurückgesetzt ist, im anderen Fall abgelehnt. Beschluss einstimmig.
Es war zudem geplant, bei diesen beiden Rückseiten im DG auf die Sprossenteilung laut Satzung zu verzichten. Auch das wurde einstimmig abgelehnt – auch wenn es im Artikel falsch berichtet wird.
Grundsätzlich ist es einfach schlicht unmöglich, eine Gestaltungssatzung zu formulieren, die auf jedes Haus und jede Situation in der Altstadt zu 100 % passt. Anträge auf Abweichung wird es deshalb immer wieder mal geben. Der Bauausschuss hat am Donnerstag jedenfalls mit großer Mehrheit entschieden, nur eine einzige und durchaus vertretbare Abweichung zuzulassen und ansonsten auf die Einhaltung der Gestaltungssatzung bestanden. Ihr Kommentar ist deshalb etwas unverständlich.
Richtig so? Zum Glück abgewendet? Da kann man anderer Meinung sein. Terrassen würden mich jetzt gar nicht stören. Diesen Lebensraum gönne ich jedem gerne. Aber immer höher bauen? Ich möchte das nicht in meiner Nachbarschaft. Irgendwann hat man nur noch dunkle Straßenschluchten. Licht ist auch Lebensqualität.
Wird mal Zeit, dass irgendjemand gegen diese Satzung klagt. Die meisten dieser Festsetzungen sind ja dermaßen von überholt. (..) Das Landratsamt sollte hier mal hart durchgreifen und diese Regelung von gestern verwerfen. Wohnraum schaffen sollte die Prämisse von heute sein!
Auch im vorliegenden Fall wird die Schaffung von Wohnraum durch die Satzung weder verhindert noch unzumutbar erschwert.
Diese „Satzung von gestern“ mit den angeblich überholten Festsetzungen wurde erst im Sommer vergangenen Jahres vom Stadtrat einstimmig beschlossen, nachdem sie zuvor mit der zuständigen Fachbehörde (BLfD) ausführlich abgestimmt wurde. Auch eine Öffentlichkeitsbeteiligung in Form von zwei Bürgerworkshops hat stattgefunden.
Die Berechtigung der Stadt zum Erlass einer solchen örtlichen Bauvorschrift im Rahmen der kommunalen Planungshoheit ergibt sich aus Art. 81 BayBO. Dem Landratsamt kommt hierbei keine Normverwerfungskompetenz zu.
Mein Nachbargebäude wurde auch erhöht in Wasserburg Stadt, jetzt habe ich Schatten , ich muss es jetzt auch erhöhen sitze sonst im dunklen .
Wenn tatsächlich in jeder Sitzung eine Ausnahme beschlossen werden muss, dann sollte man vielleicht mal drüber nachdenken, ob die Satzung nicht etwas zu weit von der Realität bzw. den Bedürfnissen der Menschen entfernt ist, die in den Häusern leben sollen. Wie ich schon ein paar Mal geschrieben habe: eine Stadt ist Lebensraum für Menschen und dieser hat sich auch geänderten Bedürfnissen anzupassen.
Es ist halt so, dass es jedesmal um eine andere Befreiung geht. Von Fassadenfarbe über Fenstergrößen und -bauart bis hin zu Dacheinschnitten oder Sonnenschutzeinrichtungen. Das „Spielfeld“ ist riesig. Und es handelt sich jedesmal um eine Individualentscheidung. Wenn die Gestaltungssatzung immer konsequent und „stur“ angewendet werden würde, bräucht‘s auch keinen Bauausschuss mehr. Dann könnte die Verwaltung alleine entscheiden und erlauben oder verbieten. Das wäre dann Schwarz oder Weiß! Aber in der Praxis gibt es noch viele Grautöne dazwischen. Und die versucht der Bauausschuss zu finden.
Das ist meines Erachtens übrigens in der ganzen Juristerei so! Die Gesetze kann man halt mal so und mal so auslegen. Fragen Sie zwei Juristen, dann haben Sie drei Meinungen. Und ein Dritter würde sagen: „Es kommt drauf an…“