Zu Unfall bei Ampfing mit sieben Toten: Staatsanwaltschaft erhebt schwere Vorwürfe

Der Staatsanwaltschaft Traunstein ist es gelungen, im Zusammenhang mit dem tödlichen Schleuserunfall, der sich am 13. Oktober auf der Bundesautobahn A94 in Ampfing ereignete (wir berichteten), drei mutmaßliche Scoutfahrer zu ermitteln und gegen diese Haftbefehle zu erwirken. Sie sind dringend verdächtig, die Schleusung gemeinsam mit dem Fahrer des Schleuserfahrzeugs organisiert und durchgeführt zu haben, der durch seine äußerst riskante Fahrweise den schweren Verkehrsunfall verschuldet haben soll, bei dem von den geschleusten Personen sieben ihr Leben verloren, eine lebensgefährlich und 14 schwer oder mittelschwer verletzt wurden. Gegen die drei Angeschuldigten, gegen die aktuell Untersuchungshaft in drei unterschiedlichen bayerischen Justizvollzugsanstalten vollzogen wird, hat die Staatsanwaltschaft nun Anklage wegen Einschleusens mit Todesfolge zum Landgericht Traunstein erhoben.

Zuständig ist dort die Jugendkammer, da einer der Angeschuldigten zur Tatzeit 17 Jahre alt war. Sogenannte „Scoutfahrer“ organisieren Schleusungen und begleiten mit anderen Fahrzeugen das eigentliche Schleuserfahrzeug und kundschaften aus, wo Polizeikontrollen stattfinden und leiten den eigentlichen Schleuserfahrer über andere gerade nicht kontrollierte Routen.

Die Spezialabteilung der Staatsanwaltschaft Traunstein zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden und organisierten Kriminalität nach dem Traunsteiner Modell hat gegen die drei mutmaßlichen Scoutfahrer Anklage zum Landgericht Traunstein – Jugendkammer – wegen Einschleusens mit Todesfolge erhoben.

Nach dem Ergebnis der umfangreichen Ermittlungen, die von der Staatsanwaltschaft Traunstein und der Spezialabteilung zur Kriminalitätsbekämpfung der Bundespolizei in München in enger Zusammenarbeit mit den österreichischen Behörden geführt wurden, geht die Staatsanwaltschaft von folgendem, vor Gericht noch zu beweisendem Sachverhalt aus: Der drei angeschuldigten syrischen Männer, die zur Tatzeit 23, 22 und 17 Jahre alt waren, hatten die am 13. Oktober vergangenen Jahres in die Tat umgesetzte Schleusung von 22 Menschen mit türkischer oder syrischer Staatsangehörigkeit mit einem Kleinbus von Österreich nach Deutschland gemeinsam mit dem damals 24 Jahre alten staatenlosen Fahrer des Kleinbusses, der anderweitig verfolgt wird, geplant und organisiert.

Der zur Tatzeit 22-jährige Angeschuldigte hatte den Fahrer angeworben und ihm 300 Euro pro geschleuster Person als Entlohnung angeboten. Den drei Angeschuldigten war bekannt, dass das Schleuserfahrzeug überladen war und aufgrund der nicht ausreichend vorhandenen Anzahl an Sicherheitsgurten im Falle eines Unfalls schwerste und tödliche Verletzungen der geschleusten Personen auftreten würden. Am Tattag fuhren die drei Angeschuldigten in einem BMW 520d als Scoutfahrer auf der vorher geplanten Schleusungsroute vor dem Schleuserfahrzeug her, um festzustellen, wo sich Polizeikontrollen befinden. Da sie am Grenzübergang Simbach Polizeikontrollen entdeckten, veranlassten sie den Fahrer des Kleinbusses stattdessen den Grenzübergang Burghausen zu benutzen, nachdem sie dort keine Polizeikontrollen wahrgenommen hatten.

Während der gesamten Fahrt begleiteten sie den Fahrer des Schleuserfahrzeugs in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit diesem. Als der Fahrer feststellte, dass Polizeibeamte auf ihn aufmerksam geworden waren, telefonierte er mit den drei Angeschuldigten. Aufgrund dieses Telefonats beschleunigte der anderweitig verfolgte Fahrer den Kleinbus bei seiner Fahrt auf der Bundesautobahn A94 auf sehr hohe Geschwindigkeiten bis zu 180 km/h, um sich mit äußerst riskanter Fahrweise der Polizeikontrolle zu entziehen. Unmittelbar nachdem er einen Lkw überholt hatte, zog er den Kleinbus kurz vor der Ausfahrt Waldkraiburg/Ampfing auf die Ausfahrtspur und wollte die Autobahn mit zirka 150 km/h verlassen. Bei der Einfahrt in die dortige Rechtskurve kam er aufgrund der überhöhten Geschwindigkeit nach links von der Fahrbahn ab. Der Kleinbus durchbrach die Leitplanke, überschlug sich und schleuderte weiter, bevor er auf dem Dach liegend zum Stillstand kam.

Bei dem vom Fahrer verschuldeten Unfall wurden sieben der geschleusten Personen tödlich verletzt, darunter ein sechsjähriges Kind. Die weiteren Personen im Fahrzeug wurden schwer oder mittelschwer verletzt. Ein Geschädigter erlitt einen bleibenden Hirnschaden, welcher ihm jegliche Form der Kommunikation und Fortbewegung unmöglich macht. Er ist nicht ansprechbar und wird intensivmedizinisch versorgt. Der mit einem Sicherheitsgurt geschützte Fahrer zog sich selbst nur einen Armbruch und Prellungen zu. Die drei Scoutfahrer erhielten für die Tatbegehung einen nicht näher feststellbaren Vermögensvorteil.

Bei der strafrechtlichen Bewertung des Verhaltens der drei Angeschuldigten geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass diese – anders als der Fahrer des Schleuserfahrzeugs, dem neben anderen Straftaten insbesondere Mord in sieben rechtlich zusammentreffenden Fällen zur Last liegt – nicht mit Tötungsvorsatz handelten, sondern sich des Einschleusens mit Todesfolge schuldig gemacht haben.

Oberstaatsanwalt Dr. Martin Freudling, der bei der Staatsanwaltschaft Traunstein die Spezialabteilung nach dem Traunsteiner Modell leitet, zu dem Ermittlungserfolg: „Es hat sich wieder einmal gezeigt, wie wichtig es war, bei der Staatsanwaltschaft Traunstein mit dem Traunsteiner Modell eine neue Spezialabteilung zu schaffen, um grenzüberschreitende und organisierte Kriminalität effektiv verfolgen zu können. Die sehr gute und unkomplizierte Zusammenarbeit mit der Spezialabteilung zur Kriminalitätsbekämpfung der Bundespolizei in München und den österreichischen Behörden waren der Garant für diesen schnellen Ermittlungserfolg. Gerade bei der Verfolgung der organisierten Schleusungskriminalität wirken sich die Spezialisierung, der enorme Ermittlungsaufwand und der stetige Ausbau der internationalen Kontakte sehr positiv aus: Mittlerweile gelingt es uns, in mehr als der Hälfte aller Schleusungsdelikte Hintermänner oder weitere Täter und weitere Schleuserfahrten der Täter zu ermitteln und strafrechtlich zu ahnden.“

Über die Eröffnung des Hauptverfahrens und damit über die mögliche Terminierung einer Hauptverhandlung hat das Landgericht Traunstein – Jugendkammer – zu entscheiden.

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