Mit aktuellen Infos aus dem Bundestag - „Haben Steuerbefreiung von Überstunden abgelehnt"
In Wasserburg bei der SPD zu Gast: Michael Schrodi, der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Bundestagsabgeordnete für die Landkreise Dachau und Fürstenfeldbruck, nahm sich die Zeit, mit dem Ortsverein und Interessierten beim Huber-Wirt in den Dialog zu treten: Das Thema: „Wir müssen reden“ – Wie gerecht ist Deutschland? Chancengerechtigkeit, Klimaschutz und Infrastruktur – was muss moderne Wirtschafts- und Finanzpolitik jetzt tun?“
Zum Foto: Die Moderation übernahm Doreen Bogram. Hier im Bild mit Wolfgang Untergehrer, Vorsitzender der ver.di-Betriebsgruppe im Finanzamt München und Vorsitzender der ehrenamtlichen Revisionskommission der ver.di auf Bundesebene.
Nach einem packenden, fakten-gespickten Impulsreferat von Michael Schrodi nahm eine intensive Diskussion zu den aufgeworfenen Aspekten seinen Lauf. Er hatte zuvor die aktuelle Verteilung von Einkommen und Vermögen, dazu die für eine gerechte Gesellschaft maßgeblichen Umverteilungsströme (Löhne, Steuern, Sozialversicherung) und ihre Ausprägungen speziell in Deutschland dargestellt. Und zudem aber auch die Chancen einer umfassenden Investitions-Offensive für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands …
Mitdiskutanten waren Manuel Halbmeier (im Bild links neben Michael Schrodi) – er ist der DGB-Vorsitzende Stadt und Kreis Rosenheim und NGG-Geschäftsführer – sowie Wolfgang Untergehrer (rechts im Bild), Vorsitzender der ver.di-Betriebsgruppe im Finanzamt München und Vorsitzender der ehrenamtlichen Revisionskommission der ver.di auf Bundesebene. Den lebhaften Meinungsaustausch zu unterschiedlichsten Themenfeldern ergänzten viele Fragen und Wortmeldungen der Anwesenden.
SPD-Mann Michael Schrodi konnte tagesaktuell mitteilen, dass es gelungen sei, in den laufenden Haushalts-Verhandlungen insbesondere der FDP abzuringen, dass das Tariftreuegesetz, wonach staatliche Aufträge ab einem bestimmten Volumen an die Zahlung von Tariflöhnen im Unternehmen geknüpft werden muss, sicher verabschiedet werden würde.
Daneben habe erreicht werden können, dass aus dem Gesetzentwurf zur sogenannten Wirtschaftswende komplette Fehlanreize wie ein Steuerrabatt für nach Deutschland ziehende Menschen wie auch die von Finanzminister Christian Lindner geforderte Steuerbefreiung von Überstunden gestrichen worden seien.
Die Förderung einer steuerlichen Begünstigung von Überstunden würde von SPD wie auch DGB nicht deswegen abgelehnt, weil sie den Arbeitnehmer nicht mehr Netto gönnen würden. Permanente Mehrarbeit führe zu erheblichen gesundheitlichen Schäden und damit zusammenhängenden Folgekosten für die Allgemeinheit. Gleichzeitig würde Arbeitgebern ein Werkzeug an die Hand gegeben, Vergütungsregelungen steuerlich durch scheinbare Absenkung der Arbeitszeit zu optimieren. Es sei in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass eine Befreiung von Steuern und damit gleichzeitig Sozialabgaben dazu führen würde, dass Arbeitnehmer eigene Renten-Ansprüche verlieren würden, so der SPD-Bundestagsabgeordnete.
Zentral sei die Sicherung des Industrie-Standorts Deutschland, wichtige Industriezweige wie die Chemie- oder Stahlbranche seien von günstigen Energiepreisen abhängig, an Lösungen arbeite die Koalition derzeit.
Staatliche Investitionen im Umfang von mindestens 600 Milliarden Euro seien nach Berechnungen der verschiedenen Wirtschaftsforschungs-Institute notwendig, um im Sinne einer funktionierenden, öffentlichen Daseinsfürsorge die bröckelnde Infrastruktur (Schiene, Straße, Brücken, Schulen) ausreichend zu ersetzen.
„Das Kaputtsparen Deutschlands kann so definitiv nicht weitergehen“
Es werde unausweichlich und spätestens nach der nächsten Bundestagswahl zu Änderungen bei der sogenannten Schuldenbremse kommen, das Kaputtsparen Deutschlands könne so definitiv nicht weitergehen. Als positives Beispiel stellte Michael Schrodi das aktuelle Infrastrukturprogramm der USA auf Basis des „Inflation Reduction Act“ heraus. Dieses Kernstück der Wirtschaftspolitik der Regierung Biden zeige positive Wirkung und habe zusätzlich auch einen verstärkten und wegweisenden Fokus auf Klimaschutz.
Manuel Halbmeier stellte die Forderung nach einem pointierteren Tariftreuegesetz in den Mittelpunkt, die Zahlung von Tariflöhnen sollte generelle Vorgabe für alle Unternehmen sein und nicht allein für die Auftragsvergabe öffentlicher Stellen. Der gesetzliche Mindestlohn sei nur dann zielführend für faire Beschäftigungsverhältnisse, wenn flächendeckende Kontrollen und die Dokumentation der Arbeitszeiten sichergestellt seien.
Hier hakte Wolfgang Untergehrer ein und verwies auf aktuelle Personallücken in der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (über 11.200 Beschäftigte), aber auch die diversen Diskussionen zu Dokumentationen in steuerlichen Zusammenhängen hin. Personalnotstände, aber auch massivster digitaler Rückstand seien auch in den Länderfinanzverwaltungen zu beklagen und das seit Jahrzehnten, damit einhergehend stets zurückgehende Prüfquoten bei den Unternehmen.
Als kritikwürdig stufte er die Absprache zum bundesweiten Höchstanzahl von Steuerfahndern ein, die seit Jahrzehnten unverändert niedrig geblieben sei.
Es sei höchst ungerecht, dass Spitzenverdiener von diversen, steuerlichen Förderungen viel stärker als Normalverdienende profitieren – als Beispiel führte er die Konstellation Kindergeld/ Kinderfreibetrag an.
Einer derartigen Entschlackung des Steuerrechts – nicht in Richtung von „Bierdeckel-Parolen“ – von außersteuerlichen Förderregelungen stimmte Michael Schrodi uneingeschränkt zu, dem Staat und der Gesellschaft müsste jedes Kind gleich viel wert sein.
Weitere Themenfelder waren die Förderung der Kinderbetreuung, die Förderung öffentlichen Wohnbaus, Einschnitte bei Steuergestaltungs-Möglichkeiten für die Vermögenden und Besserverdienenden und ein soziales Bodenrecht, zu dem sich Hans-Jochen Vogel bereits vor Jahrzehnten entscheidende, bahnbrechende Konzepte erarbeitet habe …
Es war ein SPD-Abend in Wasserburg, der auch motivieren wollte, die politische Debatte mit den Mitbewerbern offensiv zu führen …
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