Albachinger Theater- und Musikverein beeindruckt mit atemberaubender Krimi-Komödie

Im Albachinger Bürgersaal konnte der Theater- und Musikverein wieder einmal Première feiern: Diesmal wurde die Kriminalkomödie von Joseph Kesselring aus dem Jahre 1941 „Arsen und Spitzenhäubchen“ zur Aufführung gebracht. Auf dem Vorhang im Theatersaal des Albachinger Bürgerhauses prangt die Aufschrift: „Nächstenliebe beginnt zu Hause“. Und so ist es auch in diesem Stück.

Zwei Schwestern, Walli und Martha Brestnig, hervorragend verkörpert von Angela Sanftl und Brigitte Voglsammer, sind höchst besorgt um einsame Männer, denen sie einen Lebensabend in depressiv machender Einsamkeit ersparen wollen und sie deshalb einfach ermorden. Was sie tun, tun sie aus reiner Nächstenliebe und so haben sie bereits ein Dutzend älterer einsamer Männer mit Hilfe von Gin Tonic, Arsen, Strichnin und Zyankali ins Jenseits befördert und sie fühlen sich wegen ihrer grenzenlosen Fürsorge gut dabei.

Diese schwarze britische Komödie, die der Spielleiter Christian Huber nach Haag in Oberbayern verlegt hat, ist in gewisser Weise auch das Thema unserer Tage. Der Schrecken und die Vernichtung begegnen uns auch heute gewissermaßen als Resultate gut gemeinten Handelns.

Die beiden Schwestern kümmern sich darüber hinaus auch hingebungsvoll um ihren wahnsinnigen Neffen Teddy, wunderbar verkörpert von Peter Mühle, der sich mal für einen Oberst, dann wieder für den Verteidigungsminister hält und immer wieder durch eindrückliche Trompeten-Soli zum Marsch bläst und im Keller die Löcher für Wärmepumpen bohrt, was seine Tanten dann als Gräbstätten für die selig-erlösten vereinsamten Männer nutzen.

Mitten in diesem skurrilen Szenario hat der Bruder des durchgeknallten Teddy, der Theaterkritiker Mortimer, wunderbar verkörpert von Michael Binsteiner, seine geliebte Elli, sehr eindringlich gespielt von Paula Langer, geehelicht. Mortimer weiß noch gar nichts vom wirklichen Treiben seiner liebevoll mordenden Tanten und entdeckt in einer Truhe im Wohnzimmer eine Leiche. Mortimer ist entsetzt und dieses Entsetzen gibt der schwarzen Komödie immer wieder Anschub und Antrieb. Der gnadenlose Gegensatz zwischen der kleinbürgerlichen Behaglichkeit der beiden Schwestern, konterkariert von ihrem verbrecherischen Verhalten, lässt dem Zuschauer immer wieder das Lachen im Halse stecken bleiben.

Als dann auch noch Mortimers verschollen geglaubter Bruder Jonathan, außergewöhnlich gut dargestellt von Bernhard Seidinger, die Bühne betritt, vervollkommnet sich die Groteske der Situation: Jonathan hat einen Oberlippenbart und zeigt durch seine Sprache, dass er an jenen Mann erinnern soll und will, der im Stück dann auch mehrfach „der Wahnsinnige aus Braunau“ genannt wird, auch dies ein Hinweis auf die Zeiten der unbarmherzigen „Behaglichkeit“ in den dreißiger und vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bei uns in Deutschland. Jonathan oder Johnny, wie er immer wieder genannt wird, ist beim Mord dann auch ehrgeizig: „Ich brauch nur einen mehr!“ ruft er in den Saal und er meint einen Toten. Er will, was das Morden betrifft, der Größte sein, ganz so, als ob er sich an seinem verbrecherischen Vorbild orientieren möchte.

Am Ende gelingt es Mortimer mit viel Geschick, seine Tanten in eine Psychiatrie einliefern zu lassen und auch Johnny und Dr. Einstein, jener von Herbert Binsteiner sehr gut verkörperte vermeintliche Arzt, der am Ende die Einlieferungsdokumente für die beiden Tanten unterzeichnet, verlassen das Haus. Mortimer erfährt noch dazu, dass er gar kein leibliches Kind der Familie sei, der Wahnsinn der beiden Tanten und seiner beiden vermeintlichen Brüder gar nicht auf ihn überschlagen muss und er freut sich auf sein Leben mit Elli.

Die Leiterin der Irrenanstalt, Dr. Wissersbund, gut dargestellt von Ronja Langer, zeigt deutlich die bestehenden Möglichkeiten einer Einlieferung, aber dafür benötigt sie die Unterschrift eines einliefernden Arztes, die Dr. Einstein gerne liefert, unabhängig davon, ob er nun tatsächlich ein Arzt ist oder nicht.

Natürlich gibt es kein Kriminalspiel ohne Polizei: Und so treten mit Benjamin Moser, Wasti Friesinger, Marcel Sitz und Dirk Huber Polizisten auf die Bühne, die vor allem eines herausragend gut darstellen: die Überforderung mit dem skurrilen, furchtbaren Gegensatz von Nächstenliebe und Verbrechen.

Und damit schließt sich der Kreis: Allüberall meinen es alle gut mit allen und sind bereit, für diese Güte auch die gnadenlosesten Verbrechen zu begehen. Wenn so ein Stück nicht aktuell ist?

Als der Schluss-Vorhang bei dieser Première fiel, konnte man aber auch ein bisschen Wehmut im Saal spüren: Christian Huber (Bildmitte, dunkler Pulli) , der seit 30 Jahren die Regie bei den Theateraufführungen des Theater- und Musikvereins Albaching inne hat, wird aufhören. Huber, der in wenigen Tagen seinen 60. Geburtstag feiert, kann auf viele erfolgreiche Theaterinszenierungen in Albaching zurückblicken. Er hat sich auch an große Theaterstücke herangewagt, wie  „Wallensteins Tod“ von Schiller oder „Romulus der Große“ von Dürrenmatt. Auch Shakespeare gehörte mit „Viel Lärm um Nichts“ zum Repertoire dieser außergewöhnlich ansprechend spielenden Laienspielgruppe. Huber, der beim Schlussapplaus sich gerne hinter den Vorhängen versteckt, hat in den vergangenen 30 Jahren viel getan für das Theaterspiel in Albaching und das Publikum zeugte es mit dem, was es am besten kann: Mit einem lang anhaltenden, nicht enden wollenden Applaus für dieses außergewöhnlich große Engagement.

Arsen und Spitzenhäubchen wird noch am Freitag, 8. November, am Samstag, 9. November (jeweils um 20 Uhr), am Sonntag, 10. November (um 18 Uhr) sowie am Freitag, 15. November, um 20 Uhr im Bürgersaal von Albaching aufgeführt.  Karten gibt es beim Bankhaus RSA in Albaching (08076/256) und, soweit noch vorhanden, an der Abendkasse.

PETER RINK

Fotos: RENATE DRAX