Obduktionsbericht im Mordfall Dr. Rainer Gerth lässt Zuschauer den Atem stocken - Heute fällt das Urteil

Vor der 5. Strafkammer am Landgericht Traunstein wurde gestern der Prozess gegen den Mann fortgesetzt, der den Oberarzt Dr. Rainer Gerth vom Inn-Salzach-Klinikum Gabersee vorsätzlich getötet haben soll (wir berichteten mehrmals). Am dritten Verhandlungstag wurden zunächst drei Kriminalbeamte der ermittelnden Kriminalpolizeidirektion vernommen. Bei dieser Vernehmung wurde offenbar, dass der Angeklagte Dr. Rainer Gerth mit einem handelsüblichen Küchenmesser, das er wohl ungefähr drei Wochen vor der Tat bei einem Billigdiscounter für 1,99 Euro erworben hatte, mit mehreren Stichen in die Herzgegend getötet hat. Ein Messerstich hat den Herzbeutel verletzt und dafür gesorgt, dass Dr. Rainer Gerth noch am Tatort verblutete. Er konnte sich nach den tödlichen Stichen nur noch 60 Meter vom Tatort entfernen, bevor er zusammenbrach und verstarb.

Der Vorsitzende Richter Volker Ziegler hatte die Vertreter der Nebenklage vorgewarnt, was jetzt folge, sei „eine blutige Sache“. Doch der Anwalt der Tochter Rainer Gerths, Harald Baumgärtl, antwortete nur lakonisch, „wir haben es besprochen, Frau Gerth kennt die Bilder“.
Der Kriminalbeamte, der die Spurensicherung leitete, sprach von zahlreichen Blutspritzern und Blutlachen, die man am Pkw des Oberarztes sichergestellt habe, an einem Baum gefunden habe oder an der Tasche des Arztes oder Akten, die er bei sich trug.
Daneben fand die Spurensicherung auch Dinge, die der Angeklagte bei sich trug: Informationen zu Zugverbindungen von Mölln in Schleswig-Holstein nach Wasserburg, außerdem jede Menge Medikamente und Zigaretten.

Die ermittelnden Kriminalbeamten konnten das Gericht auch dahingehend informieren, dass der Angeklagte wohl am 7. April 2024 aus Mölln kommend, nach Traunstein gereist sei und bei seinem Bruder übernachtet habe. Am 8. April sei er dann wohl nach Wasserburg gefahren und habe die schreckliche Bluttat verübt.

Die sicher gestellte Tatwaffe war zerbrochen, sie hatte zum Beispiel keinen Griff mehr, auch wurden einzelne Messerteile gefunen, die allesamt der Tatwaffe zugeordnet werden konnten.

Der Leiter der polizeilichen Ermittlungen sagte anschließend aus, dass der Angeklagte 2019 Gewaltphantasien gegen seinen Zahnarzt geäußert habe, weil er mit dessen Behandlungsmethoden unzufrieden gewesen sei. Der Beamte informierte die Kammer auch davon, dass der Angeklagte 2021 eine körperliche Auseinandersetzung mit einer anderen Person gehabt habe, im Grund unberechenbar sei, stark psychotisch wirke und gefährlich werden könne, aber auch sehr herzlich und mitfühlend sein könne. Er sei nie ernsthaft erkrankt gewesen, bilde sich aber immer wieder Krankheiten ein und habe mehrfach geäußert, wie sehr krank er sich fühle.

Nach den Vernehmungen der Kriminalbeamten kam die Betreuerin des Angeklagten zu Wort. Sie war aus Ratzeburg angereist und gab zu Protokoll, dass sie den Angeklagten regelmäßig besucht habe, und zwar einmal im Monat. Sie habe ihm regelmäßig Geld gebracht, damit er sich ernähren könne, er habe nicht viel Hausrat besessen und habe sich ihr gegenüber immer um Freundlichkeit bemüht. Einmal habe er ihr erzählt, dass er an Krebs erkrankt sei, dass er vergiftet worden sei. Ob der Angeklagte aggressiv gewesen sei, wollte das Gericht wissen. Diese Frage beantwortete sie mit „nein“, allerdings sei ihr aufgefallen, dass einmal die Wohnungstür eingetreten worden sei.

Die Rechtsmedizinerin, die die Obduktion des ermordeten Dr. Gerth leitete, gab anschließend zu Protokoll, dass die Todesursache eine klassische Messerstichverletzung gewesen sei, und zwar habe der Herzbeutel eine massive Stichverletzung angewiesen, dieser Stich sei ins Herz eingedrungen, aber nicht mehr ausgetreten. Die Todesursache sei damit der erhebliche Blutverlust und ein Kreislaufkollaps gewesen. Dann berichtete die Medizinerin noch, dass auch der Angeklagte untersucht worden sei und dabei habe man feststellen können, dass er mehrere Mesikamente bei sich führte, unter anderem solche zur Behandlung einer Schizophrenie, aber auch Drogen konnten nachgewiesen werden, wenngleich ohne relevante Wirkung.

Um das Bild vom Angeklagten abzurunden, verlas anschließend der Vorsitzende Richter Volker Ziegler mehrere aktenkundige Straftaten des Angeklagten. Im Alter von 16 Jahren sei er erstmals straffällig geworden und wegen Diebstahls, Erpressung und räuberischen Diebstahls zu einer Jugenstrafe von einem Jahr verurteilt worden.

Seine schulische Laufbahn sei auch glatt verlaufen. So habe er die erste Klasse wiederholen müssen und sei nach der 4. Klasse auf die Hauptschule gewechselt, wo er die 5. Klasse ebenfalls habe wiederholen müssen. Seine Eltern hätten aich 1998 getrennt und er habe auf der Berufsschule eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann begonnen, die er aber nach vier Monaten abgebrochen habe, weil diese Ausbildung für ihn „zu stressig“ gewesen sei. 2001 sei er wegen Handels mit betäubungsmitteln zu einer Gefängnisstrafe von 17 Monaten ohne Bewährung verurteilt wordem, seine Lebenssituation habe sich danach aber nicht verbessert. Gerichtliche Auflagen habe er wiederholt nicht erfüllt. Vom Gericht auferlegte Therapien habe er immer wieder abgebrochen. 2003 habe er dann die Fenster einer Arztpraxis eingeschlagen und unter anderem Medikamente und Blankorezepte gestohlen.

2011 sei der Angeklagte dann zu einer fortdauernden Unterbringung in einer Entziehungsklinik verurteilt worden, habe sich aber der Kontrolle durch Flucht entzogen.

Am Nachmittag stellte die Straubinger Sachverständige für Forensische Psychiatrie, Dr. Susanne Lausch, ihr Gutachten über den Angeklagten vor. Ihre Worte sind eindringlich und unmissverständlich: Der Angeklagte habe „einen bizarren Wahn“, sagt sie und mindestens seit 2010 leide er unter einer paranoiden Schizophrenie. „Da wird der Mensch überflutet von Wahnideen, vor denen er sich nicht mehr schützen kann.“ Er habe zwar Medikamente gegen die Krankheit genommen, aber die paranoide Schizophrenie sei sehr stark gewesen, sodass die Medikemante nicht mehr haben richtig wirken können.

Seine Wahnideen seien zur Tatzeit so bestimmend gewesen, dass der Angeklagte für die Gutachterin als schuldunfähig anzusehen sei. Der Lebensweg des Angeklagten habe diesen Weg vorgezeichnet: Geboren in Oberschlesien in Polen sei er im Alter von fünf Jahren nach Traunreut umgezogen. Ab der 5. Klasse sei er in Freundeskreise geraten, in denen Drogen eine wichtige Rolle spielten. Seit er 14 Jahre alt gewesen sei, habe er harte Drogen konsumiert, vor allem Heroin, später auch kombiniert mit starken Schmerz- und Beruhigungsmitteln.

Nach der Erstattung dieses Gutachtens vertagte sich das Gericht. Am heutigen Dienstag stehen die Plädoyers der Staatsanwaltschaft, der Verteidigung und der Nebenklage auf dem Programm und anschließend will das Gericht das Urteil verkünden. Wir berichten weiter.

 

PETER RINK