Gemeinde und Trachtenvereine sagen das Maibaumaufstellen ab
Die Halterung für den Aschauer Maibaum am Hans-Clarin-Platz vor dem Bahnhof wird noch ein weiteres Jahr leerstehen. Die Verantwortlichen aus der Gemeindeverwaltung und den beiden Trachtenvereinen „D´ Edelweißer Niederaschau“ und „D´ Griabinga Hohenaschau“ setzten sich zusammen und entschieden sich schließlich dafür, die Traditionsveranstaltung am Samstag, 1. Mai 2021 abzusagen. Alle vier bis fünf Jahre stellen die Aschauer sonst ihren Maibaum auf, aber in Corona-Zeiten ist alles anders.
„Uns fällt diese Entscheidung sehr schwer“, so Heinz Scheck, der Fachbereichsleiter Tiefbau im Aschauer Rathaus und langjähriger Vorsitzender des Trachtenvereins „D Edelweißer“ Niederaschau. „Für uns Aschauer und unsere Gäste von nah und fern ist das Maibaumaufstellen seit Jahrzehnten ein beliebter Brauch, auf den wir uns immer freuen.“Da aber im Vorjahr erst der neue Baum in Sachrang aufgestellt wurde, kommt die zusätzliche Wartezeit den Aschauern auch ein wenig entgegen: „Wir müssen nicht zwei Jahre hintereinander einen Baum in der Gemeinde aufstellen, sondern entzerren die Geschichte etwas und haben ein ganzes Jahr Pause, bis zum Aufstellen des nächsten Baumes. Vielleicht können wir es dadurch in Zukunft vermeiden, dass beide Bäume zur gleichen Zeit im selben Jahr aufgestellt werden müssen“.
Baum über 30 Meter hoch
Für das Maibaumaufstellen haben sich in Aschau in den vergangenen Jahrzehnten viele Traditionen entwickelt. Geschlagen wird der Baum mit einer Länge von über 30 Metern in der Thomasnacht, wenn aller Saft aus den Bäumen ist. Schon bald nach den Fällarbeiten findet sich jemand aus der Nachbarschaft, der den Baum still und heimlich – soweit das bei einem 30 Meter Baum und dem Einsatz mehrerer Traktoren möglich ist – stiehlt und seinen Raub ein Vierteljahr lang versteckt und bewacht. Ein paar Wochen vor dem 1. Mai beginnen dann die Räuber und die Beraubten in stiller Eintracht, den Baum so herzurichten und zu schmücken, dass er in die vorgesehene Halterung passt. Am 1. Mai wird es dann Ernst für beide Parteien: Die Festlichkeiten beginnen nach der Ankunft des Baumes an der Aschauer Ortsgrenze stets mit langwierigen Verhandlungen – die „Maibaumdiebe“ feilschen um die Auslöse ihrer Beute.
„Maibaumdiebe“ fordern Ablöse in Bier
Der Bürgermeister und die Vorsitzenden der beiden Trachtenvereine führen dabei das Wort auf Aschauer Seite, für die Diebe verhandelt deren Vorsitzender. Bei einem zu geringen Lösegeld kann es schon zu handfesten Drohungen und dem Abschneiden eines Stücks vom Gipfel mit der Kettensäge kommen. In der Regel einigt man sich schließlich auf eine Entschädigung in Form von Bier für die langen Nachtwachen, eine Brotzeit und eine Maß Bier für die Aufsteller und Kaffee und Kuchen für die Trachtendirndl. Anschließend erfolgt der feierliche Einzug mit der Blaskapelle, den beiden Aschauer Vereinen und den Dieben. Dabei wird der mit Girlanden und Kränzen geschmückte Maibaum mit einem Rossgespann an die Halterung auf dem Hans-Clarin-Platz herangefahren.
Mit „Schweiberln“ und Muskelkraft wird der Baum aufgestellt
Anstrengend ist das Aufstellen des über 30 Meter hohen, prachtvoll dekorierten Baumes. Unter dem Kommando eines erfahrenen Zimmermannes bringen die Männer und Burschen aller Vereine mit langen Stangen, sogenannten „Schweiberln“, den Baum in die Senkrechte. Ein paar Dutzend Männer werden gebraucht, um in ganz kleinen Schritten den Maibaum nach alter Handwerkstradition und ohne technische Hilfsmittel dem Himmel näher zu bringen. Wenn der Baum dann steht, werden die Zunft- und Handwerkszeichen angebracht und alles, was sonst zum Schmucke noch notwendig ist. Sobald das Gemeinschaftswerk vollendet ist, wird zusammen mit den Zuschauern bei Musik und Tanz, Speis und Trank der neue Baum gefeiert.
„Das alles wäre in diesem Jahr nicht möglich“, erklärt Heinz Scheck. „Wir können in diesem Jahr bei der Arbeit an den Schweiberln nicht die geforderten Corona-Abstände einhalten, der ganze Aufstellungsablauf verstieße in hohem Masse gegen alle geltenden Vorschriften. Vor allem aber können wir uns danach nicht zusammensetzen und beim Tanz in den Mai miteinander das Ende des Winters und den Beginn der schöneren Jahreszeit feiern. Es war daher nur logisch, das Maibaumaufstellen abzusagen, auch wenn es furchtbar weh tut“.
Den nächsten Maibaum wird es in Aschau auf dem Hans-Clarin-Platz somit erst am 1. Mai 2022 geben – aber dann hoffentlich ohne Corona-Beschränkungen. Solange bleibt die Halterung leer.
Text und Fotos: Heinrich Rehberg
Hinterlassen Sie einen Kommentar