Worte, so nah und persönlich wie selten: Karl Theodor zu Guttenberg und MdB Daniela Ludwig in Prien
Der Ehrengast des Abends in der Halle der Chiemsee-Schifffahrt brachte es gleich zu Beginn auf den Punkt: „Ich habe keine Lust auf politische Sprechblasen, die habe ich lange genug selbst produziert. Ich bin interessiert am Menschen, der mir gegenübersitzt“, sagte Karl Theodor zu Guttenberg.
Sein Gegenüber war die CSU-Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig, die eingeladen hatte, um Bilanz ziehen. Was macht die Politik aus den Menschen? Was hat sich in den vergangenen zehn Jahren verändert?
Heraus kam ein tiefer Einblick in die Seele von Politikern, die ihr Amt und ihre Aufgabe mit viel Herz und Leidenschaft angenommen haben.
KT, wie zu Guttenberg landläufig genannt wird, einst über Plagiatsvorwürfe an seiner Doktorarbeit gescheitert, lebte zehn Jahre in den USA, und ist erst seit letztem Jahr wieder in Deutschland.
Seit 19 Jahren sitzt Daniela Ludwig im Bundestag – und das hat Spuren hinterlassen: „Mich hat die Politik vorsichtig und misstrauisch gemacht. Auf der anderen Seite habe ich viel gelernt und gespürt, was man mit einer gewissen Nervigkeit für seine Region erreichen kann. Ich habe mir aber auch nicht vorgestellt, dass manches so lange dauert. Für ein Kilometer Lärmschutzwand braucht es zehn Jahre Arbeit.“
Das Misstrauen kann zu Guttenberg nachvollziehen: „Ich habe nach der Politik viel länger als gedacht gebraucht, mich von diesem Misstrauen wieder zu trennen.“
Großes und berührendes Thema bei Beiden ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Die Geburt der Zwillinge und die Heirat sei die schönste Zäsur in ihrem Leben gewesen, so Daniela Ludwig. Deshalb sei der Wahlkampf jetzt eine sehr harte Zeit. „Mir fehlen meine Kinder und ich fehle ihnen.“
Die Familie sei ein unfassbares Glück, und hier habe er Fehler gemacht, räumte zu Guttenberg ein: „Ich habe neun Jahre der Kindheit meiner Töchter verpasst. Das kann ich nicht schönreden. Nach meinem Rücktritt hat mir meine Tochter ein Büchlein gezeigt.
Da hat sie aufgezeichnet, dass sie im Wochendurchschnitt drei Stunden mit ihrem Vater verbracht hat. Und selbst da war ich oft mit dem Kopf nicht da. In den drei Stunden konnte ein Soldat sein Leben in Afghanistan verlieren. Aber es konnten auch Tränen bei meiner Tochter fließen. Ich hätte diese neun Jahre rückblickend anders gestalten können.“
Nach seinem Rücktritt habe er die zehn Jahre in den USA gebraucht, um Distanz zu schaffen.
Zu Guttenberg gründete eine Firma, mit der er junge Menschen bei neuen Technologien unterstützte – danach erweiterte er das um Beratungsleistungen. Inzwischen ist das Unternehmen auf drei Kontinenten vertreten. „Die Arbeit dafür kann ich gut von meiner Heimat aus erledigen.“ Darüber hinaus engagiert er sich in Stiftungen für Bedürftige auf aller Welt, in Afrika oder in Kriegsgebieten. „Und ich habe meine Doktorarbeit geschrieben. Das brauchte ich für mich selbst.“
Politik macht Menschen dünnhäutiger, darin waren sich zu Guttenberg und Ludwig einig.
Shitstorms oder eine SMS von Parteichef Markus Söder mit dem Inhalt „Musste das jetzt sein?“ könne sie wegstecken, so die heimische Wahlkreisabgeordnete. Aber der heftige Streit etwa um den Brennernordzulauf belastet sie oft. „Wenn man mir vorwirft, ich würde zu wenig auf meine Heimat achten oder Mord an der Landschaft begehen, dann trifft mich das wirklich. Ich denke mir immer: Ich kämpfe doch so, ich liebe meine Heimat. Da wusste ich oft nicht, wie ich damit umgehen soll.“
Die Schlussrunde unterhielt das Publikum mit gelungenen Pointen.
KT ließ Daniela Ludwig Sätze vollenden – und dabei kam für manch einen Überraschendes heraus.
„Wenn ich einen Wunschgast einladen dürfte“ – dann wäre das bei Daniela Ludwig kein Politiker oder Top-Sportler, sondern schlicht Helene Fischer. „Sie ist diszipliniert, ich finde sie toll. Sie zieht ihr Ding durch und ist authentisch geblieben.“ Und: Markus Söder müsste: „Mehr auf mich hören“.
An Bundeskanzlerin Angela Merkel schätzt die heimische Wahlkreisabgeordnete ihren trockenen, super-coolen Humor. Nicht vermissen dagegen würde sie die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin.
Der Abschluss des Abends zeigte, wie sehr die Menschen in der Region Rosenheim Karl Theodor zu Guttenberg schätzen.
Die Wünsche nach Erinnerungsfotos nahmen schier kein Ende. Deshalb blieb Daniela Ludwig zum Abschied ein sehr herzlicher Dank und ein Bedauern:
„Dich als politischen Kollegen zu verlieren, war damals nicht gut und Du hättest unserer Partei gutgetan. Du bist als agiler und cooler Typ in Erinnerung geblieben. Schade, dass Du nicht mehr da bist.“
Eine Rückkehr in die Politik schloss „KT“ aus: „Diese Zeit war erfüllend genug, um zu wissen, dass man sie nicht mehr zurückhaben will.“
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