Gebietsbetreuer in den Landkreisen Rosenheim und Traunstein nehmen zur Wahl Stellung

Wie jedes Jahr hat die Loki-Schmidt-Stiftung in Hamburg auch für 2022 die Blume des Jahres gekürt: Es ist die Einbeere (Paris quadrifolia). Für die vier Gebietsbetreuer und -betreuerinnen in den Landkreisen Rosenheim und Traunstein kam die Wahl überraschend. Sie ist bei genauerer Betrachtung aber mehr als gerechtfertigt, denn die Blume des Jahres 2022 steht für einen besonderen Lebensraum und Artenvielfalt.  

 

„Ein bisschen überrascht war ich schon“, gibt Gebietsbetreuer Patrick Guderitz zu, „wenn man ein wenig darüber nachdenkt, ist es aber eine gute Wahl.“

Die Einbeere gehört in unseren Breiten nicht zu den gefährdeten Pflanzen, ist also beispielsweise nicht auf der Roten Liste Bayerns verzeichnet. Sie steht aber stellvertretend für einen ganzen Lebensraum, eine ganze Artengemeinschaft. Die Einbeere kommt vor allem in alten (Buchen-) Wäldern vor und von denen gibt es tatsächlich immer weniger. Diese alten Wälder wiederum bieten mit ihren abwechslungsreichen Strukturen und artenreichen Unterwuchs viele sogenannte „ökologische Nischen“ für seltene und gefährdete Arten. Ökologische Nischen nennt man Bereiche mit speziellen Lebensbedingungen, die oftmals nur von angepassten und darum eher selteneren Arten genutzt werden können. Beispielsweise haben diese Wälder auch einen hohen Anteil an Totholz. Hier können sich Spechte ansiedeln, welche die abgestorbenen Äste und Bäume bearbeiten. Das hat damit zu tun, dass es sich natürlich auch der Specht gerne einfach macht. Totes Holz ist eben weicher und damit um ein vielfaches leichter zu bearbeiten als Bäume, die „voll im Saft stehen“. Spechthöhlen wiederum bieten Unterschlupf für andere Vogelarten sowie Fledermäuse und Insekten. Die Einbeere kann somit stellvertretend für diesen Lebensraum der alten Buchenwälder stehen.

 

Dirk Alfermann, der Gebietsbetreuer des Chiemsees, ergänzt: „Auch die Pflanzengemeinschaft selber, in der die Einbeere in der Regel vorkommt, beherbergt die eine oder andere seltene und gefährdete Art. Man denke da nur an die verschiedenen Orchideenarten wie das Rote (Cephalanthera ruba) und das Weiße (C. damasonium) Waldvöglein oder die Waldhyazinthe (Platanthera bifolia).“ Severin Sebald, Alpen-Gebietsbetreuer im Landkreis Traunstein, ist zufrieden mit der Wahl. „Gerade die Alpen gehören in der montanen Stufe zum Hauptverbreitungsgebiet der Einbeere. Auch hier profitieren natürlich zahlreiche Arten von den Strukturen und Lebensräumen, für welche die Einbeere stellvertretend stehen kann.“

Aber nicht nur in den Alpen, auch im Vorland, also an den Eiszeitseen und in den Wäldern um den Chiemsee herum ist die Art zu finden. „Aber ich bilde mir schon ein, dass man sie schon mal häufiger gesehen hat“, ergänzt Carmen Neumann, Alpen-Gebietsbetreuerin für den Landkreis Rosenheim. „Das kann aber auch damit zu tun haben, dass man nun durch die Ausweisung als Blume des Jahres sensibilisiert ist. Nichtsdestotrotz, vielleicht merkt man erst jetzt, dass sich etwas an den Beständen getan hat.“ „Vermutlich dann aber eher nicht zum Besseren“, gibt Alfermann zu bedenken. „Die Pflanze selber ist sehr schön mit ihrer sternförmigen Blüte und den symmetrisch angeordneten Blättern. Wenn Du sie einmal bewusst erkannt hast, begegnet sie dir immer wieder im Unterwuchs. Sie ist unverwechselbar.“ Den Namen hat sie übrigens von der einzelnen Beere, die sie ausbildet. „Früher wurde sie auch als Pestbeere gegen verschiedene ansteckende Krankheiten verwendet. Heute wird sie nur noch in der Homöopathie genutzt“, fügt Neumann an.

 

Woher der lateinische Gattungsname „Paris“ kommt, ist nicht abschließend geklärt. Eine Theorie besagt, dass er sich auf das lateinische „par“ – also „gleich“ bezieht, wegen des regelmäßigen Aufbaus der Pflanze. Die schönere Theorie jedoch bemüht die griechische Mythologie. Hier steht die Frucht im Zentrum für den Zankapfel und die vier Blätter für den Prinzen Paris und die drei streitenden Göttinnen Athene, Hera und Aphrodite.

Foto: Loki-Schmidt-Stiftung in Hamburg