Bei Haushaltsdebatte 2022: Wasserburger Stadtrat zwischen Schlagabtausch und Bauchpinselei
Die gestrige Stadtratssitzung zum Haushalt 2022 war für die Besucher eine Mischung aus Adventssingen, Stuhlkreis und literarischem Quartett. Tragweite und Wichtigkeit der Beschlüsse hinter den Zahlenauflistungen wurden von allen Fraktionen betont. Doch der echte Schlagabtausch in den Stellungnahmen der Fraktionen fehlte. Jede Wortmeldung hatte hingegen pfiffige Zitate im Gepäck, die für manchen Lacher sorgten.
Es war kein wirklich bissiger „Politischer Donnerstag“ mit Querelen und Miss-Stimmung. Zwar kündigte jede Fraktion nach der Ausführung des Stadtkämmerers Konrad Doser harte Stellungnahmen an. Es wurde aber überwiegend Honig geschmiert und nicht mit spitzen Pfeilen geschossen. „Immer nur Harmonie, das glaubt uns doch kein Mensch“, brachte es Heike Maas (CSU) auf den Punkt. Sie und ihre Fraktionskollegen von CSU und FW/Wasserburger Block würden den Stadtrat als Ort von Rede und Gegenrede sehen, denn davon lebe doch die Demokratie, so die Fraktionsvorsitzende. Maas bemerkte als „Schlußrednerin“, dass Stadtoberhaupt Michael Kölbl bisher zwar stolz behaupten konnte, Wasserburg sei rein rechnerisch schuldenfrei – doch damit sei jetzt laut der Planungen des Stadtkämmerers ab heuer vorbei. Die Kontrahentin Kölbls bei der letzten Kommunalwahl spielte auf die Reduzierung allgemeiner Rücklagen an, die von einst 9,5 Millionen Euro auf zwei Millionen Euro einen starken monetären Unterschied darstellen. Zwar wisse ihre Fraktion, die aus CSU und Freien Wählern/Block besteht, dass die großen Investitionsberge überwiegend aus Pflichtaufgaben bestünden, die es anzupacken gelte. Dennoch sei es dahingehend nicht verwunderlich, wenn sie und ihre Fraktionskollegen bei Beschlüssen von Anträgen rund um Ausgaben mit Vorschlägen monetärer Reduzierung entgegenwirken möchten oder gar ablehnend reagieren.
Die ernste Lage, die Entwicklung hin zu einer höheren Kreisumlage aufgrund der im Jahr 2020 hohen Gewerbesteuereinnahmen, die wichtigen Investitionen, die jetzt förmlich anklopfen und eine Gegenüberstellung möglicher Einnahmen und der notwendigen Ausgaben – Stadtkämmerer Konrad Doser legte souverän die Zahlen dar und erklärte den Anwesenden die Hintergründe dazu.
Gewerbesteuer sinkt – beginnt der Tiefflug?
Der Rückblick von Konrad Doser war umfangreich. Mit vielen Zahlen und Fakten der Entwicklung der vergangenen Jahre kam er schlussendlich in die Gegenwart und die nahe Zukunft. Die Gewerbesteuer sank von einem neuen Höchststand im Jahr 2020 auf ernüchternde Zahlen im Folgejahr. Dennoch habe man zahlreiche Positionen gestemmt und nun in intensiven Beratungen den neuen Haushalt zusammengebracht. „Der Gesamthaushalt 2022 beläuft sich auf 54.994.400 Euro. Im Verwaltungshaushalt sind hiervon 42.210.000 Euro niedergeschrieben, im Vergleich dazu hatten wir im Jahr 2021 einen Betrag von 41.837.200 Euro im Verwaltungshaushalt. Der diesjährige Vermögenshaushalt mit 12.784.00 Euro steht etwas reduzierter da im Vergleich zu 2021 und großen 16.408.800 Euro.“
Entwicklung im Verwaltungshaushalt
Hatte man im Jahr 2020 im Ergebnis der Einnahmen gesamt 44.540.387 Euro und Ausgaben in Höhe von 31.834.247 Euro (daraus ergibt sich ein Überschuss von 12.706.141 Euro) reduzierte sich der Abstand 2021 bereits deutlich zwischen Einnahmen von 41.837.200 Euro und den Ausgaben in Höhe von 39.503.800 Euro. „Jetzt für das Jahr 2022 könnten die Einnahmen bis auf 42.210.000 gehen, als Ausgaben werden aber aus Planungssicht 41.533.800 angesetzt“, so Doser weiter.
80 / 70 / 90 – die Modellmaße für die Stadt
Bauunterhalt sei ein wichtiger Punkt auf der Ausgabenseite, betont der Kämmerer. Und die Fraktionssprecher gaben ihm Recht. Während sich die Grünen mit Fraktionssprecher Christian Stadler mehr Einsatz für die bestehenden Radwege wünschen, stellt sich für die Fraktion aus SPD und Linke Liste Wasserburg die Frage, wie man die Normalverdiener der Stadt mehr entlasten könne. „Wir stehen zu unserem Bildungsauftrag und brauchen all die Einrichtungen und deren Ausbau“, so Friederike Kayser-Büker. Es sei wichtig, Entscheidungen über die Erhöhung der Abfallgebühren und Preissteigerungen im Energiesektor nicht als Peanuts abzutun. Denn auch hier werden die Bürgerinnen und Bürger mehr zur Kasse gebeten. Wenngleich wir uns hier bemüht haben, das Unausweichliche moderat zu gestalten“, so Kayser-Büker weiter.
Man dürfe die Menschen nicht vergraulen, das Leben in Wasserburg müsse man sich weiter leisten können. Deshalb mache ihre Fraktion für dieses Kalenderjahr einer Erhöhung der Parkgebühren klar eine Absage. Sie lobte die konservative Haushaltsplanung von Konrad Doser, der dennoch realistische Ausgaben angesetzt habe, um im Nachhinein keine bösen Überraschungen zu erleben. Die Ausführungen des Rathaus-Schatzmeisters zeigten neben den wichtigen Zahlen auch die Fakten auf: Die Entwicklung des Bauunterhalts hatte in den letzten Jahren schon immer großes Augenmerk erhalten und gilt auch 2022 als unerlässliche Investition. „Wir haben 80 Gebäude, rund 70 Kilometer Straßen und Wege zu unterhalten und rund 90 Kilometer Kanäle“, so Doser weiter. Lagen die Ausgaben der Position im Verwaltungshaushalt 2020 noch bei ca. 2,4 Millionen Euro, kletterten diese nach vorläufigem Ergebnis im Jahr 2021 schon auf mehr als 2,8 Millionen Euro. „Jetzt für das Jahr 2022 sind 3,9 Millionen angesetzt“, hieß es in der Präsentation.
Für Norbert Buortesch war es eine Feuertaufe. Seit Januar ist er neuer Fraktionssprecher des Bürgerforum Wasserburg / FW Reitmehring-Wasserburg / ÖDP-Fraktion. Er übernahm diese Funktion Anfang Januar von Lorenz Huber. „Wir werden viel schaffen, und zu schimpfen gibt es im Grunde nicht viel“, zeigte sich Buortesch begeistert von den Ausführungen des Kämmerers und wie der Stadtrat in nicht öffentlichen Sitzungen bei den Haushaltsberatungen sogar kurzfristig noch individuelle Positionen einbringen konnte. „Genau das ist in einer großen Gemeinschaft doch toll, wenn man sich trotz Uneinigkeit irgendwie einige wird“, so Buortesch weiter. Die Geschicke des Rathauschefs seien hier besonders zu würdigen, außerdem die vielen städtischen Mitarbeiter, die hier im Haushalt immer nur als große Zahl und Betrag gesehen würden. „Dahinter stecken Menschen, die so viel leisten für uns alle. Hier wird der Alltag am Laufen gehalten mit diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Und jeder einzelne ist wichtig für uns alle“, so Buortesch. Ebenfalls erfreut sei er über die Stadtbus-Erweiterung, die hoffentlich gut anlaufe. Überhaupt hieß es aus seinen Mund, man könne für so vieles dankbar sein, was hier im Stadtgebiet schon gut laufe. Es gelte hier möglicherweise mehr Reflektion und Dankbarkeit, etwas entwickeln zu können und hier auch Mitsprache zu haben. Die Stadt ohne Auto zu erreichen sei eine wichtige Zukunftsaufgabe, die er als nicht aussichtslos ansehe, so der Stadtrat abschließend.
Pflichtaufgaben sind zu erfüllen
„Wir müssen manche Investitionen leisten, da können wir nicht nach Belieben vorgehen“, hieß es von Stadtoberhaupt Michael Kölbl in seiner Zusammenfassung. Ihm sei aber bewusst, dass jeder Stadtrat und jede Stadträtin hier nach Abwägung klar Kante für den Bürger, für die Bürgerin zeige und die Zusammenarbeit dadurch sehr zielführend sei. Es gefalle ihm zudem, dass man sich bereits gut im neuen Gremium zusammengefunden habe.
Neben den vielen Positionen, die es zu stemmen galt in der heftigen Hochphase der Corona-Pandemie galt der Rede von Kölbl der positiv stimmende Vorausblick. „Wir müssen uns mit Visionen für unsere Wasserburgerinnen und Wasserburger einsetzen, damit unsere Stadt lebenswert und liebenswert bleibt“, so der Rathauschef. Er merke einen ungebrochenen Zusammenhalt, tollen Bürgereinsatz und viel Identifikation der Einwohner, dies gefalle ihm gut. Ausruhen könne sich die Stadt wahrlich nicht, man müsse wichtige und oftmals auch veränderte Wege gehen. Doch es gelänge gemeinsam meist besonders viel. „Wir können uns diesen Haushalt noch leisten. Aber die Rückführung zum Vermögenshaushalt schrumpft deutlich, dessen sind wir uns bewusst“, so Kölbl. Die Haushaltsplanung sei solide, wichtig und vor allem – sie erfülle die Voraussetzungen – um die Aufgaben für die Zukunft zu meistern.
„Wenn wir das beherzigen und weiterhin verantwortungsvoll planen und entscheiden, werden wir auch zukünftig in die Attraktivität und Nachhaltigkeit Wasserburgs investieren können“, betont Kölbl. Daseinsvorsorge, Sport, Kultur, Soziales, Freizeit, Nachhaltigkeit – alle Bereiche und noch viel mehr Punkte müsse man ernst nehmen und ihnen gerecht werden. Dabei gelte es, zukünftige Planungen und Investitionen stets genau zu überlegen und zum Wohle der Bürgerschaft zu entscheiden.
Haushalt 2022 einstimmig beschlossen
Es waren wohl die zahlreichen nicht öffentlichen Zusammenkünfte, die den jetzt öffentlichen Beschluss so unkompliziert machte. Einstimmig wurde der Haushalt 2022 genehmigt.
Das Fazit des „Schatzmeisters“ der Stadt: „Wasserburg ist mit rund 12.500 Einwohnern zu klein, um groß zu sein“, so Konrad Doser in seinem Fazit. Dennoch habe die Stadt Aufgaben eines Mittelzentrums zu erfüllen. „Damit wir die dauernde Leistungsfähigkeit sichern können, müssen Aufgaben streng kontrolliert und möglichst effektiv erledigt werden“, betont der Kämmerer weiter. Darum plane man Investitionen möglichst langfristig und priorisiert. Außerdem sei die Energie-Einsparung in allen Belangen von hoher Priorität. „Schließlich gibt es nur diesen einen Planeten, da sind wir uns natürlich einig“.
Und weil es irgendwie „jedes Jahr das gleiche Prozedere“ ist, hat Konrad Doser süffisant als letzte Präsentationsfolie ein Bild vom Kellner und Miss Sophie an die Wand der Mittelschul-Aula geworfen. Denn wie beim Sylvester-Sketch „Dinner for One“ heißt es auch beim Haushalt „The same procedure as every year, James!“
RM
Die Redebeiträge der Fraktionssprecher im Wortlaut ….
CSU und FW / Wasserburger Block, Heike Maas
SPD und Linke Liste Wasserburg, Friedericke Kayser-Büker
Bürgerforum Wasserburg / FW Reitmehring-Wasserburg / ÖDP, Norbert Bourtesch
„The same procedure as every year, James!“ ….was denn sonst. Ein Kämmerer präsentiert Zahlen, die ihm eine Software graphisch aufbereitet hat und ob jeder im Plenum die Kameralistik durchblickt, wage ich zu bezweifeln. Ich verstehe sie auch nicht, warum man für „öffentliche Institutionen“ nicht auch mit Bilanz und G&V auskommen kann? ?? wäre wohl zu transparent.
Mir fällt auf, dass die Einnahmen und Rücklagen erheblich gesunken und die Schulden erheblich gestiegen sind.
Natürlich können sich die Stadträte „Bauchpinseln“, weil das Geld, dass sie verteilen und ausgeben wird ja von den fleißigen
Bürgern in Form von Gewerbesteuer und Einkommensteuerumlage noch immer ordentlich eingefüllt. Wer zum Jahreswechsel die Müll- und Wasserabrechnung studiert hat, musste feststellen, dass sparsames Verhalten einfach mit höheren Gebühren gedankt wurde – also nichts neues unter der Sonne – sie klopfen sich gegenseitig auf die Schulter, loben die Bürokratie, aber ohne die Redebeiträge im Detail gelesen zu haben, konnte ich kein Wort des Dankes an die Steuer und Gebühren zahlenden Unternehmer, Werktätigen und Bewohner finden, die die Mühlräder bewässern. Auch hier wieder: „The same procedure as every year, …….. „
Die Müll- und Wasserabrechnungen sind aber jetzt die denkbar ungünstigsten Beispiele, weil beides kostenrechnende Stellen sind, d.h. weder darf die Stadt bzw. die Stadtwerke daran verdienen, noch darf sie dazuschießen.
Wäre durchaus eine eigene Meldung wert, wenn ein Fraktionssprecher nicht mehr mag …
Ob es zwischen Stadtrat und Bürgermeister/Verwaltung harmonisch zu geht oder nicht, ist eher nebensächlich für die Bewertung eines städtischen Haushalts. Wichtig ist, was für die Wasserburger inhaltlich dabei herauskommt.
Und das ist auch 2022 nichts Gutes, v.a. nicht für die jüngere Generation. Wie schon in den letzten Jahren wird weiter auf Bewahrung des Status Quo und die Vermeidung jeder Veränderung gesetzt, zulasten von Zukunftsthemen. Schon lange bestehende Probleme, wie das ausufernde Badria-Defizit und dessen unfaire Verteilung auf die Gemeinden des Altlandkreises oder das Fehlen eines tragfähigen Geschäftsmodells der Stadtwerke, werden weiter ignoriert. Neue Herausforderungen wie eine zukunftsfähige Energieversorgung der Stadt (kostengünstig und klimaneutral) und eine bestmögliche Bildung unserer Kinder nach Corona werden erst gar nicht angepackt. Während z.B. andere Städte in der Region ihren Bürgern bereits heute eine flächendeckende Versorgung mit klimaneutraler Wärme und Strom anbieten, nehmen Bürgermeister und Stadtrat bei uns einen erwartbaren, sehr starken Anstieg der (fossilen) Energiekosten bewusst in Kauf. Investitionen für die jüngeren Wasserburger, wie z.B. eine neue Turnhalle für die Grundschule am Gries, wurden ersatzlos gestrichen, andere Investitionen in Kindertagesstätten, Schulen kommen bestenfalls am Rande vor. Ähnlich schaut es beim Klimaschutz aus.
Aus welchem Grund ein Stadtrat einstimmig einem derart rückwärtsgewandten Haushalt zustimmt, ist schwer nachzuvollziehen. Für die nächsten Jahre ist zu befürchten, dass es genauso weitergehen wird. Bürgermeister und Stadtrat werden es sich auch noch weitere 4 Jahre zulasten der Jüngeren gut gehen lassen.
Es ist daher v.a. an den jüngeren Wasserburgern, sich das nicht mehr länger gefallen zu lassen. Wasserburg hat ungewöhnlich gute Voraussetzungen für eine zukunftsfähige Entwicklung, man muss diese aber schon auch entschieden angehen.
Es wird die ewige Tragödie dieser Stadt bleiben, dass der einzige Stadtrat, der je gewusst hätte, wie es richtig geht, schon nach kurzer Zeit die Brocken hingeworfen hat und seither beleidigt von seinem Elfenbeinturm in der Hofstatt herunterschmollt.
Bewundernswert ist vor allem, wie er im Detail einen Haushalt zerpflücken kann, der noch gar nirgends veröffentlich ist.
Vielleicht ist die Sicht in der Hofstatt ein wenig eingeschränkt um die tatsächlichen Auswirkunken dieses haushaltsplanes besser zu beurteilen. Gerade in Schule und Kindergärten sieht der Haushalt und der Finanzplan viel Geld zum ausgeben bereit. Skaterplatz am Badria, Ausbau der Radwegenetze.Wohnbebauung an der Essigfabrik usw. Jeder Kritikpunkt von Exstadtrat Hofstatt lässt sich voll zerpflücken, und was das Badriadefizit mit den Umlandgemeinden zu tun hat kann keiner verstehen. Genau das Gegenteil. Das Mittelzentrum Wasserburg finanziert auch für alle Umlandgemeinden das Badria,damit zB auch zukünftig die Kinder schwimmen lernen können und Senioren etwas für die Gesundheit tun können.Natürlich gäbe es noch viele Wünsche, aber eins nach dem andern.