Die beiden Heilerziehungspfleger und Musiker Ben Leinenbach und Werner Steinmüller riefen 2002 die Attler Bunte Mischung ins Leben
Die Musikbranche gilt allgemein als ein schnelllebiges Geschäft. Ein Hit und gleich wieder weg. Dieses Schicksal teilen wohl unzählige Bands. Nicht so das ABM-Orchester, die Attler Bunte Mischung. Denn auch wenn der große Hit bislang ausblieb, blickt diese bemerkenswerte Band aus der Stiftung Attl heuer – dem Jahr 2022 – auf eine 20-jährige Bandgeschichte zurück.
Das allererste Mal trat das ABM-Orchester am 8. Februar 2002 in der Einrichtung für Menschen mit Behinderung bei Wasserburg auf. Die Veranstalter einer internen Faschingsfeier benötigten musikalische Begleitung. Für die beiden Heilerziehungspfleger und Musiker Ben Leinenbach und Werner Steinmüller lag es sofort auf der Hand, die Musik gemeinsam mit den dort betreuten Menschen zu machen.
Musikalisch-pädagogische Angebote wie die Orff-Gruppe gab es damals schon in der Einrichtung. Und so mussten Steinmüller und Leinenbach nicht lange nach talentierten Bewohnern suchen. Auch ein Name fand sich schnell: Attler Bunte Mischung – kurz ABM.
Damit war eine der ersten überregional erfolgreichen inklusiven Bands in Deutschland überhaupt gegründet. Auch der Kreis der Musiker*Innen mit und ohne Behinderung wurde schnell größer. 18 Mitglieder inklusive der Aufbauhelfer zählt das ABM-Orchester heute. Und die Band erzielte Erfolge, die sich sehen lassen können.
Weit über dreihundert Auftritte absolvierte das ABM-Orchester, das zu zwei Dritteln aus Menschen mit Assistenzbedarf besteht, bereits deutschlandweit und über die Landesgrenzen hinaus.
Zu den Highlights zählt die Band Auftritte in Gelsenkirchen auf Schalke und in Berlin. Es gab gemeinsame Konzerte und Auftritte mit überregional bekannten Bands wie La Brass Banda – das Foto zeigt in der Mitte Stefan Dettl – oder Claudia Koreck und dem Kabarettisten Michael Altinger (Foto unten), der sogar Schirmherr der ersten CD im Jahr 2004 war. Die Band spielte in München, Kufstein oder beim Katholikentag in Regensburg 2014 ebenso wie auch auf zahlreichen Sommer-Festivals in der Region.
Stofferl Well, bekannt von den Biermösl Blosn, holte das ABM-Orchester ins BR-Fernsehen und auch Schlagerbarde Guildo Horn ehrte die Musiker*innen in seinem Band-Contest „Guildo sucht die Superband“ als eine der zehn besten integrativen Bands deutschlandweit.
Vier CDs hat die Band mittlerweile veröffentlicht. Die neueste trägt den Titel „anders“ und hebt sich in ihrer Machart von den vorangegangenen Produktionen ab. Denn die neun neuen Songs stammen alle aus eigener Feder und auch das Cover wurde die mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Zu hören ist das Album auf allen gängigen Streaming-Plattformen.
Auf eine öffentliche CD-Präsentation, wie das sonst üblich wäre, musste die Band leider verzichten. „Wegen der ganzen Corona-Beschränkungen konnten wir leider lange nicht spielen und auftreten“, berichtet Steffi Sengeleitner. „Da war ich schon sehr enttäuscht.“ Die Bewohnerin aus der Einrichtung spielt seit 18 Jahren Akkordeon in der Band. So wie Steffi sind die meisten Mitglieder schon lange Jahre in der Band.
„Wir haben über die Jahre hinweg sehr wenig Fluktuation“, erklärt Matthias Opielka, Heilerziehungspfleger und Bassist der Band. „Diejenigen, die dabei sind, sollen auch dabeibleiben können. Denn alle nehmen ihre Sache sehr ernst, kommen regelmäßig zur Probe und freuen sich, dass es jetzt endlich wieder weitergeht.“
Seit vielen Jahren kommen zudem Musikerinnen und Musiker von außerhalb in die Einrichtung und unterstützen oder ergänzen die Formation ehrenamtlich; einige von ihnen schon seit weit über zehn Jahren.
Auch in diesem Jahr hat sich das ABM-Orchester viel vorgenommen. Für den Sommer haben sie bereits wieder eine Einladung nach Gelsenkirchen. Dort feiert eine große Einrichtung für Menschen mit Assistenzbedarf ihr Patronatsfest. Weitere Veranstalter haben 2022 die Band bereits gebucht. Auch beim oberbayerischen Kulturfestival „Zamma“ im Juli wird das ABM-Orchester vertreten sein.
Wie sich die nächste Zeit für das ABM-Orchester entwickeln wird, ist aufgrund der Pandemie ungewiss. Dieses Schicksal teilt sich die Band im Augenblick mit allen weiteren Kulturschaffenden.
„Auch, wenn es vielleicht nicht so viele Auftritte geben wird, haben wir noch viel vor“, erzählt Ben Leinenbach, musikalischer Kopf und Bandgründer. „Wir werden wieder viele neue Songs schreiben, das eine oder andere Musikvideo produzieren und uns vermehrt auch auf den Social-Media-Kanälen präsentieren.“
Wir freuen uns darauf.
mjv
Fotos: Stiftung Attl
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