Neuer Radweg, Bahnnutzung oder ganz der Natur überlassen? - Bürgerforum organisierte Sonntagsspaziergang
Die alte Bahntrasse von der Wasserburger Altstadt am Inn entlang und Gabersee vorbei nach Reitmehring: Kann dort ein Radweg entstehen, soll man weiter auf eine spätere Bahnnutzung setzen, oder die Trasse ganz der Natur überlassen? Das Bürgerforum Wasserburg hatte zu einem Sonntagsspaziergang eingeladen, um genau diese Fragen zu beleuchten. 26 Interessierte waren trotz heftigem Regenschauer gekommen, um die stillgelegte, aber nicht entwidmete Bahntrasse zu begehen.
Anlass war vor allem die Interessenbekundung der Stadt Wasserburg an dem Förderprojekt „Radoffensive Klimaland Bayern“, das die Verbesserung der Radinfrastruktur in Bayern zum Ziel hat. Dabei sollen gerade auch Radwege entlang oder auf stillgelegten Bahnlinien gefördert werden. Wenn ein innovatives Projekt in den Augen des Ministeriums förderwürdig ist, werden 80 bis 90 Prozent Fördergelder in Aussicht gestellt.
Rege und durchaus kontroverse Diskussionen über die zukünftige Nutzung gab es dann bei der Wanderung auf den Bahnschwellen von Reitmehring nach Wasserburg.
Soll man die Trasse, die zum großen Teil im FFH-Gebiet liegt, der Natur und sich selbst überlassen, obwohl sie dann vermutlich zuwächst? Ist es unter Berücksichtigung der mit großer Wahrscheinlichkeit vorhandenen Schadstoffbelastung überhaupt verantwortungsvoll die Gleise und den Schotter zu belassen, stellte ein Teilnehmer zur Diskussion. Viele Aspekte pro und contra Radweg wurden in zum Teil hitzigen aber fairen Diskussionen ausgetauscht.
Bernd Meerstein, als Vertreter von Pro Bahn erklärte zu Beginn ausführlich die historischen Hintergründe und verwies darauf, dass eine Reaktivierung der Strecke längst nicht ausgeschlossen ist. Fakt ist, dass die Stadt keine Entwidmung der Strecke betrieben hat, um folgenden Generationen die Möglichkeit zur Reaktivierung der Strecke nicht zu verbauen.
Mitglieder vom ADFC (Fahradclub) und Anwohner von Reitmehring-Süd verteidigten vehement die Idee eines Radweges auf der Bahnstrecke. Nicht nur für die Bewohner der Meggle-Siedlung, Schmiedwiese, Viehausen und Edling, wäre es eine sehr schnelle und attraktive Rad- und Fußwegverbindung in die Altstadt und wieder zurück.
Wegen der ausgesprochen schönen Landschaft wäre es auch eine Bereicherung für den Tourismus in und um Wasserburg.
Für viele Teilnehmer steht fest, dass die Bahn nach wie vor absoluten Vorrang hätte. Weil aber mittelfristig eine Wiederinbetriebnahme nicht zu erwarten ist, befürworteten auch viele eine Zwischennutzung als Fahrradweg, der ganz nebenbei auch die Bahntrasse für die Zukunft freihalten würde. Andere wiederum befürchten, dass ein Radweg einer späteren Reaktivierung der Bahn im Wege steht. Den meisten Teilnehmern wurde vermutlich klar, dass eine Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Maßnahme nicht leicht zu treffen ist.
Der äußerst engagierte Naturschutzfachmann Max Finster führte über mehrere Stationen, mit fundiertem Wissen über Flora und Fauna, in die Stadt. Er machte mit dem Meterstab sehr anschaulich, wie groß der Eingriff beim Bau eines Radweges wäre.
Die Teilnehmer waren beeindruckt von der Vielfalt und Schönheit dieses Wanderweges am Gleis entlang. Mit einer Kaffeepause am ehemaligen Gaberseer Schwimmbad überbrückte man den kurzen Regenschauer. Der nächste Halt war die Dammbruchstelle, wo im März 1987 die Zugverbindung durch eine Unterspülung der Gleise unterbrochen und nie wieder hergestellt wurde.
Am Inn entlang ging es schließlich zum gemütlichen und versöhnlichen Ausklang der Wanderung an den Bramburi-Stand, mit köstlichen Rosmarin-Pommes rot-weiß.
In einem Punkt muss ich widersprechen: Es stimmt nicht unbedingt, dass Mitglieder des ADFC die Idee eines Radweges vehement verteidigten. Die ganz überwiegende Mehrheit der (mir bekannten) anwesenden ADFC-Mitglieder sind sowohl beim ADFC als auch bei Pro Bahn und relativ klar in ihrer Prioritätensetzung.
Von der ADFC Ortsgruppe Wasserburg gibt es eine Mängelliste mit über 50 Gefahrenstellen im Stadtgebiet. Hier könnte größtenteils mit weit weniger Finanzmitteln und ohne aufwändige Verfahren schnell und einfach sehr viel mehr für eine fahrradfreundliche Stadt getan werden.
Eine technische Meisterleistung damals!! Würde sich heute keiner trauen so eine Bahn zu bauen!
Die Stadtteile westlich der Altstadt brauchen dringend eine attraktive Fahrradanbindung zum Zentrum. Die Köbingerbergstraße ist trotz Ausweisung als Fahrradstraße für Radfahrer lebensgefährlich und mit über 12% Steigung sehr beschwerlich. Es nutzen zu viele Autofahrer nach wie vor diese Straße und in nicht angepasster Geschwindigkeit. Die vorgeschriebenen 1,5m Abstand werden häufig nicht eingehalten. Für Familienausflüge mit Kindern bis ca. 10 Jahre ist die Straße insbesondere abwärts viel zu steil und auch aufwärts eine mühselige Schiebestrecke.
Gerade für dieses Streckenstück wäre ein Radweg auf der Gleistrasse eine hochattraktive Alternative sowohl zum Freizeitradeln als auch zum Erreichen der Arbeitsplätze z. B. im neuen Großklinikum oder bei Meggle.
Ich komme – wie schon so oft – nicht umhin, meine Meinung zu sagen: Die Strecke gehört reaktiviert. Falls man das nicht tut, wird man in der nächsten Generation sagen, das war ein großer Fehler. Der ÖPNV muss Vorrang haben. Er dient der gesamten Bevölkerung.
Ich bin leidenschaftlicher Radfahrer. Für einen sicheren Radweg in die Stadt finden sich aber auch andere Lösungen.
Die Bahnlinie ist ein „Nice-to-Have“ Projekt, denn sie ist eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung zwischen 2 Bahnhöfen. Burgau, Burgau Nord und Süd sowie Gabersee mit Großklinikum werden damit nicht angebunden. D. h. keine einzige Busverbindung wird damit eingespart. Ökologisch ist das nicht, wenn zwei Verkehrsmittel parallel warme Luft spazieren fahren statt ein unersetzliches (Bus) möglichst stark auszulasten.