Medikamente fehlen: Mangel an Blutplasma und Kostenstreit - „Es geht um Menschenleben“, sagt die dsai-Bundesvorsitzende Gaby Gründl aus Schnaitsee

Es ist ein Hilferuf an Minister Lauterbach: „Es geht um Menschenleben“, so die Bundesvorsitzende Gaby Gründl der Patientenorganisation für angeborene Immundefekte e. V. (dsai) aus Schnaitsee. Denn Menschen mit der seltenen Krankheit eines angeborenen Immundefekts bangen um ihre Medikamente.

Sie sind auf Präparate aus Immunglobulinen angewiesen, die aus menschlichem Blutplasma hergestellt werden.

Nachdem bereits drei Hersteller sogenannter subkutaner Immunglobuline gravierende Lieferengpässe wegen eines Mangels an Plasma angemeldet haben, stellt jetzt auch noch der verbleibende vierte Hersteller den Verkauf seines Präparates in Deutschland ein. 

Rund 70 Prozent dieser Patienten sind auf eine subkutane Gabe ihres Medikamentes eingestellt, sie injizieren sich ihr Präparat also eigenständig unter die Haut. Der Grund: In diesem Fall steht jedoch nach Aussage des Herstellers nicht der Plasmamangel für den Lieferstopp im Vordergrund, sondern Preisverhandlungen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband).

„Es kann nicht sein, dass ein Kostenstreit auf dem Rücken der Patientinnen und Patienten ausgetragen wird“, stellt Gabriele Gründl, Bundesvorsitzende der Patientenorganisation für angeborene Immundefekte – dsai e. V., fest. „Der sowieso schon besorgniserregende Lieferengpass wird durch diesen Streit massiv verschärft.“

Gründl hat sich daher an Gesundheitsminister Karl Lauterbach gewandt, mit der dringenden Bitte, für die Situation schnell eine Lösung zu finden: „Es geht um Patientinnen und Patienten, es geht um Menschenleben. Wir brauchen Ihre Hilfe!“

Gründl appelliert mit Nachdruck an das Gesundheitsministerium, schnell etwas zu unternehmen, um die unhaltbare Situation zu beenden. Auch an das Paul-Ehrlich-Institut sowie den GKV-Spitzenverband hat sie sich gewandt. „Die Brisanz der Situation ist nicht in Worte zu fassen“, so Gründl. „Politik und GKV müssen sich umgehend zusammensetzen und dafür sorgen, dass wenigstens ein subkutanes Immunglobulin-Präparat zuverlässig verfügbar ist.“

Die Patientenorganisation haben zahlreiche Anrufe verzweifelter Patientinnen und Patienten erreicht: In keiner Apotheke in ihrer gesamten Region, unabhängig vom beliefernden Großhandel, nicht über Kliniken, nicht über den Hersteller sei das Präparat erhältlich. Viele dieser betroffenen Menschen – unter ihnen vor allem Kinder und Jugendliche – mussten wegen des Lieferverzugs der anderen subkutanen Immunglobine teils langwierig auf Cutaquig umgestellt werden, heißt es.

„Dass jetzt dieses Präparat nicht mehr erhältlich ist, bedeutet die absolute Katastrophe für die Patientinnen und Patienten – gerade auch für Eltern, die nun in Panik geraten, weil ihre Kinder nicht mehr mit Immunglobulinen versorgt werden könnten, wenn der Vorrat verbraucht ist“, berichtet Gründl.

Jede Spende rettet Leben

Verschärft durch die Corona-Pandemie herrscht in Europa ein gravierender Mangel am Blutplasma, um eine stabile Versorgung aller Menschen zu gewährleisten, die auf Plasmapräparate angewiesen sind. Das benötigte Plasma kommt von Spenderinnen und Spendern. „Ich kann jedem gesunden Menschen nur nachdrücklich ans Herz legen, Plasma zu spenden“, betont Gabriele Gründl. „Neben Menschen mit einem angeborenen oder erworbenen Immundefekt sind auch Personen mit Hämophilie, also die sogenannten Bluter, auf Plasmapräparate angewiesen. Aber auch Unfallopfer bekommen bei bestimmten Verletzungen Medikamente aus Plasma – jeder von uns kann also plötzlich dringend Plasma benötigen.“

Seit ihrer Gründung im Jahr 1991 ist die dsai, Patientenorganisation für angeborene Immundefekte, Anlaufstelle für Betroffene und macht sich dafür stark, Ärztinnen und Ärzte aller Fachgebiete sowie die Öffentlichkeit über angeborene Immundefekte aufzuklären.

Die Patientenorganisation ist mit 15 Regionalgruppen in ganz Deutschland vertreten. Sie engagiert sich für den Ausbau der Forschung auf dem Gebiet der Immunologie, organisiert bundesweit Zertifizierte Ärztliche Fortbildungen und ist kompetenter Partner in einem umfangreichen Netzwerk aus Betroffenen, Spezialisten, Behörden und Forscherteams.