Gestern Abend: Wegen eines Unwetters, das nie kam - Auswärtspartie des TSV Wasserburg nach Halbzeitpause nicht mehr angepfiffen

Das Landesliga-Spiel zwischen dem FC Unterföhring und dem TSV 1880 Wasserburg bewegte sich gestern Abend auf hohem Niveau und die Fans waren schon gespannt, in welche Richtung sich dieser offene Schlagabtausch beim Stand von 1:1 in der zweiten Halbzeit entwickeln würde. Mit dem Halbzeitpfiff jedoch war die Zeit der Fußballfreude vorbei und die des großen Theaters begann.

Ab 20.30 Uhr erinnerte dieser Freitagabend in Unterföhring an Samuel Becketts weltberühmtes Theaterstück Warten auf Godot. Während bei Beckett die beiden Landstreicher Estragon und Wladimir auf den ihnen nur vage bekannten Godot warteten, warteten Schiedsrichter Jürgen Gabel und sein Gespann auf ein Unwetter.

Dabei haben Godot und das Unwetter eine Gemeinsamkeit: Beide kamen nie. Warten auf Godot gilt seit 1952 als Inbegriff des absurden Theaters, die Entscheidung von Jürgel Gabel wird Einzug in die Reihe der abstrusesten Entscheidungen der jüngeren Geschichte halten.

Anstatt die zweite Halbzeit bei besten Witterungsbedingungen anzupfeifen und das Spiel so weit es geht fortzuführen, was auch erfolgreich gewesen wäre, wartete Gabel. Auf welcher Grundlage der Schiedsrichter zu dieser Eingebung kam, ist fraglich.

Es regnete nicht und sämtliche Wetter-Apps sagten – so wie es auch eintrat – für 22 Uhr das Unwetter voraus. Sowohl der FCU, als auch die Innstädter verwiesen auf diese Erkenntnisse und wollten weitermachen.

Die Theaterfigur Estragon begann durch das ereignislose Nichtstun des Wartens zu leiden, diesen Qualen wollte sich eine Vielzahl der Zuschauer nicht aussetzen. Und so spielten in den „zweiten 45 Minuten“ Fans auf dem Rasen Fußball.

An der Mittellinie jonglierten Jugendliche, auf der anderen Seite bolzten Männer in Jeans aufs Tor, dazwischen übte Marko Dukic Freistöße. Groteske Szenen an einem eigentlich wunderbaren Fußballabend, ehe die Wartenden erlöst und das Spiel abgebrochen wurde.

Dieser unnötige wie ungerechtfertigte Spielabbruch wirft zwei Fragen auf: Wird der Wettbewerb dadurch verzerrt und wer bezahlt das alles?

Bei Unterföhring fehlten mit Andreas Faber und Robin Volland zwei zentrale Spieler, die Löwen waren überlegen und hatten ein klares Chancenplus. Bei besserer Verwertung hätten sie bereits zur Pause deutlich führen können, wenn nicht gar müssen. Dem TSV 1880 Wasserburg wurde durch den Nichtanpfiff eine gute Ausgangslage zu Nichte gemacht.

Weiterhin stellt sich die Frage nach den Kosten: Wasserburg muss nun – unter der Woche – erneut nach Unterföhring fahren. Auswärtsfahrten in der Landesliga sind teuer, zumal werktags für Amateure immer noch der Stress der pünktlichen Anreise hinzukommt. Die Entscheidung, dieses Fußballspiel nicht wieder anzupfeifen, erfordert eine dringende Aufarbeitung.

Für alle Freunde des runden Leders: Die Tore erzielten übrigens Lucas Knauer nach einer Ecke (9.) und Burhan Bahadir (18.).

Auf eine Berichterstattung der ansehnlichen ersten Halbzeit wird hier in der Folge verzichtet, da dieser durch den Abbruch der Sinn geraubt wurde. Auch dies ist eine Parallele zum absurden Theater, das die Sinnfreiheit der Welt und den darin orientierungslosen Menschen darstellen will.

JAH