Ein Blick hinter die Kulissen: Wie arbeitet der Katastrophenschutz im Landkreis? Am Beispiel einer Hochwassersituation - Nach dem Ernstfall der Fliegerbombe gestern
Regelmäßig übt der Katastrophenschutz im Landkreis verschiedene Szenarien, um im Ernstfall vorbereitet und schnell handlungsfähig zu sein. So ein Echt-Einsatz war erst vergangene Dienstagnacht: Im Raublinger Ortsteil Pfraundorf wurde kurz vor 17 Uhr eine 250-Kilo-Fliegerbombe gefunden – wir berichteten. Vom Landratsamt aus sowie durch die Einsatzkräfte vor Ort wurden die Maßnahmen koordiniert. Bis weit in die Nacht hinein. Kurz nach Mitternacht wurde die Bombe entschärft und die evakuierten Bewohner konnten wieder zurück in ihre Wohnungen.
Damit solche Einsätze reibungslos funktionieren, sind regelmäßige Übungen nötig. Zuletzt wurde eine fiktive Hochwassersituation an der Mangfall geprobt. Dabei waren auch 15 Offiziere des Kreisverbindungskommandos der Bundeswehr zu Gast, um sich ein Bild der Arbeitsweise zu machen. Hier mal ein Blick hinter die Kulissen des Katastrophenschutzes …
Übungstag, 9.30 Uhr: Immer mehr Menschen sammeln sich im Einsatzraum beim Landratsamt an der Wittelsbacherstraße. Die Stimmung ist locker, anders als gewohnt.
Die fiktive Lage-Einweisung beginnt: „Die Situation ist kritisch“, beginnt Dennis Stöberl, Leiter der Gruppe Brand- und Katastrophenschutz und heutiger Leiter der Führungsgruppe Katastrophenschutz. „Uns erwartet weiterhin eine Starkwetterlage. Wir rechnen mit 120 Liter pro Quadratmeter Niederschlag. Der Starkregen lässt die Pegel ansteigen und wir haben an verschiedenen Stellen Hochwasserlagen. In der Nacht wird es weiterregnen.“
Diese Situation ist zum Glück nur gespielt. Eine Übung.
Foto oben – Lagebesprechung:
Wie ist der aktuelle Stand?
Welche Einsatzaufträge sind bereits abgearbeitet?
Was kam neu hinzu? Was ist noch zu tun?
Der Leiter der Führungsgruppe, Dennis Stöberl (links), moderiert …
Dennoch: Die Erinnerung an das Hochwasser von 2013 ist bei Vielen noch sehr präsent. Die lockere Stimmung wird ernster, die Konzentration steigt. Jeder hat einen festgelegten Platz und bestimmte Aufgaben. Übungen wie diese sind wichtig, um im Ernstfall vorbereitet zu sein.
Im Katastrophenfall koordiniert der Krisenstab die erforderlichen Maßnahmen zentral von einer Stelle aus. Dann muss jeder genau wissen, welche Aufgaben er hat, wie die Meldewege sind und wie die Systeme bedient werden.
Das Landratsamt ist als Katastrophenschutz-Behörde zum Beispiel für Hochwasserlagen, Schneekatastrophen oder auch langanhaltende Staus zuständig. Dabei arbeiten die Experten eng mit der Polizei, dem THW, der Feuerwehr, dem BRK oder auch der Bundeswehr zusammen.
Die Übungssituation nimmt Form an – die einzelnen Arbeitsbereiche nehmen ihre Arbeit auf.
Als Erstes braucht die Führungsgruppe die Möglichkeit, zu kommunizieren – nach außen und nach innen. Christian Patsch, Leiter des Bereichs „Kommunikation“, erklärt, wieso das so wichtig ist: „Wir sind die Augen und Ohren der Führungsgruppe. Hier kommt alles rein und von hier geht alles raus. Erst wenn die Kommunikation, also der Funkkanal, die Telefone, das Mailpostfach stehen, kann gearbeitet werden und die Führungsgruppe kann Entscheidungen treffen.“
Foto: Kommen Informationen rein – per Telefon, Funk oder Mail – werden sie parallel in das digitale Protokoll eingefügt und allen Beteiligten zur Verfügung gestellt.
Auch alle Informationen, die an die Bürgerinnen und Bürger über die Medien oder ein Bürgertelefon veröffentlicht werden, werden über die Führungsgruppe koordiniert.
10 Uhr – Erste fiktive Lageinformation: Die Einsatzkräfte sind vor Ort – insgesamt 302 Personen von Feuerwehr, BRK, THW, Bergwacht und die Psychosoziale Notfallversorgung für Einsatzkräfte. Derzeit liegen noch keine Informationen zu verletzten Personen vor.
Dokumentation ist essentiell
Alle Informationen, die rein- und rausgehen, müssen verarbeitet und auch visualisiert werden. Der Bereich „Lage/Doku“ ist dauernd auf dem aktuellen Stand und visualisiert die derzeitige Situation für alle auf dem wandfüllenden, sechs mal drei Meter großen Whiteboard, so dass sich jeder einen Überblick verschaffen kann.
Um jederzeit die Entwicklung der Lage nachvollziehen zu können, wird ein Lageprotokoll geführt. Dies wird in einem eigenen Computerprogramm gepflegt, worüber auch Aufgaben zugewiesen oder Dateien ausgetauscht werden.
Diese Dokumentation ist essentiell, um den Überblick zu behalten und auch im Nachhinein den Ablauf nachvollziehen zu können. Zeitgleich werden bereits Protokolle der Lagebesprechungen angefertigt, die in diesem Fall dem Landrat und auch der Regierung von Oberbayern als übergeordnete Katastrophenschutz-Behörde zur Verfügung gestellt werden.
Foto: Eine Karte des Landkreises Rosenheim zeigt die verschiedenen Einsatzorte. “ÖEL” steht für “Örtliche Einsatzleitung.”
Der Bereich Einsatz organisiert alle Schritte, die zur Ereignisbewältigung notwendig sind und arbeitet Anforderungen der örtlichen Einsatzleitung ab. So werden für die Übung beispielsweise Notunterkünfte für 2.000 Personen benötigt. Schulen und Anbieter größerer Hallen werden fiktiv informiert und um Hilfe gebeten.
In der aktuellen Situation werden Hubschrauber gebraucht – der Bereich Einsatz kümmert sich schnellstmöglich darum.
10.30 Uhr – Zweite fiktive Lageinformation: Es regnet kontinuierlich weiter. Die Zahl der Vermissten ist auf 23 gestiegen. In Bad Aibling wird die Evakuierung von 1.000 Menschen vorbereitet. Die Notunterkünfte sind bereit. Während der Besprechung kommt die Bestätigung per Funk: Die Hubschrauber sind bereit.
Der Lagevortrag muss kurz und prägnant sein. „Wir müssen uns auf den neuesten Stand bringen, dürfen aber keine wichtige Zeit verstreichen lassen. Während wir reden, ändert sich die Lage laufend“, erklärt Dennis Stöberl. Er hat als Leiter der Führungsgruppe die Verantwortung für die Führungsgruppe und muss schnelle Entscheidungen treffen. Unterstützt wird er dabei von der Führungsassistenz. Sie muss dauerhaft sozusagen „in der Lage sein“ und einen Überblick über alle Vorgänge haben.
11.30 Uhr – Letzte Lageinformation: Der Deutsche Wetterdienst meldet, dass der Regen in zehn Minuten aufhören wird und kein weiterer Niederschlag in der Nacht zu erwarten ist. Alle Einsatzaufträge sind erledigt. Der Katastrophenfall ist hiermit beendet.
Im Ernstfall hört ein solcher Einsatz natürlich nicht mit dem Regen auf …
Im Normalfall müssen sich die Verantwortlichen dann auch Gedanken um eine Ablöse machen. Denn oft sind mehrere Schichten notwendig, bis sich die Lage entspannt. Für heute aber kehren alle aus dem Team wieder in die Realität zurück: Klarer Himmel, Sonnenschein, kein Hochwasser in Sicht. Die Übung ist gut gelaufen. Alle Beteiligten fühlen sich gut vorbereitet.
Trotzdem bleibt zu hoffen, dass das nächste Treffen wieder „nur“ eine Übungssituation sein möge …
Foto: Im Fall einer Katastrophe – also zum Beispiel bei Hochwasserlagen, Schneekatastrophen oder auch Zugunglücken – findet sich der Krisenstab im Einsatzraum zusammen, steuert die Maßnahmen zentral von einer Stelle aus und übernimmt die Koordination zum Beispiel mit der Feuerwehr, dem THW, dem BRK oder der Polizei.
Fotos: Landratsamt
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