„Notos"-Quartett aus Berlin begeisterte mit abwechslungsreichem Programm im Rathaussaal
In der vergangenen Woche traten sie in Angers in Frankreich auf, nächste Woche werden sie in Oldenburg sein. Und so geht es immer weiter: Das „Notos“-Quartett aus Berlin, 2007 gegründet, kann mit seinen Interpretationen von klassischen und zeitgenössischen Werken den geneigten Zuhörer wahrlich begeistern. Die vier Musiker Antonia Köster (Klavier), Andrea Burger (Viola), Sindri Lederer (Violine) und Philip Graham (Violoncello), die es mittlerweile gewohnt sind, in der Berliner Philharmonie, in der Philharmonie Köln, dem Konzerthaus in Wien in der Wigmore Hall in London, ja auch im Teatro La Fenice in Venedig und vielen anderen international renommierten Konzertsälen aufzutreten, zeigten jetzt ihr Können im Wasserburger Rathaussaal.
2017 wurde den Musikern der renommierte deutsche Musikpreis ECHO-Klassik in der Kategorie Nachwuchskünstler des Jahres verliehen. Als 2018 bei der ECHO-Pop Verleihung ein Album mit antisemitischem und menschenverachtendem Gedankengut ausgezeichnet wurde, gaben sie ihren ECHO-Preis unter Protest zurück. Sie lösten damit eine große Protestbewegung aus, der sich unter anderem auch Daniel Barenboim und Marius Müller-Westernhagen anschlossen. In der Folge wurde der ECHO-Preis abgeschafft.
An diesem Abend in Wasserburg präsentierte das Notos-Quartett zunächst das Klavierquartett in g-moll (KV 478) von Wolfgang Amadeus Mozart, es besteht aus drei Sätzen, zur Sinfonie fehlt der dritte Satz, das klassische Menuett. Die vier Musiker beginnen hier mit einem heftigen, zuweilen sogar stürmischen Allegro, das im zweiten Satz von einem getragenen Andante abgelöst wird. Antonia Köster entbietet dies mit viel Verve und großem Einfühlungsvermögen. Auch der dritte Satz, das Rondo, gestaltet sich wieder etwas eindringlicher. Mozart hat dieses Quartett 1785 geschrieben, im gleichen Jahr, als auch mit „Le nozze di Figaro“ eine seiner weltbekannten Opern erschien. Wer dem Klavierquartett genau zuhörte, konnte nicht umhin, den einen oder anderen Hinweis auf Figaros Hochzeit zu erkennen.
Der 1912 geborene und 1997 verstorbene Jean Françaix schrieb im Alter von 21 Jahren ein Divertissement für Klavierquartett. In diesem Werk, ganz anders als bei Mozart, erschall auch der Zeitgeist aus den Instrumenten. Das 20. Jahrhundert ist eben schneller und lauter und sehr häufig auch sehr viel dissonanter als das 18. Das konnte der Zuhörer spüren und mitverfolgen. Jean Françaix habe selbst gesagt, dieses Divertissement sei ein „Hochseilakt für alle vier Instrumente“. Das war deutlich zu hören und auch zu fühlen. Und dennoch hat das Notos-Quartett diese Herausforderung angenommen und gekonnt bewältigt. Natürlich gab es auch Anklänge an Maurice Ravel und Claude Débussy, woran mancher Einschub an romantische Walzerklänge entfernt erinnerte.
Auf stürmische dissonante Teile folgte nicht selten umgehend eine große Harmonie, Signum der Zeit, die stürmisch war und in der sich viele nach harmonischer Ruhe sehnten. Das Finale des Divertimento von Françaix erscheint dann wieder überschäumend, wobei sich auch Klänge französischer Volkslieder einschleichen.
Nach der Pause kündigte Philip Graham ein kurzes Stück des ukrainischen Komponisten Volodymyr Runchak (geboren 1960) an. Dies war im Programm nicht vorgesehen. Der mittlerweile mit seiner Ehefrau in Polen lebende Komponist Runchak, dessen Sohn aber in der Ukraine geblieben ist, wollte mit seinem „Kyrie Eleison“ auf die Schrecken des aktuellen Krieges aufmerksam machen, unter dem viele Menschen in der Ukraine sehr zu leiden haben und der doch auch für uns hier in Deutschland von so großer Tragweite ist. Philip Graham wies darauf hin, dass man dieses kurze Stück, mit dem das Erbarmen Gottes erfleht werden soll, seit Februar 2022 ins Repertoire des Notos-Quartettes nehmen wollte. Beim Zuhören konnte es einem angst und bange werden, wenn auf dissonante Klänge ein schnelles Stakkato folgte, das wohl den Einmarsch der russischen Truppen umschreiben konnte.
Am Ende dieses Stückes blieb das Publikum gebannt ruhig und klatschte nicht und kam dann in den Genuss von Johannes Brahms’ Klavierquartett A-Dur, op. 26. Der Hamburger Brahms, der seine musikalische Heimat letztlich in Wien fand und dem ungarischen Einfluss in dieser Stadt sehr aufgeschlossen war, hat mit diesem Klavierquartett gezeigt, wie sehr die Zeit der Romantik das Bindeglied zwischen der Klassik und der Moderne sein kann, stilistisch, musikalisch und vom Temperament her.
Lang anhaltender Applaus des Publikums im fast voll besetzten Rathaussaal war der Lohn für eine außergewöhnliche, außerordentliche Darbietung klassischer Musik. Auf eine weitere Zugabe verzichteten die Musiker ganz bewusst. Das Publikum verstand es und ging erfüllt und auch nachdenklich nach Hause.
Die Wasserburger Rathauskonzerte gibt es seit 1973, feiern also im kommenden Jahr ihr 50-jähriges Bestehen. Der Kulturreferent des Landkreises Rosenheim, Christoph Maier-Gehring, hat in einem Gespräch mit unserer Zeitung darauf hingewiesen, dass man gespannt sein darf auf ein außergewöhnliches Jubiläumsprogramm im Jahre 2023 für die Wasserburger Rathauskonzerte.
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