Mut zur Suche: AK68 eröffnet Ausstellung mit Werken von Studierenden der Akademie der Bildenden Künste München
Der AK68 hat eine Gruppe von Studierenden der Akademie der Bildenden Künste München mit ihrer Professorin Katharina Gaenssler eingeladen, ihre Werke im Ganserhaus in Wasserburg auszustellen. Und so kamen insgesamt 13 weibliche und drei männliche Studenten und stellten ihr künstlerisches Schaffen vor. „Ein kleines Abenteuer, ungeheuer spannend“, meinte Katrin Meindl im Gespräch mit der Wasserburger Stimme hierzu. Initiiert hat diese Einladung die Wasserburgerin Josefine Pytlik, die 2022 in Wasserburg mit dem Preis „Junge Kunst“ ausgezeichnet wurde.
Seit Mai 2022 ist Katrin Meindl die erste Vorsitzende des AK68 in Wasserburg (nebenstehendes Bild). Und seither erfährt das an Bildender Kunst interessierte Publikum in Wasserburg eine neue Dynamik in der Präsentation von Kunst in der kunstsinnigen Stadt. Sie begrüßte bei der Vernissage am Samstag auch die Dritte Bürgermeisterin und Kulturreferentin der Stadt Wasserburg, Edith Stürmlinger, sehr herzlich.
Die 16 Studentinnen und Studenten, die hier ihre Werke ausstellen, kommen aus vielen Ländern, vielen Sprachräumen. Eine gewisse babylonische Kultur- und Sprachenvielfalt erfüllt das Ganserhaus also dieser Tage.
Das Thema, unter dem ausgestellt werden sollte, lautete neudeutsch-modern: „solitary/solidary“. Unter „solitary“ versteht man im britischen Sprachraum Begriffe wie „einsam“, „eigenbrötlerisch“, „einzelgängerisch“ oder „einsiedlerisch“ und unter „solidary“ einfach nur solidarisch. Auf der Vernissage, die am gestrigen Samstag im Ganserhaus in Wasserburg stattfand, erläuterte die Kuratorin Sabine Weingartner, dass hier der Gegensatz zwischen dem Individuum und der Gemeinschaft deutlich werden solle. Weingartner bezeichnet diese beiden Dimensionen als das Verhältnis von Kunst und Politik.
DER PRIVATE UND DER ÖFFENTLICHE RAUM
„Das Werk ist von Anfang an in seiner Welt isoliert und damit seiner eigenen Realität am nächsten“, führte Sabine Weingartner, die erst kürzlich ihre Doktorarbeit verteidigt hat, weiter aus. Und dann kam sie bewundernd auf das Ganserhaus zu sprechen: Dieser Ort, dieses Haus, sei von einer Einzigartigkeit, weil es so verwinkelt sei, dass man immer wieder Neues, Überraschendes, Einzigartiges, entdecken kann.
Allerdings ist bekanntlich Kunst immer mit einer politischen Dimension behaftet, Politik aber nicht immer mit einer künstlerischen. Und vor diesem Hintergrund erhalten die ausgestellten Kunstwerke eine neue Bedeutung. Bereits bei Goethe war das Verhältnis von Natur und Kunst ein wesentliches, die Identität des Menschen zu ergründen und damit auch das Verhältnis vom Individuum zur Gemeinschaft.
Es ist nach wie vor die große Errungenschaft der bürgerlichen Gesellschaft, dass es neben dem öffentlichen Raum auch einen privaten gibt. Nur so konnte das Individuum den Platz einnehmen, den es heute hat. Ein sehr weites Feld also.
Eine Studentin der Bildenden Kunst, Kimo (Titelbild), sie stammt aus Südkorea, fasste es im Gespräch mit der Wasserburger Stimme so zusammen: Sie suche ihren Platz in der Gesellschaft und damit auch den Platz für ihr künstlerisches Schaffen. Und in dem Raum, in dem sie ausstelle, hoffe sie, diesen Raum zu finden.
In einer Abstellkammer im ersten Obergeschoss hat Mira Schienagel eine Art Ruhe- oder Grabstätte für „Fletzi“geschaffen, jenem Skelett, das vor einigen Jahren in der Wasserburger Altstadt bei Grabungsarbeiten entdeckt wurde. Ein Halswirbel, von einem 3D-Drucker gefertigt, liegt hier, umringt von einem Blütenmeer aus Vergissmeinnicht (Bild).
AUF DER SUCHE
Die Suche scheint also ein wichtiger Faktor zu sein, der den Künstler antreibt, ihn vielleicht auch umtreibt und ihm damit auch den notwendigen Ansporn verleiht bei der Erstellung seiner künstlerischen Arbeiten. In ihren Einführungen zur Eröffnung bezog sich Sabine Weingartner auch auf die Kurzgeschichte „Jonas oder der Künstler bei der Arbeit“, die Albert Camus 1957 geschrieben hat, auf die Antinomie, dass der Künstler einerseits eines Rückzugsraums bedürfe, und sei er auch nur mental, und andererseits er natürlich die Gemeinschaft brauche, und sei es nur, damit sie seine Kunstwerke erwerben wolle. Dieses Thema ist also so alt wie die Kunst. Künstler benötigten immer die Gemeinschaft, sei es den Mäzen oder die Bewunderung. Kunst lebt davon, und das Erschrecken, das uns befiel, als Aktivisten der „last generation“ Kunstwerke beschmierten, mag davon Zeugnis ablegen.
Die Ausstellung ist ein Projekt, das das Unfertige, die Suche, ins Zentrum rückt. Damit wird der Besucher der Ausstellung auch zum Künstler, der bei dieser Suche unterstützen kann, ja unterstützen soll. Ein gelungenes Projekt, spannend, weil man auch nicht absehen kann, was entsteht, wenn es je fertig werden sollte.
Im Untergeschoss des Ganserhauses steht der große Ateliertisch, an dem alle Künstler zusammenkommen und sich über ihr künstlerisches Schaffen austauschen können. Damit ist das Atelier der Schritt, mit dem der Künstler vom Einzelgänger oder Eigenbrötler zum solidarischen Wesen mutiert und dabei dann doch Individuum, Einzelgänger bleibt.
Zu dieser Konzeption passt auch sehr gut die Tatsache, dass der Ausstellungskatalog erst jetzt entsteht, er ist nämlich nicht der Leitfaden durch die Ausstellung, sondern dessen Ergebnis. Wir haben es mit einem mutigen Projekt zu tun, mit dem der AK68 neue Wege einschlagen möchte. Man kann dazu nur viel Erfolg und Glück wünschen. Die Ausstellung ist im Ganserhaus noch bis zum 12. März 2023 zu sehen. Der Katalog wird am Samstag, 11. März, um 16 Uhr in den Räumen des Ganserhauses in der Schmidzeile 8 präsentiert.
Text und Bilder:
PETER RINK
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