Herausforderndes Thema, hohe Qualität: Filmemacher auf der Aiblinger Nonfiktionale prämiert
Es war die erste reguläre Festivaledition nach drei Ausnahmejahren – und sie war ein voller Erfolg. Vier Tage lang wandelte die Aiblinger 15. Nonfiktionale mit ihrem Programm „Auf dünnem Eis“. So lautete das Motto, das sich über das diesjährige Festival spannte.
Alle Macherinnen und Macher der Filme waren nach Bad Aibling gekommen, um sich ausgiebigen Diskussionen um widerspenstige Weltbilder oder ambivalente Protagonisten zu stellen und um über Möglichkeiten und Fallstricke bei der filmischen Darstellung zu sprechen.
Fünfzehn Wettbewerbsfilme aus Deutschland, Österreich und der Schweiz waren ins Rennen des Wettbewerbs gegangen. Jetzt wurden im Rahmen einer festlichen Preisverleihung die Ausgewählten prämiert. Der Fachjury gehörten an: Beatrice Babin, Christine Moderbacher und Maximilian Plettau – Foto unten.
Ihren Entscheidungen ging folgendes Statement voraus:
„Auf Grund der hohen Qualität der ausgewählten Filme haben wir uns entschieden, den diesjährigen Nonfiktionale-Preis der Stadt Bad Aibling auf zwei Filme aufzuteilen. Beide Filme zeichnen sich durch ihren Mut im Hinblick auf das Motto ‚Auf dünnem Eis‘ aus.“
Den mit 2.000 Euro dotierten Nonfiktionale-Preis der Stadt Bad Aibling erhalten die Werke NACH WRIEZEN von Daniel Abma sowie OURS von Morgane Frund – siehe Foto oben.
OURS von Morgane Frund
Begründung der Jury:
Eine Studentin aus Luzern wird durch Zufall mit verstörenden, voyeuristischen Bildern konfrontiert und versucht mit ihrem eigenen Unbehagen umzugehen. Die Regisseurin nutzt die Macht der Bilder für den Dialog über die Gewalt des männlichen Blicks und schafft es damit, Machtpositionen umzudrehen.
Mit ihren Reflexionen ermöglicht sie den ZuschauerInnen am Prozess des Filmeschaffens teilzuhaben und einen Zugang zu ihrer Sichtweise zu gewinnen.
NACH WRIEZEN von Daniel Abma
Begründung der Jury:
Drei jugendliche Straftäter werden aus der JVA Wriezen entlassen. Der Filmtitel kündigt die Zeit der Resozialisierung und die ständige Drohung einer Rückkehr an.
Der Film zeichnet sich durch die besondere Beziehung zwischen dem Regisseur und den ProtagonistInnen aus. Nähe und Distanz werden zugelassen, ohne zu werten. Mit seinen Fragen trifft Daniel Abma den richtigen Ton, der sowohl seine Haltung, als auch die Sensibilität gegenüber dem Thema und den ProtagonistInnen verdeutlicht.
Dedo-Weigert-Film-Kamerapreis
Der von Dedo Weigert Film gestiftete Sachpreis in Form einer Felloni-LED-Flächenleuchte samt Zubehör ging an Georg Nonnenmacher (Foto).
AUF ANFANG von Georg Nonnenmacher
Begründung der Jury:
Michael Scholly saß die meiste Zeit seines Lebens wegen eines Mordes im Gefängnis. Der Film begleitet den langjährigen Vorbereitungsprozess auf die Entlassung. Die Bildgestaltung schafft Räume und Zwischenräume für eine präzise dokumentarische Beobachtung. Es sind Bilder für das Kino, die sich nicht in den Vordergrund spielen.
Lobende Erwähnungen
Zwei Filme wurden mit einer lobenden Erwähnung gewürdigt:
LUCICA UND IHRE KINDER von Bettina Braun
… für die Ehrlichkeit und deren Sichtbarmachung im Umgang mit der Protagonistin. Dies unterstützt den Fokus der Geschichte, der auf der Mutter mit ihren Kindern liegt.
KÜHE AUF DEM DACH von Aldo Gugolz
… die Stimmung auf der Schweizer Alp wird von Susanne Schüle durch ihre beeindruckende Bildgestaltung in den Kinosaal transportiert. Der präzise Kamerablick führt uns entlang der Bruchlinien und Unebenheiten von den Lebensgeschichten.
Im Bild Aldo Gugolz und Bettina Braun …
Bürgerpreis
Der mit 500 Euro dotierte Bürgerpreis wurde von der Junge-Doks-Jury, bestehend aus drei SchülerInnen des Gymnasiums Bad Aibling, verliehen. Er ging an den Film ALIAS.
Alias von Jens Junker
Begründung der Jury:
Eine scheinbar heile Familie, doch die Fassade bröckelt nach und nach. Als Publikum wird man mitgenommen auf eine emotionale Reise, bei der man Jens Junker wahnsinnig nahekommt. Der Regisseur und Protagonist hält mit seinen Gefühlen nicht hinter dem Berg und lädt das, was vor der Kamera passiert, im Kommentar auf berührende Weise auf.
Der Film lebt von Kontrasten auf mehreren Ebenen: Bei den Orten, im Hinblick auf die Herzlichkeit der Gegenüber und zwischen den Super-8-Aufnahmen von früher und der Realität der schwierigen Familienverhältnisse heute.
Trotz des brüchigen Eises des Themas strahlt „Alias“ nicht zuletzt auch durch seinen Humor immer wieder auch Wärme und Hoffnung aus.
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