Uraufführung zum 150-jährigen Jubiläum
Am 11. Juni 1938 erschütterte ein blutiges Ereignis die Stiftung Attl: Ein Frater der Pflegeeinrichtung der Barmherzigen Brüder kam durch einen Stich in den Hals zu Tode. Die Hintergründe dieser grausigen Tat sind bis heute nicht zufriedenstellend geklärt.
Das fiktive Theaterstück „Mord in Attl“ aus der Feder des Wasserburger Theatermacher Jörg Herwegh basiert auf den Fakten der historischen Ereignisse von 1938. Die Aufführungen finden vom 19. bis 29. Mai 2023 im Alten Rinderstall der Stiftung Attl, unweit des tatsächlichen Tatorts, statt.
Zum 150-jährigen Jubiläum beauftragte die Stiftung Attl den Historiker Reinhard Kreitmair, die Geschichte der Pflegeanstalt im Gebäude des ehemaligen Kloster Attel aufzuarbeiten.
Die aufgefundenen Artikel des „Wasserburger Anzeiger“ brachten dabei den vergessenen Mord an einem Frater der Barmherzigen Brüder ans Tageslicht. Der katholische Laienorden hatte die Pflegeanstalt einst gegründet und war auch in den dunklen Zeiten des Nationalsozialismus für diese verantwortlich.
Die damalige gesellschaftliche Akzeptanz von geistig-körperliche Einschränkungen lässt sich mit dem heutigen Verständnis nur schwer vergleichen.
Die „Pflegeanstalt für männliche Unheilbare“, wie sie 1873 in der Stiftungsurkunde hieß, diente mehr zur Aufbewahrung kranker Menschen. Ärzte diagnostizierten schnell Schwachsinn, auch gerne bei sozialen Randgruppen, den sogenannten „Asozialen“. Das enge Zusammenleben der betroffenen Menschen in der geschlossenen Anstalt barg zudem Konfliktpotenzial.
Was treibt einen Menschen zu einem grausamen Mord?
Der von der Stiftung kontaktierte Theaterautor Jörg Herwegh interessierte sich sofort für die zwischenmenschlichen Aspekte des Geschehens von damals. Der Historiker Kreitmair recherchierte im Bayerischen Staatsarchiv die verfügbaren Fakten zum Mord. So lässt sich der reine Tathergang heute lückenlos rekonstruieren.
Doch was veranlasst einen Menschen, der zuvor keine Gewalttaten verübt hatte, einen anderen Menschen so grausam zu ermorden?
Der gleichgeschaltete „Wasserburger Anzeiger“ instrumentalisierte den Mord unmittelbar zur Nazi-Propaganda.
Die Pseudowissenschaften der Rassenlehre und der Rassenhygiene waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts in allen Industriestaaten populär. Die Nationalsozialisten gingen mit ihren wahnhaften Vorstellungen der Rassenpflege noch weiter und planten die Züchtung einer Herrschaftsrasse und die Vernichtung all jener, die nicht in ihr Rassenmodell passten.
Jörg Herwegh bettet das kriminalistische Aufspüren der Hintergründe mit seinen Rahmenhandlungen in die Zwänge der damaligen Zeit ein.
In „Mord in Attl“ wird ein christlich-konservativer Münchner Kommissar mit der Nachuntersuchung des Mordfalls beauftragt. Sein innerer Widerstand gegen das nationalsozialistische Gedankengut kostete ihm eine Polizeikarriere. Er versucht, in unanständigen Zeiten anständig zu bleiben, und klopft die Details des Mordes ab. Er steht unter Druck durch die Machthaber und das Schicksal seines kranken Sohnes.
Auch wenn Jörg Herwegh in der Schilderung des Tathergangs und der Zeichnung der drei authentischen Figuren eng an den historischen Fakten blieb, bleibt es dennoch ein fiktives Drama. Auch deswegen wurden die Namen der am Mord Beteiligten geändert.
Den Zuschauer erwartet in der packenden Atmosphäre des Alten Rinderstalls des Klosters Attel ein spannendes Theater, dass sich wie ein Puzzle filmschnittartig zusammensetzt.
Unter der Regie von Constanze Baruschke-Herwegh und Jörg Herwegh spielen Eduard Huber, Sepp Lipp, Jordi Fichtner, Peter Behrend, Marion Michel, Peter Fritsch und Benedikt Herwegh.
Die Aufführungen finden vom 19. bis 21. sowie vom 26. bis 29. Mai im Alten Rinderstall in der Stiftung Attl statt. Einlass ist ab 19 Uhr, Beginn um 20 Uhr. Zeitgleich öffnet die Kombi-Ausstellung „historische Rückblicke“ und „150 Scheene G’sichter“. Tickets gibt es in der Stiftung Attl per E-Mail mail@stiftung.attl.de oder telefonisch (08071 102104).
Fotos: Michael Wagner, Stiftung Attl
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