Nicht wirtschaftlich genug? Bürgermeister findet es ernüchternd - Stadtrat Christian Stadler versteht die Welt nicht mehr
Lächeln, Zufriedenheit, Autarkie-schwärmend. Wasserburg brüstete sich monatelang mit den selbst gesteckten Anforderungen des autarken Depots. Auch eine PV-Anlage sollte durch die Stadtwerke Wasserburg zur Volleinspeisung am Dach installiert und betrieben werden. Nun die Ernüchterung: Möglicherweise kann die dort angedachte Photovoltaikanlage NICHT wirtschaftlich genug in Betrieb gehen. Für die Gremiumsmitglieder des Werkausschuss kaum zu glauben: Der verantwortliche Planer macht die eigenen Berechnungen kurzerhand zunichte und erklärt gerade einmal eine Ausbeute von möglicherweise nur 25 Prozent. Wie kann das sein? Darüber rätselte nun auch der Stadtwerksleiter Robert Pypetz.
Von höchst wirtschaftlich bis nicht ganz wirtschaftlich – Ausgang noch ungewiss
Am kommenden Samstag soll das Depot eröffnet werden. „Wir sind noch nicht ganz fertig, aber werden es der Bevölkerung trotzdem gerne zeigen“, heißt es aus dem Rathaus. Doch die Photovoltaikanlage, die auf dem Dach installiert werden soll, eine Volleinspeisungs-Anlage – gerundet für 150,2 kWp, ist noch immer in der Schwebe. „Über allem steht das Thema WIRTSCHAFTLICHKEIT“, betonte Bürgermeister Michael Kölbl in der jüngsten Werkausschuss-Sitzung am Dienstagabend. Leider gebe es unterschiedliche Wirtschaftlichkeits-Berechnungen. Diese reichen von höchst wirtschaftlich bis nicht ganz wirtschaftlich. „Eine unwirtschaftliche Betriebsanlage können sich unsere Stadtwerke nicht leisten“, bringt es Kölbl auf den Punkt.
Stadtwerksleiter Robert Pypetz erläuterte dem Gremium, dass man bei der vollen Ausbaustufe und 155,2 kWp mit ungefähr 50.000 Euro Installationskosten rechnen müsse. „Das könnte man über die Ausschreibung regeln“, so Pypetz. „Die Jahresleistungen, die uns von den Anbietern hier für eine Einspeisung genannt werden, variieren stark. Der eine Anbieter rechnet sogar lediglich mit 25 Prozent Einspeisungspotential, was ein anderer schätze. „Die Bandbreite ist hier einfach zu groß, wir müssen uns dringend nochmal genau damit beschäftigen“, gibt der Stadtwerksleiter zu bedenken.
Während des Bauvorhabens hatte sich die Stadt stets als Aushängeschild in Bezug auf ein autarkes Gebäude gesehen und die zusätzlichen Möglichkeiten, etwa mit der PV-Anlage, in der Öffentlichkeit betont. Die Planungen gingen immer dahingehend, dass auf dem Dach des Depots eine PV-Anlage aufgesattelt wird. Nun die Ernüchterung, wie es der Rathauschef betitelt, dass diese Anlage möglicherweise nicht wirtschaftlich betrieben werden könne.
Christian Stadler, der als Vertreter für die Werkreferentin anwesend war, zeigte sich äußerst verwundert. „Wenn wir jetzt nach all den Jahren, in denen wir über das Depot und die PV-Anlage auf dem Depot geredet haben, diese jetzt wieder infrage stellen, falle ich echt vom Glauben ab“, so Stadler. Er glaube nicht, dass dies ein wahnsinniges Rechenwerk sei, unter Einbeziehung der Quadratmeter in Ost-West-Ausrichtung und der auf dem Markt befindlichen Module könne es doch selbst gut abgeschätzt werden, welche Leistung erbracht werden könne. „Grundsätzlich ist das richtig“, geht Robert Pypetz in die Diskussion. Die Unterschiede seien aber so groß. „Wenn der eine sagt, 180 Tausend und der andere nur 45 Tausend Kilowattstunden, dann muss ich dem ganzen nochmal auf den Grund gehen, was diese Spanne ausmacht, da kann irgend etwas nicht stimmen“, findet Pypetz.
Stadler monierte daraufhin, dass der Punkt überhaupt auf die Tagesordnung gelangen konnte, wenn noch alles unklar sei. Mit Hinweis auf das Solarkataster Rosenheim und die bekannte Info der Einstrahlung und Fläche motivierte Stadler die Stadt, hier selbst stärker tätig zu werden. „Wir wollen ja vorankommen“, bekräftigte Bürgermeister Michael Kölbl. Eine Ausschreibung könnte beginnen, sobald alles geklärt sei. „Wir dachten, dass wir pünktlich zur Sitzung belastbare Unterlagen hätten und die Wirtschaftlichkeitsberechnung klar einstellen können. Das hat aber leider nicht funktioniert“, zeigt sich Pypetz nachdenklich. Das Thema komme erneut in den Werkausschuss, heißt es vom Rathauschef, sobald die Wirtschaftlichkeitsberechnung vorliege. „Es ist wirklich alles sehr schockierend“, kommt es dem Stadtoberhaupt über die Lippen.
Auch für Lorenz Huber alles nicht einleuchtend: „Ich kann mir das auch nicht vorstellen, dass man nur auf 45 Tausend kw käme“, so Huber. Selbst seine eigene Anlage, die nun schon über 20 Jahre laufe, brächte gute Leistungen. „Vielleicht ist das hier ein Rechenfehler oder eine unseriöse Berechnung“, vermutet Huber weiter. Man könne dies ja schon fast laienhaft abschätzen, dass so eine Anlage sehr wohl wirtschaftlich zu betreiben wäre. „Wir kommen mit unseren eigenen Berechnungen ja eben auch auf einen guten Nenner. Warum einer der Elektro-Planer des Depots nur auf 25 Prozent unserer Berechnungen kommt, müssen wir erst noch herausfinden“, betont Robert Pypetz. „Dann sollten wir den Glauben an uns selbst mal höher stellen“, wirft Lorenz Huber ein. Mit den wenigen Kilowattstunden, mit etwa 45 Tausend oder 47 Tausend könne er sich das wirtschaftlich nicht vorstellen, ist sich der Stadtwerksleiter sicher. Schlussendlich nahm der Werkausschuss die Empfehlung der Werksleitung zur Ausschreibung der PV-Anlage auf dem Depot mit einer Vollbelegung von 155,2 kWp vorbehaltlich der Wirtschaftlichkeit an. Über die Auftragsvergabe sei separat abzustimmen, hieß es.
Foto: Archivbild
Das ist genau die Diskussion die wir brauchen, plötzlich geht’s um die Wirtschaftlichkeit. Bisher war ich immer der wohl fälschlichen Meinung, die Energiewende sei das übergeordnete Ziel in unserem schönen Land. Wenn nun die Rendite an Nummer 1 steht, bitte keine Kohle mehr aus Kolumbien und kein LNG aus USA. Nur am Rande erwähnt: Den aktuellen Zirkus zum GEG habe ich schon hinter mir, lustig ist jedoch schon, dass ich für den eingespeisten „sauberen“ PV Strom fast nix bekomme, wogegen der bezogene Strom (im Winter für die Wärmepumpe) zu 50 Prozent fossil erzeugt wird, dafür jedoch das 4-fache des gelieferten Stroms kostet. Weitere Entwicklung???
Ganz großes Kino im Werkausschuss!
Dieselben Stadträte, die vor ein paar Monaten einstimmig beschlossen haben, dass die Stadtwerke bis zum Ende der Ära Kölbl fast nichts mehr in erneuerbare Energien investieren, führen Scheingefechte um eine PV-Anlage auf dem Depot.
Was wird wohl passieren? Man schreibt die PV-Anlage jetzt neu aus, eine Vergabe 2023 ist dann nicht mehr möglich und für 2024 hat man leider kein Budget mehr dafür.
Humor beweist einmal mehr unser Bürgermeister mit der Aussage, eine unwirtschaftliche Betriebsanlage können sich die Stadtwerke nicht leisten. Tatsächlich investieren die Stadtwerke laut Wirtschaftsplan 2023 bis 2026 fast ausschließlich in unwirtschaftliche Aktvitäten, nämlich knapp 10 Mio. Euro ins Badria. Für erneuerbare Energieerzeugung sind im selben Zeitraum weniger als 1 Mio. Euro eingestellt.
Nicht verständlicher wird dieses Trauerspiel durch die Tatsache, dass Wasserburg ungewöhnlich gute Voraussetzungen hat, um seine Bürger und Betriebe kostengünstig und klimaneutral mit Energie zu versorgen. Es wäre an der Zeit, dass Bürgermeister und Stadtrat ihren Bürgern erklären, warum sie das verhindern.
Tja – und genau deshalb habe ich den Stadtwerken jetzt den Rücken gekehrt. Schade eigentlich.
Mit den Planern (egal ob Hochbau, Tiefbau, Ausbau) hat die Stadt kein gutes Händchen gehabt. Überall hackt und zwickt es. Da wird eben auf die Planer vertraut, da unsere Fachleute im Rathaus hiervon keine, eher überhaupt keine Ahnung haben. Jeder Häuslebauer informiert sich und denkt sich in die Materie ein und kann so manches abschätzen.
Soweit ich es gelesen habe, wird das Depot über eine Luft/Wasserwärmepumpe klimatisiert (Temperiert), diese läuft das ganze Jahr mit Strom. Dann muss die PV-Anlage dem Verbrauch angepasst werden und schon wird sie wirtschaftlicher. Größtmögliche PV-Anlage heißt nicht gleich wirtschaftlich!!
„jeder Häuslebauer informiert sich und denkt sich in die Materie ein und kann so manches abschätzen.“
Diese Aussage würde ich mal ganz ganz stark bezweifeln. Ich würde sogar das Gegenteil behaupten. Die Leute, die ich kenn mit PV auf dem Dach, haben sowas von keinerlei Ahnung, was sie gekauft haben. Wichtig ist nur, dass sie zufrieden sind.
das würd ich auch so sehen.
Was soll hier „150 2kWp“ bedeuten?
Ansonst ist es natürlich gut, dass endlich mal jemand mitdenkt und sich nicht das blaue vom Himmel erzählen lässt.
Anmerkung der Redaktion: Hallo „denk mit“. Zur kurzen Erklärung: kWp gibt die Leistung einer PV-Anlage an, kWh, also die Kilowattstunde, den Ertrag der Anlage. Es grüßt Regina Mittermair
Das ist klar, aber was bedeutet 2kWp? Es steht hier immer 155 2kWp. Sind das dann 155 kWp oder 1552 kWp oder 310 kWp?
Obwohl nein, sorry, falsch gelesen. kWp ist nicht kWh. das „p“ steht für peak, meint also die kW bei voller Sonneneinstrahlung ohne Zeit, also ohne h.
Es geht um die Ziffer 2. Im Artikel steht 150 2kWp. Wahrscheinlich ein Tippfehler.
Wie wär’s denn mit einer Pv-Anlage an der Innleiten , da waren früher auch keine Bäume und Sträucher !
Eine 155 kWp-Anlage für 50.000 Euro finde ich nicht viel. Mir wurde eine 7,2 kWp-Anlage vor ca. 4 Wochen für 14.000 Euro angeboten. Ohne Speicher. Da habe ich auch dankend abgelehnt, der Break even würde ewig dauern. Bei einer angenommenen Modullebensdauer von 20-25 Jahren keine Chance. Sehe ich nur als gebundenes Kapital ohne Nutzen unter diesen Voraussetzungen…
Da kann man sich nur die Augen reiben. Die Stadt Wasserburg verfügt doch auch über technisch versiertes Personal. Eine Stunde Recherche im Internet zeigt bereits jedem Laien, dass eine 150 oder 155 kWp Anlage mindestens rund 150.000 kWh Strom im Jahr in unserer Gegend erzeugen wird. Da muss man dann halt ein wenig Mut aufbringen und die total daneben liegende Berechnung auch mal ignorieren, anstatt wieder alles auf die lange Bank zu schieben. So werden wir die Energiewende jedenfalls nicht schaffen.
P.S. Meine 12 Jahre alte PV-Anlage mit 16,7 kWp in Ost-/Westausrichtung erzeugt im Durchschnitt 15.500 kWh im Jahr.
Der Fehler in deiner Analyse ist, dass du stets 100% einspeisen darfst und dafür x ct bekommst. Bei einer 150 kWp Anlage entscheidet Bayernwerk, wann du einspeisen darfst und wenn jetzt alle Haushalte ungedrosselt einspeisen und das Netz überlasten, braucht es die großen Anlagen immer seltener im Hochsommer. Nur im Frühling und Herbst dürfen die dann voll, so dass man eben auf die genannten 25% kommen kann. Einfach ignorieren ist natürlich ein super Modell ganz im Sinne der Politik, aber nachrechnen, wie es hier gemacht wurde, ist einfach deutlich klüger…
Danke @Klugi für den Hinweis, aber ich dachte die Anlage ist überwiegend für die Klimatisierung und sonstige elektrische Verbraucher inkl. Speicher des Depot geplant und nicht primär für die Einspeisung. Vielleicht sollte man dann aber auch die Größe der Anlage nochmal überdenken.
Aber es steht doch fast in jedem zweiten Satz, dass es eine Anlage für die Volleinspeisung werden sollte…?? Also 0% Eigenverbrauch ist angedacht.
Und wenn ich mich umsehe, dass jedes Einfamilienhaus ordentlich aufrüstet, die Infrastruktur aber kaum aufgerüstet wird, dann kann ich mir schon vorstellen, dass die Großanlagen künftig immer häufiger abgeschaltet werden müssen, wenn die Sonne scheint und manch seriöser Verkäufer wird halt dann fairerweise davon ausgehen, dass die im Juli nur morgens und abends liefern darf um die schwachen Leitungen nicht zu überfordern.
Die geplante PV-Anlage auf dem Museumsdepot liegt im Netzgebiet der Stadtwerke Wasserburg. Dort wird es es auf absehbare Zeit keine nennenswerte Abschaltung von PV-Leistung durch den Netzbetreiber geben. Schon gleich gar nicht vom Bayernwerk, denn das wäre erst ab der Hochspannungsebene (110 kV) relevant.
Ähnlich bei mir letztes Jahr. Hab mir dafür E.on Aktien gekauft. Der Wert ist seither um gut 40% gestiegen und obendrauf noch die gut 5% Dividendenrendite.
Es gibt einen Stadtratbeschluss in dem der Klimanotstand in Wasserburg ausgerufen wurde. Das ist doch absurd, wenn nun im Stadtrat über den Sinn einer PV-Anlage auf einem städtischen Gebäude diskutiert wird. Oder wurde der Klimanotstand wieder aufgehoben?
Was für ein Hype dieses Photovoltaik… Dabei hatte man doch vor Jahren noch darüber nachgedacht, Dächer zu begrünen, damit es sich nicht so aufheizt. Jetzt macht man das Gegenteil. An der Dachoberseite in einem Abstand von ein paar Metern gibts einen Bereich mit Temperaturerhöhungen um 20°K. Man holt sich die Hitze in die bewohnten Gegenden.
Wer’s mag…
Die ganzen Aussagen der Berichte im Vorfeld sind nicht ganz plausible. Also wenn das Depot „autark“ sein soll, wo soll denn der benötigte Strom für Klimatisierung etc. herkommen, als vom eigenem Dach? Auch wenn es eine “ Volleinspeisungs-Anlage“ werden soll, frag ich mich trotzdem wo das Problem liegt? In anderen Gemeinden z.B. in Rott am Inn wird gerade eine 4 MW-Freiflächenanlage von einem privaten Investor geplant. Jeder Investor möchte und wird damit Geld verdienen und hier in Wasserburg soll das nicht möglich sein? Besser ist doch, wenn die öffentliche Hand, hier die Stadt Wasserburg, jede zur Verfügung stehende Dachfläche für PV nutzt, anstatt der Landwirtschaft fruchtbare Äcker und Wiesen zu entziehen. Was mich aber richtig ärgert ist die Tatsache, dass der einzelne Bürger die Energiewende so schnell als möglich stemmen soll, aber hier z.B. die Stadt Wasserburg zaudert und rechnet und vertagt. Was mich heute jedoch freut, ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Heizungsgesetz, denn hier ging es außnahmsweise mal viel zu schnell.