Rege Diskussion beim politischen Frühschoppen der Haager SPD
Mitglieder und Freunde der Haager SPD trafen sich im Gasthaus „GO“ in Oberndorf zum politischen Frühschoppen. Es ging um das brisante Thema „Pflegenotstand geht uns alle an!“. Die Haager SPD-Vorsitzende Eva Rehbein (Foto) gedachte zu Beginn Emilio Falcone, der kürzlich überraschend gestorben war. „Er hat uns viele Jahre begleitet und war uns immer wohlgesonnen. Wir werden ihn vermissen.“ Dann eröffnete sie die Diskussion mit der Frage: „Was bedeutet eigentlich Pflegenotstand?“
Es sei ein politisches beziehungsweise berufspolitisches Schlagwort in Deutschland, Österreich und in der Schweiz, das einen akuten Personalmangel der Alten- und Krankenpflege beschreibe. Erstmals verwendet wurde es in den 1960er- und 1970-er-Jahren, als durch die Ausweitung der Krankenhäuser massiver Personalmangel entstand. Zur Abwendung sei damals vielfach ausländisches Pflegepersonal eingesetzt worden. Heute beruhe der herrschende Personalmangel zum großen Teil auf dem Finanzierungssystem der Heime und Sozialstationen. Krankenhäuser wurden zunehmend zu Gewinn orientierten Unternehmen. „Meiner Meinung nach wurde der Mensch ,Pfleger und Pflegerin‘ und seine Bedürfnisse hintenangestellt,“ so Eva Rehbein. „Die Situation spitzte sich immer weiter zu, die Arbeitsbedingungen wurden immer schlechter.“
Bezirkstagskandidat Patrick Mayer bekräftigte dies und berichtete von seinen Besuchen in 15 sozialen Einrichtungen in diesem Jahr. „Immer wieder bekam ich zu hören, dass einfach Zeit fehlt“ und nannte Beispiele wie dieses: „Oft muss man sich der Pflegende entscheiden. Einen Sterbenden möchte ich gerne in seinen letzten Stunden begleiten. Aber die Verwaltung erwartet meinen Bericht für die Übergabe im Schichtwechsel. Sehr belastend, tagtäglich diese und ähnliche Entscheidungen zu treffen“, so Patrick Mayer.
Ludwig Spirkl, SPD-Stadtrat Neumarkt St. Veit und Pflegedienstleiter im Inn-Salzach-Klinikum Wasserburg (Gabersee) kennt diese Probleme, versucht sie als Pflegedienstleiter aber klein zu halten. „Ich achte darauf, das Personal nicht an ihre Belastungsgrenzen zu bringen. Dann sind halt einige Betten nicht belegt und ist nicht rentabel für die Klinik, aber der Mensch steht für mich an erster Stelle.“ Wichtig sei zusätzlich, die Aus- und Weiterbildung. Als Bezirksklinikum habe man ein privilegiertes Alleinstellungsmerkmal: Man kann nicht privatisiert werden.
So gibt es in Gabersee eine eigene Ausbildungseinrichtung. Von der Ausbildung einer Pflegehilfskraft (Dauer: ein Jahr) bis zur zertifizierten Pflegekraft (drei Jahre). Wichtig sei auch die Zertifizierung für ausländische Pflegekräfte. Viele würden sehr gerne in Deutschland arbeiten, warten aber ewig auf die Anerkennung. „Das muss dringend beschleunigt werden“, so Spirkl. „Bei uns können wir die Zertifizierung in sechs Wochen durchführen. Das müsste landesweit gelten.“ Und er ergänzte: „Wir hatten in Mühldorf einen Campus für Pflegewissenschaftsstudium, angegliedert an die FH Rosenheim. Der ist wieder zurück nach Rosenheim, weil der Landkreis es nicht geschafft hat, diverse grundlegende Bedürfnisse wie eine eigene Mensa beispielweise einzurichten. Wirklich unglaublich.“
Sea Altmann (Foto unten mit Bernd Rehbein) zeigte ergänzend, was die Landes- und Bundes-SPD schon lange versucht, umzusetzen. „Die Bayern SPD fordert schon lange, in allen 96 bayerischen Landkreisen einen eigenen Pflegestützpunkt zu installieren“, so Altmann. „Es fehlt an neutralen Informationseinrichtungen“, ergänzt Altmann. „Immer noch ist die größte Pflegeeinrichtung die häusliche Pflege. Und die werden ziemlich allein gelassen.“
Dies bekräftigt Karl Rademann (SPD-Ortsverband Mühldorf): „Ich habe eine Ehefrau mit Pflegestufe 2 daheim. Ich selbst bin über 80 und kann einfach nicht mehr alles leisten. Die Unterstützung, die ich bekomme, reicht für vier Stunden einer Pflegehilfskraft im Monat. Das ist wirklich nicht viel.“
Sabine Binsteiner-Maier (SPD-Gemeinderätin Haag) stellt fest: „Pflege ist ein Hilfsberuf und fremdbestimmt. Keine Kammer, keine Gewerkschaft, die die Interessen der Pflegekräfte vertritt.“ Sea Altmann untermauert dies: „Die SPD fordert schon lange einen Branchentarifvertrag. Die Einrichtung einer eigenen Kammer. Bisher leider erfolglos.“
Zusammenfassend wurde von allen Anwesenden bekräftigt: Das Lohnniveau der Pflegekräfte muss dringend angehoben werden, Aus- und Weiterbildungsangebote müssen ausgebaut werden, Anerkennungsverfahren beschleunigt und als vordringlichstes Ziel: Eine eigene Kammer oder Gewerkschaft sollte umgehend installiert werden. „Dann hätten wir, die wir alle über kurz oder lang pflegebedürftig werden eine Chance, so gepflegt zu werden, wie wir es uns vorstellen und das Pflegepersonal es schon lange ausüben möchte.“
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