Staatsanwalt: 24-Jähriger wurde gestern dem Amtsgericht in Rosenheim vorgeführt
Die Staatsanwaltschaft Traunstein hat gestern Nachmittag gegen einen 24-jährigen Mann beim Amtsgericht Rosenheim einen Haftbefehl wegen Mordes in sieben Fällen, Einschleusens von Ausländern mit Todesfolge, versuchten Mordes in 15 Fällen und weiterer Delikte erwirkt.
Der staatenlose Beschuldigte mit Wohnsitz in Wien ist dringend verdächtig, am Freitag in den frühen Morgenstunden 22 Menschen mit türkischer oder syrischer Staatsangehörigkeit in einem Kleinbus – in dem nur neun Personen transportiert werden dürfen – völlig ungesichert über den Grenzübergang Simbach oder Burghausen in das Bundesgebiet eingeschleust zu haben.
Im Anschluss soll er sich bei seiner Fahrt auf der Bundesautobahn A94 in Richtung München einer polizeilichen Kontrolle entzogen und nach äußerst riskanter Fahrweise mit sehr hohen Geschwindigkeiten bis zu 180 km/h bei der Ausfahrt Waldkraiburg/Ampfing einen schweren Verkehrsunfall verschuldet haben (wir berichteten).
Bei dem Unfall verloren sieben seiner Geschleusten ihr Leben, darunter ein sechsjähriges Kind.
Die weiteren Personen im Fahrzeug wurden schwer oder mittelschwer verletzt.
Der Beschuldigte wurde zum Vollzug der Untersuchungshaft gestern in die zuständige Justizvollzugsanstalt gebracht.
Der Ermittlungsrichter hat aufgrund der bisherigen Ergebnisse der Ermittlungen, die wegen des Mordvorwurfs und – die durch die Spezialabteilung zur Kriminalitätsbekämpfung der Bundespolizei – zur Schleusung und zu deren Hinterleuten geführt werden, gegen den Beschuldigten einen Haftbefehl wegen des Haftgrunds der Fluchtgefahr erlassen und in Vollzug gesetzt.
Bei der rechtlichen Bewertung ist der Ermittlungsrichter in vollem Umfang dem Antrag der Staatsanwaltschaft gefolgt und hat einen dringenden Tatverdacht hinsichtlich folgender Straftatbestände bejaht:
Mord und Einschleusen mit Todesfolge, jeweils in sieben Fällen,
versuchter Mord, gefährliches Einschleusen und gefährliche Körperverletzung, jeweils in 15 Fällen,
verbotenes Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge.
Weiter heißt es von der Staatsanwaltschaft: Es bestehe der dringende Verdacht, dass der Beschuldigte das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht verwirklicht habe, da es ihm bei seiner Flucht vor der Polizeikontrolle darauf angekommen sei, die Aufdeckung der eigenen Tatbeteiligung an der Einschleusung zu vereiteln.
Aufgrund der äußerst riskanten Fahrweise mit sehr hohen Geschwindigkeiten und sehr gefährlichen Fahrmanövern – trotz der ihm bewussten fehlenden Sicherung der im Fahrzeug befindlichen 22 anderen Menschen – sei der Beschuldigte zudem dringend verdächtig, den Tod anderer als mögliche Folge seines Handelns erkannt und in Kauf genommen zu haben.
Nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen sei es sehr wahrscheinlich, dass der Beschuldigte sich auch wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge strafbar gemacht hat. Für ein solches verbotenes Rennen reiche es nach dem Gesetz aus, dass sich ein Kraftfahrzeugführer allein, ohne Beteiligung eines weiteren Fahrzeugs, mit nicht angepasster Geschwindigkeit grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.
Dafür spreche hier wiederum die äußerst gefährliche Fahrweise mit sehr hohen Geschwindigkeiten und waghalsigen Fahrmanövern, wodurch der Beschuldigte sich mit allen Mitteln der Polizeikontrolle entziehen wollte, so die Staatsanwaltschaft in ihrer Begründung.
Demgegenüber wurde ein „Kraftfahrzeugrennen“ hier nicht durch die Fahrweise des zivilen Dienstfahrzeugs der Bundespolizei begründet, das nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen dem vom Beschuldigten geführten Kleinbus mit großem Abstand folgte und ihn nicht bedrängte.
Unter Sachleitung der Staatsanwaltschaft Traunstein führe die Spezialabteilung zur Kriminalitätsbekämpfung der Bundespolizei in München die Ermittlungen hinsichtlich der Schleusung. Dabei gehe es vor allem darum, die Hintergründe aufzuklären und die Hintermänner zu identifizieren und festzunehmen.
Für den Leiter der Staatsanwaltschaft Traunstein Dr. Wolfgang Beckstein sei dieser schreckliche Unfall mit vielen Toten auch im Zusammenhang mit dem deutlichen Anstieg der Schleuserkriminalität und der zunehmenden Skrupellosigkeit der Täter zu sehen:
„Die Zahl der Ermittlungsverfahren, die an meiner Behörde wegen Einschleusens von Ausländern jeweils in den ersten drei Quartalen geführt wurden, ist von 393 im Vorjahr in diesem Jahr auf circa 500 gestiegen. In den letzten Monaten werden durch die Staatanwaltschaft Traunstein beinahe täglich mehrere Haftbefehle wegen Schleusungsdelikten erwirkt.
Leider haben wir inzwischen fast täglich Fälle, in denen 15 bis 20 Personen ungesichert in Kleintransportern eingeschleust werden. Die Täter werden immer menschenverachtender und rücksichtsloser.
Es häufen sich Fluchten vor Polizeikontrollen mit hochgefährlichen Fahrweisen oder mit Rammen von Polizeiautos oder Zufahren auf Polizeibeamte. Wir gehen gegen die Schleuser und ihre Hintermänner weiterhin sehr hart vor. Wir wollen so Menschenleben schützen und Straftätern das Handwerk legen.“
Foto: Georg Barth