Vorsitzender des Heimatvereins hielt Vortrag im Gimplkeller
Warum war für viele Menschen der 1. Weltkrieg eine derart einschneidende Erfahrung? Dieser Frage wollte der Vorsitzende des Heimatvereins, Peter Rink, in einem Vortrag zum Ersten Weltkrieg und seinen Auswirkungen auf Wasserburg nachgehen.
Der Gimplkeller war sehr gut gefüllt, es gab eigentlich kaum noch Platz, so viele Besucher waren gekommen. Der Geschäftsführende Vorsitzende, Stadtarchivar Matthias Haupt, begrüßte die anwesenden Zuhörer herzlich und führte den Referenten ein, obwohl, wie er meinte, man ihn eigentlich gar nicht vorstellen müsse. Er wies die Zuhörer auch auf das Historische Lexikon Wasserburg hin. Dieses online-Lexikon stehe jedem zur Verfügung. Wer sich über den Ersten Weltkrieg informieren wolle, könne jederzeit unter https://historisches-lexikon-wasserburg.de/Erster_Weltkrieg weitere Informationen erhalten.
Der Referent begann dann auch gleich mit seinen Ausführungen und führte zunächst in die Thematik ein: Das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts sei ein Jahrzehnt der Umbrüche gewesen. Viele Erfindungen auf naturwissenschaftlich-medizinischem Gebiet habe es gegeben und hier seien Deutsche maßgeblich beteiligt gewesen. Seit 1901 gebe es den Nobelpreis, hier wären nicht wenige Deutsche mit einem Preis ausgezeichnet worden. 1912 sei Deutschland zur stärksten Wirtschaftsnation Europas aufgestiegen, nur die USA seien noch stärker gewesen als die Deutschen.
Außerdem sei das Verhältnis zwischen Männern und Frauen vollkommen verändert worden. Frauen pochten auf Rechte, damit war das Wahlrecht gemeint, aber nicht nur. Sie wollten auch studieren dürfen, wenngleich im zu Ende gehenden 19. Jahrhundert der Rektor der Humboldt-Universität noch behauptete, dass wissenschaftliche Betätigung von Frauen zu schweren seelischen Schäden führen könne. Doch 1908 wurde es dann der ersten Frau gestattet, sich an der Universität zu immatrikulieren. Dieser Aufbruch der Frauen zu mehr Rechten forderte auch die Männer heraus und es entstanden sogenannte Männerturnvereine. Damit wollte man dokumentieren, dass der Mann eine herausgehobene Stellung habe. Auch die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit 1896 sollten eine Dokumentation geballter Männlcihkeit werden. Mit der A bhaltung der vom Gesetz her verbotenen Duelle sollte ebenfalls die Rettung jenes Männlichkeitsideals befördert werden.
Die Großmächte konkurrierten miteinander und die Außenpolitik Bismarcks, jenes „Spiel mit den fünf Bällen“ wurde ersetzt durch ein Streben nach „Weltgeltung“ Wilhelms II. Dadurch rückten die Großmächte Großbritannien, Frankreich und Russland noch näher zueinander und bildeten seit 1907 die „Triple Entente“.
Da viele internationale Konflikte ungelöst blieben und wohl bleiben mussten, blieben die Interessen der Großmächte kontrovers. Als dann am 28. Juni 1914 in Sarajevo der Österreichische Thronfolger Franz Ferdinand mit seiner Frau ermordet wurde, brach der Sturm los und der Krieg begann.
In Wasserburg führte der Krieg zu allerlei Veränderungen des Lebens: Zunächst war die Kriegsbegeisterung groß, wie ein Artikel von Fritz Huber vom Juli 1914 im Wasserburger Anzeiger verdeutlicht: Überall habe man Begeisterung gespürt, „dass es endlich losgeht“.
Doch die Ernüchterung kam bald: Denn die Rnährungssituation verschlechterte sich sofort. Deutschland importierte knapp zwei Drittel seiner Lebensmittel aus dem Ausland, was nach Kriegsbeginn nicht mehr möglich war und so bildeten sich schon bald Schlangen vor den Lebensmittelgeschäften. Kinder, nicht selten barfuß, besorgten für die Eltern die gewünschten Sachen. Spätestens seit 1916 konnte die Bevölkerung nicht mehr ausreichend mit Lebensmitteln versorgt werden. Daraufhin wurden Volksküchen eingerichtet und die Bevölkerung mit einer warmen Mahlzeit versorgt.
Der Rohstoffmangel war enorm: Es gab immer wieder Sammlungen von Textilien („Reichswollwoche“), wichtigem Metall (Sammlung von Zinndeckeln der Bierkrüge, auch die Glocke der Marienkirche wurde 1917 hierfür zur Verfügung gestellt). Auch Gold wurde gesammelt („Gold gab ich für Eisen“ als Maßnahme, dass Eheleute ihre Trauringe gegen wertlose Eisenringe eintauschten) usw.
Die Wehrbereitschaft der Menschen ließ aber deutlicher nach als es den Verantwortlichen recht sein konnte. So gab es Beschwerden darüber, dass Jugendliche nicht bereit waren, an Wehrübungen teilzunehmen. Offiziell war allerdings die zur Schau gestellte Kriegsbegeisterung hoch, ein Blick hinter die Kulissen machte dann doch deutlich, dass die Menschen auch in Wasserburg doch sehr zu leiden hatten.
Ein wichtiges Ereignis war in Wasserburg wohl die Benagelung des Rathaustores, die in einer Feier am 12. Dezember 1915 vollzogen wurde. Man konnte unterschiedlich große Nägel kaufen und diese dann in das Eingangstpr des Rathauses nageln. Die eingesammelten Spenden kamen den Hinterbliebenen der Kriegsopfer, also der gefallenen Soldaten zu.
Hunger und Elend wuchsen Tag für Tag, Arbeitskräfte fehlten, weil die wehrfähigen Männer sich im Kriege befanden und Linderung gab es lediglich durch Kriegsgefangene. Französische und russische Kriegsgefangene gab es in Wasserburg einige.
Zu allem Überfluss brach dann auch 1918 die „Spanische Grippe“ aus, die zahlreiche Opfer auch in Wasserburg forderte. Im Juli 1918 musste dann auch die Jahresabschlussfeier der Luitpold-Realschule wegen der „Spanischen Krankheit“ abgesagt werden.
Das Kriegsende in Wasserburg war auch begleitet von einem Wechsel der Verantwortlichen. So wurde ein Sozialdemokrat Landrat, die am 12. Januar 1919 durchgeführten Wahlen, bei denen erstmalig auch die Frauen das Wahlrecht hatten, setzten sich in Wasserburg allerdings noch Bauernpartei und Bayerische Volkspartei durch. Die SPD erhielt nur 17% der angegebenen Stimmen.
Nach dem Vortrag nutzten noch viele Anwesende die Möglichkeit, mit dem Referenten die eine oder andere Frage zu erörtern.
Alle Abbildungen: Stadtarchiv Wasserburg a. Inn
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