Im Porträt: Erwin Rehling - Perkussionist, Autor, Regisseur und Dokumentarfilmer

Eigentlich wollte er nach dem Abitur Altenpfleger werden; auf Anraten der Eltern und Lehrer begann er aber Geografie und Bayerische Geschichte zu studieren. Doch bereits nach wenigen Semestern warf er hin und entschied sich für ein Leben auf der Bühne. Heute blickt der Perkussionist, Autor, Regisseur und Dokumentarfilmer Erwin Rehling (69) auf eine lange Künstlerlaufbahn und eine beeindruckende Vita zurück, die ihn in viele Länder führte.
 
Aufgewachsen in Soyen, machte Rehling seine erste Bühnenerfahrung bei einer Schulaufführung in der Riedener Dorfschule in der Rolle des Haushofmeisters beim „Tapferen Schneiderlein“.  Mutmaßlich wurde er bereits zu jenem Zeitpunkt vom Theatervirus, das ihn bis heute nicht losgelassen hat, infiziert. Nach dem Abbruch seines Studiums schloss er sich Ende der 70-er Jahre zunächst als Trommler der freien Theatergruppe „Moohn“ in Wasserburg an, deren Spezialität Umzüge mit Trommeln, Musik und Hochstelzen waren.

Anfänge in freien Theatergruppen

„Mich hat das Künstlerische schon immer interessiert“, meint er heute. „Der unmittelbare Kontakt zum Publikum war und ist für mich essentiell.“ Und so entschloss er sich, in das „Haifischbecken Kunst“, wie er es nennt, einzusteigen. Es zog ihn schließlich in die Landeshauptstadt. „In München gab es damals eine lebendige freie Theater-Szene“, erinnert er sich. „Die war auch für die Mitglieder renommierter Ensembles, wie beispielsweise der Münchner Kammerspiele, von großem Interesse.“

Als überwiegend experimenteller und avantgardistischer Perkussionist begleitete er zahlreiche Theater- und Musikproduktionen – unter anderem von Cornelie Müller oder Alexeij Sagerer – und arbeitete mit den polnischen Regisseuren und Theaterschauspielern Zbigniew Cynkutis und Zymunt Molik sowie der aus St. Petersburg stammenden Regisseurin Nelia Veksel.

Mitte der 80-er Jahre unternahm Erwin Rehling parallel einen Ausflug in die Bildhauerei und half unter anderem in den Werkstätten von Paul Fuchs, der seinerseits das Spätwerk Heinrich Kirchners weiterführte, und Egon Stöckle (ebenfalls ein Schüler Kirchners) aus.

„Ich hatte nie bildhauerische Ambitionen, ich habe halt gewerkelt“, erinnert er sich an jene Zeit. „Die haben sich in den Werkstätten oft nur noch gewundert, was mir so alles eingefallen ist.“ Hauptsächlich waren es Ziselierarbeiten, die er für  Kirchner und Stöckle ausführte.

800 Auftritte als „Volksmusik-Anarchist“

Große Erfolge feierte Rehling mit der Formation „Die Interpreten“, der er von 1983 bis 2000 angehörte. Sie machten mit Improvisationen über traditionelle, alpenländische Volksmusik auf sich aufmerksam. Die „Volksmusik-Anarchisten“ (Süddeutsche Zeitung) veränderten zu jener Zeit die Musikszene Bayerns und Österreichs. Rund 800 Auftritte spielten sie in den 17 Jahren ihres Bestehens. „Wir haben keinen Klamauk aus der traditionellen Volksmusik gemacht“, erklärt er. „Wir haben uns mit dem Material respektvoll auseinander gesetzt und ihm eine neue Richtung gegeben.“ Es folgten zahlreiche Konzerte in Österreich, der Schweiz, Slowenien, Ungarn und sogar in Brasilien sowie die Zusammenarbeit mit Künstlern wie Ottfried Fischer und Werner Fritsch.

2002 folgte dann eine Zeit des musikalischen Umbruchs für Erwin Rehling. Er gründete zusammen mit Fritz Moßhammer das Duo „Hammerling“, das zeitweise auch als Trio mit Michaela Dietl auftrat und  Künstler wie Marianne Sägebrecht  begleitete. So gab es Auftritte in Holland, oftmals in Österreich und zuletzt zweimal in Tunesien, beim Festival „Octobre Musicale“.
Mit der 2012 erschienen CD „Hammerling Goes Maroc“ in Zusammenarbeit mit dem marokkanischen Sänger und Gembri-Spieler Youness Paco gelang Hammerling ein beeindruckendes genreübergreifendes Stück Weltmusik, das alpenländische Experimentalmusik mit orientalischen Klängen vereinte.

Liebe zum Dokumentarfilm

Zur selben Zeit entdeckte Rehling den Dokumentarfilm. Mit seiner damaligen Lebensgefährtin Gerburg Rosa Schwägerl verbrachte er mehrere Urlaube auf einem alten Hof im Vinschgau (Südtirol). In der Nachbarschaft begegnete ihnen der weit über 80-jährige Berghirte Ludi, der zum Protagonisten ihres ersten Dokumentarfilms „Ludi – Dokument eines Hirtenlebens“ wurde. Zwei weitere Filme mit den Titeln „Verwehter Glanz – Frau Emmi und das Alpenhotel Hochfinstermünz“ und „Versunkene Geschichten aus Bitov“ folgten. Die Musik zu den Filmen gestaltete Rehling mit den jeweils aktuellen Ensembles selbst. Neben Präsentationen auf verschiedenen Dokumentarfilm-Festivals gab es auch Ausstrahlungen im BR und auf 3Sat.

In der jüngeren Vergangenheit begleitete er nicht nur Theaterprojekte, sondern auch Lesungen bekannter Autoren und Schauspieler wie Gerd Anthoff, Monika Manz oder Bernhard Setzwein. Mit Udo Wachtveitl war er viele Jahren mit dessen Lesung „Mörderisches Bayern“ unterwegs.

Autobiographisches im aktuellen Bühnenprogramm

Seit einem Jahr ist Erwin Rehling mit dem Soloprogramm „Ois ned glong – eine Landjugend“ unterwegs. Darin erzählt er autobiografisch wahrhaftige Geschichten aus den sechziger und siebziger Jahren, aus seiner Heimat in Soyen, Wasserburg und Umgebung. Er erhielt dafür erstklassige Rezensionen in Rundfunk und Presse. Das Projekt erschien 2022 als Klangbuch beim Mandelbaum Verlag Wien/Berlin (www.mandelbaum.at), ebenso wie das Werk „Neues von Früher – Dorfgeschichten und widerspenstige Musik“ mit dem Multi-Instrumentalisten Pit Holzapfel.

Der heute 69-Jährige Erwin Rehling lebt mittlerweile seit einigen Jahren in der Nähe von Unterreit (Landkreis Mühldorf), nicht weit weg von seiner früheren Heimatgemeinde Soyen, der er sich bis heute verbunden fühlt. „Ich bin ein Bühnenmensch“ sagt er von sich selbst. In den über 45 Jahren seines Schaffens hat er sich fast alles selbst beigebracht, hat nie eine Akademie oder Kunsthochschule besucht. „Ich bin Autodidakt, das zieht sich durch mein ganzes Leben. Ich habe alles gelernt, indem ich es gemacht habe.“ Das meiste in Rehlings Arbeiten basiert auf Improvisation und entsteht nach langer Probenarbeit im Moment des Augenblicks. Das bleibt seine größte Herausforderung, der er sich immer wieder aufs Neue stellt. – mjv

„Ois ned glong – eine Landjugend“  als Solo-Programm am 18. November im Wasserburger Gimplkeller

Das neue Solo-Projekt von Erwin Rehling erzählt wahrhaftige Geschichten aus den sechziger und siebziger Jahren. Derb-fein im Dialekt, eigensinnig und genau; Momente zwischen Tragik und Komik. Die ländliche Idylle, die der gebürtige Soyener in der gleichnamigen Gemeinde erlebt hat, bröckelt!

„Ois ned glong“ kommt am Samtag, 18. November (20 Uhr), in den Gimplkeller nach Wasserburg. Kartenreservierungen sind ab sofort möglich unter der E-Mail: Gimplkellerreservierung@gmail.com.

Mehr zur Person von Erwin Rehling gibt es auch in einer Folge des Podcasts „Typisch Wasserburg“.

 

VON MICHAEL J.WAGNER