ZDF-Journalistin Nicola Albrecht bei der Volkshochschule Wasserburg zu Gast
Knapp sechs Jahre leitete sie das ZDF-Studio in Tel Aviv, hat in Israel gelebt und das Land und seine Menschen kennen und lieben gelernt. 2014, als sie mit ihrer Familie nach Israel gezogen sei, habe es schon einmal einen 50-tägigen Gaza-Krieg gegeben. Damals habe sie ihre Wohnungssuche in Tel Aviv unterbrechen müssen, weil sie wegen eines Raketenangriffs in den Schutzraum musste. Zum Thema „Mein Israel und ich“ referierte Nicola Albrecht jetzt bei der Volkshochschule Wasserburg.
In seiner Begrüßung freute sich der Vorstandsvorsitzende der VHS Wasserburg, Jürgen Schulan, sehr darüber, dass Nicola Albrecht der Einladung der VHS nach Wasserburg zu kommen, gefolgt sei. Und er freute sich über die große Resonanz, die die Vortragsankündigung nach sich zog. Denn der große Vortragssaal in der Akademie für Sozialverwaltung, war bis auf den letzten Platz besetzt. Und dann fing Nicola Albrecht auch schon an zu berichten, über ihr Leben im Nahen Osten, die Zeit, die sie dort verbracht habe, die Sehnsucht nach den Menschen dort. 2009 habe sie Israel und die angrenzenden arabischen Staaten kennen gelernt und ihre Zuneigung sei geblieben. Nach ihrem sechsjährigen Aufenthalt in Israel sei sie 2020 nach Berlin zurückgekehrt und leitet derzeit das ZDF-Studio in Potsdam.
Nicola Albrecht hat sich in die Lebensart der Menschen in der Levante verliebt, das spürt man deutlich, wenn sie über ihre Zeit im Nahen Osten spricht. Sie habe nicht nur Israel bereist, sondern auch Palästina, und zwar sowohl das Westjordanland, als auch den Gaza-Streifen. Darüber hinaus sei sie immer wieder im Libanon, in Jordanien, Ägypten und anderen arabischen Ländern gewesen.
Und sie schildert den sehr zahlreich erschienenen Besuchern in der Akademie der Sozialverwaltung, wie rat- und schlaflos es einen machen könne, wenn man eine Woche lang keinen Kontakt mehr zu den Freunden und Bekannten in Gaza mehr habe.
Sie habe Freundschaften geknüpft und doch wisse sie, dass der 7. Oktober 2023, der Tag, an dem die Hamas Israel überfallen hat, es hat über 200 Geiseln gegeben und an die 1.400 Israelis sind ums Leben gekommen, dass dieser Tag den gesamten Nahen Osten verändern werde. „Nichts wird wieder so sein können wie vorher“, erläutert Nicola Albrecht ihr Mitfühlen mit den Menschen in Israel. „1.400 tote Israelis, das heißt, dass jeder in Israel einen Toten kennt und fast jeder kennt einen Entführten“. Damit sei das, was wir gerade erleben, eine sehr traurige Erfahrung. Denn im Grunde, so Albrecht, habe wohl fast jeder Israeli ein Mitglied seiner erweiterten Familie verloren.
Was gibt ihr Hoffnung in dieser Situation? Das deutsche Beispiel, sagt Nicola Albrecht und meint damit die Tatsache, dass es nach 1948 David Ben Gurion und Konrad Adenauer gelungen sei, eine deutsch-israelische Freundschaft zu entwickeln. Denn 1945 hat wohl niemand glauben können, dass sich das Volk der Täter des Holocaust mit dem Volk der Opfer dieses Massenmordes jemals würde versöhnen können. Doch ob in Israel und bei seinen arabischen Nachbarn ein solcher Prozess möglich sein könnte, das stehe in den Sternen.
Dann berichtet sie von ihren Erfahrungen mit den Israelis. Menschen, die einerseits im Hier und Jetzt leben, die anderen Menschen freundlich begegnen, in höchstem Maße gastfreundlich seien und andererseits auch schroff sein können. Sie berichtet von einem Mann, der einmal in seiner kleinen Gaststätte den amtierenden israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu zu Gast hatte und dass dieser am Ende seines Besuches seine Rechnung nicht bezahlt habe. Und dieser Gastwirt habe in die ungläubigen Augen von Nicola Albrecht geschaut und gesagt: „Was erwartest Du? Er ist so!“ Und dann spricht sie von Israel als dem „Scheinheiligen Land“ und bringt damit die gesamte Widersprüchlichkeit der Gegenwart in Israel auf den Punkt: Herzlichkeit gegenüber den Menschen, Unbarmherzigkeit gegenüber der Hamas.
In ihrem Buch „Mein Israel und ich – Entlang der Road 90“ schildert sie mehrere dieser eigentümlichen Begegnungen, dass man sich im Jordan beim See Genezareth taufen lassen könne, so wie sich Jesus habe taufen lassen, dass dort die Touristen mit dem Boot auf den See gefahren würden und die Betreiber der Boote dann die jeweilige Nationalhymne der Länder intonierten, aus denen die Touristen kämen, was auch zu komischen Reaktionen führen könne.
„Wenn Sie dorthin reisen wollen“, ergänzt Albrecht dann, „planen Sie eine Nacht in einem Kibbuz!“ Die Menschen dort hätten einen besonderen Geist. Sie tanzten miteinander, egal, wo sie herkämen, welcher Religion sie folgten und welche Kultur sie geprägt habe. Es gebe dann einen wohl wichtigen Grundsatz für die Gesprächsthemen: „no religion, no politics“. So könne man dann eben auch in schwierigen Zeiten einen „Krieg auf der Tanzfläche“ vermeiden.
Sie habe die „Road 90“ bereist, jene Straße, die vom äußersten Norden Israels, von Metulla, geradlinig nach Süden verläuft, am See Genezareth vorbei, durch das Westjordanland führt, das Tote Meer passierend, auf die Halbinsel Sinaï zuläuft und an der Südspitze Israels, in Eilat, auf das Rote Meer trifft.
Immer wieder habe sie die Menschen nach ihrer Heimatverbundenheit befragt und sei sehr häufig auch auf kritische Stimmen zu Premierminister Netanjahu gestoßen. Er müsse um seine eigene Karriere kämpfen, habe es häufiger geheißen. Und: Israel sei ein sonnenverwöhntes Land, aber „wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten“.
Beduinen seien eine Minderheit im Heiligen Land und worüber stritten Beduinen miteinander? Natürlich über das Weideland, denn das sei gefragt. In einem Dorf im Jordantal habe sie einen Sheikh getroffen, jenen Mann, der einer kleinen Gruppe gläubiger Muslime beim Gebet vorsteht. Mit ihm hat sie über jene kleinen Steine gesprochen, die die Beduinen hier, an die Sträucher und Bäume als Grabsteine hängten. So könne man vielleicht nachvollziehen, warum sie ihre „Heimat“ nicht aufgeben wollten.
Auf seine teilweise abenteuerliche Fahrweise mit dem Auto und die Frage angesprochen, warum sie ohne Nummernschild fahren würden, habe der Sheikh geantwortet. „Wir haben keinen Führerschein, wir haben an den Autos kein Nummernschild und wir haben keinen Postkasten, wo das Strafmandat landen könnte.“ Diese Unbekümmertheit, verbunden mit großer Verbissenheit beim Durchsetzen politischer Ziele, sei eben auch Markenzeichen gerade der Palästinenser.
Abschließend beantwortete Nicola Albrecht noch Fragen aus dem Publikum. Dabei ging sie auch auf die Hamas ein, die für die palästinensische Seite die derzeitige Auseinandersetzung mit Israel anführt. 2006 sei die Hamas im Gaza-Streifen gewählt worden, das ist 17 Jahre her. Seither habe es keine EWahlen mehr gegeben. Heute seien allerdings 50% der Bevölkerung von Gaza jünger als 18 Jahre. Da sei es schwierig, über die Legitimität der Hamas im Gaza-Streifen nachzudenken. 2007 hätten Vertreter der Hamas ihre palästinensischen Konkurrenz von der „Fatah“ in der Art bekämpft, dass sie den Fatah-Leuten in die Knie geschossen und sie anschließend vom Dach gestoßen hätten.
Und sie erwähnte, dass die Vertreter der Hamas sich stets sehr gut informierten. Sie habe eine Zeit lang keine Einreiseerlaubnis nach Gaza bekommen, nachdem im ZDF von ihr Berichte über den Palästinenserkonflikt ausgestrahlt worden seien.
Und zum Abschluss wies Nicola Albrecht auf ein weiteres Dilemma des Nah-Ost-Konflikts hin: Die Palästinenser sind nicht unbedingt beliebt in der arabischen Welt. Die Staaten der arabischen Welt interessieren sich nicht unbedingt für den Palästinenserkonflikt, wohl auch deshalb, weil sie selbst vernünftige Beziehungen zu Israel erhalten wollten.
Schließlich sei ein entscheidender Punkt immer wieder das Wasser. Es ist ein kostbares Gut im Nahen Osten und ein immerwährender Streitfaktor. So würde Israel das Wasser abgreifen und in Flaschen teuer an Palästinenser verkaufen, was dann wiederum neue Konfliktherde schaffe.
Mit der Hoffnung, dass die kriegerischen Auseinandersetzungen zu einem Ende kommen mögen und die Lebenslust der Menschen obsiegen möge, endete dieser ausgesprochen spannende Einblick in den so aktuellen Nahostkonflikt.
PETER RINK
Absolut schrecklich was gerade im Gazastreifen und Israel passiert…!
Was mittlerweile alles als Antisemitisch eingeordnet wird, halte ich schon nahe einer Zensur….
Um alle vergangenen und den jetzigen Krieg zu verstehen muss man die komplette Geschichte der Entstehung des Staates Israel verinnerlichen.
Israel hat seit seiner Gründung mehr als 50% des Gebiets das für einen Palästinensichen Staat von der UNO festgelegt wurde, besetzt und/oder von radikalen Israelischen Siedlern bebauen lassen.
Die HAMAS ist ohne Zweifel terroristisch organisiert und hat schwere Verbrechen begangen.
Jedoch müssen auch die Verbrechen der Israelis auch untersucht werden…
Na, wenn Sie jetzt schon wissen, dass das Verbrechen sind, dann können wir uns die Untersuchung sparen, weil Sie vermutlich nur das akzeptieren werden, was Ihren Vorurteilen entspricht.
Danke für den Bericht, Herr Rink!
@ Josef K
Wenn 1 Mio. Menschen im Süden von GAZA vertrieben werden, ohne ihnen zu sagen, wo Sie hin sollen und ohne humanitäre Versorgung, dann ist das u.a. ein Kriegsverbrechen….
ca. 10.000 Palästinenser aus der Zivilbevölkerung sind bisher getötet worden, nicht gehört…?
Oder blenden Sie die Nachrichten von den Israelis aus….??
Würde die anderen Ländern nicht über Ägypten Wasser und Nahrungsmittel in den Süden des GAZA-Streifens einführen, würden viele der Menschen schlichtweg verhungern, so die Berichterstatter der WHO!
Antonio Guterres hat mit mit seiner Rede, was der Ursprung dieses Kriegs ist, den Nagel genau auf den Kopf getroffen.
Das einzige was langfristig einen Frieden in dieser Region erreichen kann, ist die 2-Staatenlösung
Es hat nichts mit dem Artikel zu tun, aber das was da in Israel und dem GAZA-Streifen abläuft ist extrem und schockierend zugleich.
Das Erdogan kein demokratisch gepolter Politiker ist, wissen wir von vielen seiner Taten und Reden.
Aber auch die israelische Regierung versucht gerade mit allen Mitteln, den Rechtsstaat abzuschaffen, durch die Entmachtung des Obersten Gerichtshof in Israel….!
Und wenn ich heute Herrn Schuster vom Zentralrat der Juden höre, dass Bundeskanzler Scholz viel deutlicher Edogan hätte kritisieren sollen, dann muss ich Fragen, was bildet sich dieser Mensch ein, was bildet sich der Zentralrat der Juden ein…?
Derzeit hat Deutschland sicher viele politische Probleme, aber wir brauchen wirklich keine Ratschläge vom Zentralrat der Juden, wenn es im eigenen Land – Israel – täglich zu schweren Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung kommt….!!!
@Bernhard F.
Juden sind nicht grundsätzlich israelische Staatsbürger. Die Juden, die in Deutschland wohnen sind meistens Deutsche und nicht für die Politik Israels verantwortlich.
Dass die Hamas am 7. Oktober 1400 israelische Zivilisten und auch Beduinen und Ausländer, die sich gerade in Israel aufhielten, ermordet, Frauen vergewaltigt und über 200 Menschen nach Gaza entführt haben, scheinen Sie vergessen zu haben.
Seit 7. Oktober fürchten sich deutsche Juden, die Zeitung „Jüdische Allgemeine“ wird inzwischen in einem neutralen Umschlag verschickt.
Danke für die Klarstellung.
Dr. Josef Schuster ist Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und nicht für die Politik Israels verantwortlich. Wenn der Erdogan die Hamas als Befreiungsbewegung bezeichnet und für die Vernichtung des Staates Israel ist, darf Schuster das kritisieren.
Hallo miteinander,
ich möchte nur kurz auf eine Formulierung von Bernhard F. Bezug nehmen.
(…wenn es im eigenen Land…]
Der Zentralrat und damit auch Herr Schuster sind die Vetreter der deutschen Juden und nicht der israelischen Regierung.
Herr Schuster ist also Deutscher.
„Sein Land“ ist Deutschland, wenn er also die Bundesregierung kritisiert, kritisiert er unserere, also auch seine Regierung.
@Akelei und BenNebbich
Das mag richtig sein, dass er Deutscher ist…, aber sie sprechen immer für die Juden in Europa und der Welt, auch schon bei früheren Antisemitischen Vorfällen.
Der Zentralrat der Juden legt sich die Dinge immer so zurecht, wie es am besten für sie passt…
Die Weltgemeinschaft hat kläglich versagt, den Staat Israel viel früher in die Schranken zu weisen…!
Wer schon mal im West Jordanland war,
weis welche Verbrechen dort an der Zivilbevölkerung begangen werden…
Was würden Sie bei tun, wenn ein Nachbar 55 % ihres Grund und Bodens besetzt, bebaut und sie davon vertreibt…?
Heute morgen kam die Meldung dass eine Israelische Ministerin vorgeschlagen hat, die 2 Mio. Palästinenser sollten
>> umgesiedelt werden in andere Länder <<
Natürlich nicht Israel gemeint.
Bezahlen sollte das die Internationale Gemeinschaft, also der Westen!
Man kann es auch einfach ausdrücken der Landraub seit 50 Jahren von den Israelis begangen wird soll von 55 % auf 100 % " aufgestockt werden…
was sagen Sie dazu….?