20 Jahre Arbeiten am Attler Hof - Ein Rückblick zum Jubiläum

Vor 20 Jahren kamen am neuen Hofstandort an der Attler Ortseinfahrt wieder Beschäftigte zum Einsatz. Damit stellte die Stiftung Attl die Weichen für eine nachhaltige Landwirtschaft, in der auch Menschen mit Beeinträchtigung dauerhaft eine wertvolle Arbeit finden: ein Alleinstellungsmerkmal in der Region. Am 6. Juli 2024 feiern die Landwirte von 11 – 16 Uhr auf dem Areal von Attler Hof und Attler Markt.

„Früher war die Landwirtschaft die Grundlage für die Versorgung des Klosters und der Bewohner der Stiftung Attl“, sagt Landwirtschaftsmeister Peter Steinmüller. Doch Ende der 1990er-Jahre stand die Zukunft des Attler Naturlandhofs auf der Kippe. Die Tiere waren verkauft und nur noch eine kleine Belegschaft kümmerte sich um die Nutzflächen.“ Es war nicht klar, ob sich eine Bewirtschaftung auch weiterhin rechnen würde. Doch ein Konzept, das Peter Steinmüller, der außerdem noch ausgebildeter Heilerziehungspfleger ist und damals auf einer Wohngruppe arbeitete, zusammen mit Wolfgang Böhm vom Fachdienst entwickelte, entwarf eine Zukunft des Attler Hofs: An einem neuen Standort sollte er auch weiterhin wichtige Arbeitsplätze für zwölf Menschen mit Beeinträchtigung bieten. Angeleitet werden sollten sie von Peter Steinmüller und Heilerziehungspfleger Hermann Kühn, der zudem eine Landwirtschaft im Nebenerwerb betreibt. „Der damalige Direktor Alfred Eiblmaier stammte selbst aus einem landwirtschaftlichen Betrieb und war zum Glück offen für unsere Vorschläge“, so Peter Steinmüller.

Hofbau mit viel Eigenleistung

Beim Neubau an der Attler Ortseinfahrt packten die Attler selbst mit an: In traditionellem bäuerlichen Baustil mit Unterstützung von den Mitgliedern des regionalen Maschinenrings entstanden das Wirtschaftsgebäude mit Appartements für Bewohnerinnen und Bewohner, Ställe für Rinder, Schweine und Hühner sowie das Backhaus. Der damalige Bereichsleiter Rainer Steidle aus der Attler Gärtnerei übernahm mehr oder weniger die Bauaufsicht. „Nur so konnten wir im geplanten Budget bleiben“, betont Steinmüller. Außerdem überlegte das Attler Team im Vorfeld genau, wie der Hof wirtschaften soll. „Wir wollten den bäuerlichen Betrieben in der Nachbarschaft keine Konkurrenz machen. Deswegen entschieden wir uns für eine Mutterkuhhaltung und eine direkte Fleischvermarktung über den Attler Markt.“ Als Hofladen dient dieser außerdem für Produkte wie Kartoffeln, Eier, Nudeln, Anzündholz und Kleintierheu.

Langsam zur heutigen Größe gewachsen

Mittlerweile ist der Attler Hof auf 25 Beschäftigte angewachsen, angeleitet von zehn Mitarbeitenden. „Das war zwar so nicht geplant, hat sich aber aus dem Bedarf ergeben. Es war ein gesundes Wachstum“, so Hermann Kühn.  Neue Arbeitsplätze entwickelten sich zum Beispiel im Brotbackhaus, in der Eierpackstelle, beim Brennholz und bei der Heuabpackung. Auch wurde die Obstpresse vom Gartenbauverein Attel-Roßhart schließlich ins eigene Angebot übernommen. Der Betrieb läuft von Ende August bis in den November hinein. „Mittlerweile ist der Attler Hof sehr breit aufgestellt und bietet vielfältige Arbeitsplätze“, so Peter Steinmüller. Denn mit jeder neuen Aufgabe seien auch neue Mitarbeiter und zusätzliche Aufgaben für die Beschäftigten hinzugekommen, die das Angebot bereichern. Wie die Kleingruppe von Mitarbeiterin Helga Wolf aus der Förderstätte. „Sie kam mit den Betreuten zunächst nur stundenweise zur Versorgung der Hühner. Mittlerweile ist die Gruppe im Attler Hof fest integriert.“

Aus der Zivildienststelle wurde ein Freiwilligendienst für ein ökologisches Jahr. Und seit 2005 bildet der Hof auch Lehrlinge aus. „Zu unserem ersten Auszubildenden haben wir immer noch Kontakt“, erinnert sich Hermann Kühn. Mit der Erweiterung des Teams ließen sich auch die Arbeiten am Hof besser verteilen. „Am Anfang gab es nur Peter Steinmüller und mich“, sagt Hermann Kühn. „Wenn jemand Urlaub hatte oder krank war, wurde es schon eng. Mittlerweile ist die Lage entspannter, da die Arbeiten auf mehrere Schultern verteilt sind.“

Das helfe auch an den Wochenenden, an denen zwar eine zuverlässige Aushilfe für die Landwirte einspringt. „Aber ganz ohne unseren Einsatz geht es dann doch nicht“, sagt Peter Steinmüller. Zudem wohnt er selbst in Attel und ist schnell da, wenn Not am Mann ist – ein Glücksfall für den Hof, wie beide Landwirte betonen. Ansonsten muss der Hofbetrieb in den Arbeitsalltag der Beschäftigten passen. Das unterscheide die Attler Naturlandhof am meisten von anderen Landwirtschaftsbetrieben in der Region. „Wir sind ein Betrieb mit regelmäßigen Arbeitszeiten – das kann sich sonst kein landwirtschaftlicher Betrieb leisten.“

Besonderheit in der Werkstättenwelt

Mit ihren Angeboten ergänzt die Attler Landwirtschaft positiv die herkömmlichen Arbeiten der Attler Inntal-Werkstätten. „Zu uns kommen Menschen mit einem hohen Bewegungsdrang, denen wir außerdem viel Abwechslung bieten können.“ Und natürlich werden die Menschen auf eine betriebsintegrierte Beschäftigung vorbereitet „Etwa ein bis zwei Personen pro Jahr können wir an Betriebe in der Region weitervermitteln“, betont Peter Steinmüller. Denn am Hof können die Beschäftigten zum Beispiel an besonderen Schulungen teilnehmen: etwa am Motorsägenkurs über die Waldbauernvereinigung. „Die Beschäftigten übernehmen mehr Verantwortung und wachsen mit den Aufgaben. Das sehen wir als unseren Auftrag.“

Mit den Angeboten ziehe der Betrieb zudem Menschen mit Assistenzbedarf an, die gezielt in der Landwirtschaft arbeiten wollen. „Die meisten anderen Einrichtungen haben ihren Landwirtschaftsbetrieb bereits aufgegeben. Es gibt nicht mehr sehr viele Arbeitsangebote für Menschen mit Beeinträchtigung in einem biozertifizierten Landwirtschaftsbetrieb. Damit haben wir ein Alleinstellungsmerkmal in der Region“, so Peter Steinmüller.

Gemeinschaft erleben und im Kreislauf der Natur arbeiten – das mache den Hof aus. „Die Leute arbeiten gern hier, weil er so bunt und vielfältig ist. Unser Team funktioniert vor allem deshalb, weil jeder auf jeden schaut, egal ob Mitarbeitender oder Beschäftigter.“

Ja zum Hof nach dem Stallbrand 2015

Ein Schicksalsjahr war 2015, als der Rinderstall komplett abbrannte. Damals stand der Attler Hof erneut vor einer strategischen Entscheidung. Lohnt sich ein Wiederaufbau? Es zeigte sich allerdings schnell, wie extrem wichtig die Tiere für die Bewohnerinnen und Bewohner in der Stiftung Attl sind. „Viele reagierten traumatisiert auf den Brand. Zum Glück entschieden sich die damaligen Vorstände Friedrich Seipel und Franz Hartl schnell für einen Wiederaufbau.“ Und mit dem neuen Rinderstall und der großen Standweide erfülle der Hof nun die neuen EU-Richtlinien. „Bei Bedarf könnten wir sogar noch eine zweite Außenweide schaffen“, so Hermann Kühn.

Miteinander und Wirtschaftlichkeit im Blick

Wie wichtig eine eigene Landwirtschaft wieder werden kann, zeigte zuletzt die Coronakrise. „Damals sollten wir prüfen, ob eine Selbstversorgung der Stiftung Attl durch Landwirtschaft und Gärtnerei möglich wäre“, so Peter Steinmüller. „Unser Fazit lautete: prinzipiell ja, auch wenn der Speiseplan dann natürlich in der Kantine anders aussehen würde als heute.“ Als Herausforderung sehen Hermann Kühn und Peter Steinmüller die weitere Vermarktung der Produkte. „Natürlich überlegen wir immer wieder, welche Angebote bei uns noch Sinn machen könnten.“ Hermann Kühn und Peter Steinmüller vertrauen darauf, dass sich der Betrieb wie bisher langsam weiterentwickelt. Und sehen gleichzeitig die Grenzen des Wachstums. „Etwa 30 Beschäftigte wären nach derzeitigem Stand die Obergrenze für uns. Das Wichtigste ist für uns, dass wir als Team stabil stehen.“

Birgit Schlinger

20 Jahre Attler Hof
Wann: 6. Juli 2024, 11 Uhr – 16 Uhr, nach dem Attler Lauf
Wo: Auf dem Gelände von Attler Markt und Hof
Mit Führungen, Infoständen und Schmankerl aus eigenem Anbau