Münchner Metropoltheater auf den Wasserburger Theatertagen mit höchst beeindruckendem Spiel und sehr eindringlicher Performance

So viele Zuschauer hatte das Theater Wasserburg wohl schon länger nicht mehr begrüßen dürfen. Die Organisatoren hatten zehn Kaffeehaustische mit knapp 50 Stühlen auf die Bühne gestellt und es war alles besetzt. Auch der Zuschauerbereich war vollkommen ausverkauft am gestrigen Abend. Das Münchner Metropoltheater war zu Gast bei den Wasserburger Theatertagen mit dem Stück „All das Schöne“. 

In dem Einpersonenstück geht es um Depressionen, Suizid und wofür es sich zu leben lohnt.

Die Mutter des siebenjährigen Philipp hat versucht sich das Leben zu nehmen. Wie soll man darauf reagieren?

In seiner Verzweiflung beginnt Philipp eine Liste anzulegen mit all den schönen Dingen im und am Leben. „Mein Ziel war, die Tausend zu schaffen“, sagt er. Und so schreibt er auf, damit seine Mutter wieder Freude am Leben finden kann. Er setzt sich selbst hohe Ziele: „Keine Wiederholung, die Sachen müssen wirklich großartig sein und nicht zu viele materielle Dinge.“

Die Rolle an diesem Abend spielt Philipp Moschitz, der seit annähernd 20 Jahren auf der Bühne und vor der Kamera steht, schon im Tatort mitgespielt hat und den Rosenheim-Cops. Philipp Moschitz macht sich dem Publikum bereits vor Beginn des Theaterabends bekannt und geht im Gastgarten des Theaters zu den Gästen, drückt ihnen Kärtchen in die Hand, auf denen „All das Schöne“ steht und er bittet die Anwesenden, während der Aufführung auf den Zuruf der jeweiligen Nummer mit dem dazu gehörigen Text zu antworten.

Philipp Moschitz beginnt den Theaterabend und ruft sehr bald die Nummer „Eins“ und ein Zuschauer ruft zurück „Eiscreme“. Und in diesem interaktiven Stil geht es weiter. Ein Zuschauer spielt seinen Vater, eine andere Zuschauerin übernimmt die Rolle der Psychologin. Moschitz setzt sein Publikum gezielt und geschickt ein und die Zuschauer mausern sich zu mehr als nur Komparsen. Sie sind unverzichtbarer Teil der Aufführung und sie spielen gut mit. Ein Spieler wird gebeten, ihn, den siebenjährigen Philipp zu spielen und immer nur mit der Frage „warum?“ zu antworten. Das macht Philipp Moschitz derart geschickt, dass man im Publikum spürt, hier geht jemand der Frage nach dem Sinn des Lebens auf den Grund. Philipps Hund Dolly muss eingeschläfert werden und so hat der kleine Philipp eine erste schreckliche Begegnung mit dem Tod.

Moschitz scheut auch das Risiko nicht, dass vielleicht der eine oder andere überraschte Zuschauer vielleicht etwas beiträgt, das nicht in sein Konzept passen könnte. Virtuos und spontan nutzt Moschitz alle Äußerungen und flicht sie in sein Spiel ein. Großartig gemacht und gespielt!

In einem Gespräch mit seinem Vater stellt sich die Frage: „Wenn man alles wüsste, wäre dann das Leben wohl nicht mehr lebenswert?“ Und er will sich eine Zukunft vorstellen, die besser sei als die Vergangenheit. Doch seine Mutter findet am Leben nichts, „wofür es sich zu leben lohnt“.

Und deshalb schreibt Philipp seine Kärtchen. „517: Mit jemandem so vertraut sein, dass man ihn nachgucken lässt, ob man Petersilienreste zwischen den Zähnen hat.“ Eigentlich wollte er bis 1000 kommen, doch dann geht es weiter: „253 263. Das Gefühl von Ruhe nach der Erkenntnis, dass es, obwohl man in der Patsche steckt, nichts gibt, was man dagegen ausrichten kann.“

Diese Liste, die er in Kartons verpackt, wird letztlich ein Dokument seines Lebens. Und er fügt Punkt für Punkt hinzu. „1006. Überraschungen.“ Er schreibt alles auf und trägt es in die Liste ein. Er wird älter, seine Mutter unternimmt einen zweiten Suizidversuch, er geht nach der Schule auf die Universität, er verliebt sich, heiratet einen Mann, trennt sich wieder. „4997. Geschenke, die man sich gewünscht hat, ohne es zu sagen“.

Im Grund hat Duncan Macmillan mit dem Stück „All das Schöne“ einen lebensbejahenden Monolog über das weiß Gott todernste Thema Depression geschrieben und Philipp Moschitz verkörpert diese Sehnsucht nach Lebensbejahung in einer perfekten, höchst ansprechenden Weise. Moschitz lässt das Publikum selbst zum Akteur der Lebensfreude und Lebensbejahung werden.

Sehr emotional, doch nie kitschig, führt Philipp Moschitz das Publikum durch diesen Abend. Er brilliert als Sänger, der über ein sehr gutes Sangesvermögen verfügt, er spielt Klavier und gibt auch kleine Tanzeinlagen. Er ist die ganze Zeit an diesem Abend in Bewegung. Und er führt seine Zuschauer durch ein Leben voller Höhen und Tiefen, mit all seinen Schattenseiten, all den Narben, die Leben hinterlässt, doch immer lebenswert bleibt. Und am Schluss spricht er seine Lebensphilosophie auch klar aus: „Es wird besser. Nicht unbedingt immer absolut schön. Aber besser. – 1000000.“

Der lang anhaltende Applaus mag es allen mitgeteilt haben: Hier haben die Wasserburger etwas ganz Besonderes miterleben dürfen, ein kleines Lehrstück, dass das Leben schön ist und schön sein kann, man muss es nur sehen und sehen können. Am Ende der Theatertage wird der Publikumspreis verliehen. „All das Schöne“ dürfte in der engeren Auswahl sein, wenn man Rückschlüsse auf das Ergebnis ziehen will, nachdem doch nicht wenige aus dem Publikum beim Hinausgehen ihre dreieckige Abstimmungskarte in die Wahlurne warfen.

 

PETER RINK / Fotos: Christian Flamm