Stellungnahme von Bürgermeister Wendrock zur Quecksilber-Belastung in Halle am Eckfeld
Seit fast neun Monaten wird über eine Sammelunterkunft für bis zu 500 Geflüchtete in einer leerstehenden Gewerbehalle in Rott diskutiert – wie mehrfach berichtet. Unabhängig von den inzwischen vielfach vorgetragenen Argumenten gegen diese Halle im Sinne einer „menschenunwürdigen Unterbringung auf so engem Raum“ von Seiten der Gemeinde und der Bürgerinitiative stand von Anfang an die Frage im Raum, ob die ehemalige Produktionshalle mit Schadstoffen, vor allem Quecksilber, belastet sei. Das Landratsamt Rosenheim hat deshalb im März 2024 ein Gutachten erstellen lassen.
Es war jetzt im Petitionsausschuss des Landtags ein Thema. Nach einer ersten Stellungnahme der Gemeinde und einer Antwort dazu vom Landratsamt am gestrigen Abend (wir berichteten) reagiert die Gemeinde heute Nachmittag mit einer umfangreichen Stellungnahme.
Zuletzt hatte das Innenministerium in diversen Schreiben an Rotter Bürgerinnen und Bürger davon gesprochen, dass das Missverhältnis der Zahl der unterzubringenden Personen zur Bevölkerungszahl des Ortes anerkannt würde und die Zahlen „deutlich reduziert“ würden, was sich augenscheinlich sowohl auf die angedachte Personenzahl in der Halle als auch auf mögliche Alternativ-Standorte bezog.
Der Rotter Bürgermeister Daniel Wendrock heute Nachmittag in einer Stellungnahme: „Die Bekanntgabe der Ergebnisse eines Gutachtens zu einer möglichen Quecksilber-Belastung der früheren Produktionshalle lässt dies womöglich in einem anderen Licht erscheinen. Demnach sind zwei von acht Räumen nicht nutzbar, weil die Quecksilber-Belastungen genau auf dem Grenzwert oder darüber liegen. Um welche Flächengröße es sich bei den beiden Räumen handelt, ist der Gemeinde noch nicht bekannt, doch die Reduzierung der Personenzahl dürfte sich vermutlich auch aus den nun bekannten Quecksilber-Belastungen ergeben haben.“
Nach eigener Aussage liegen dem Landratsamt Rosenheim seit vergangenen Freitag die Ergebnisse des Gutachtens zu einer möglichen Quecksilber-Belastung der Produktionshalle in Rott vor. Dieses besagt, dass in dem Gebäude die Quecksilber-Grenzwerte in einem Raum auf dem Grenzwert liegen und in einem weiteren Raum überschritten werden. Das Landratsamt Rosenheim argumentiert nun, dass „bei Menschen mit Amalgam-Zahnfüllungen beim Ausatmen Mittelwerte bis zum Sechzigfachen dieses Richtwerts gemessen“ würden.
Bürgermeister Wendrock betont heute im Namen der Gemeinde Rott, dies mit fachlicher Begleitung zu hinterfragen und bittet das Landratsamt um eine Zurverfügungstellung des Gutachtens. Über ihren Rechtsbeistand werde die Gemeinde zudem auch ganz formell Akteneinsicht beantragen.
Wendrock: „Zahlreiche Probleme bei der derzeitigen Immobilie“
Für den Rathauschef in Rott ist klar: „Ganz unabhängig von einer sich eventuell im erlaubten Rahmen bewegenden Schadstoff-Belastung: Selbst bei einer reduzierten Belegung mit bis zu 300 Personen bleiben die Unterbringungs-Bedingungen wohl weiterhin menschenunwürdig. Noch dazu, wenn die quecksilber-belasteten Räumlichkeiten nicht genutzt werden können, deren Größe wir bisher nicht kennen.“
Die geplante Erstaufnahme-Einrichtung für Geflüchtete in Rott hat etwa 3.000 Quadratmeter Grundfläche. Davon müssten Verkehrsflächen wie Gänge, Treppenhäuser, Aufzüge, Fluchtwege, Notausgänge sowie Flächen für Intrastruktur und technische Funktionsflächen abgezogen werden, sei sich die Gemeinde bewusst.
Eine gängige Faustregel zur Berechnung der „Wohnfläche“ eines Gebäudes sehe dafür etwa 20 Prozent der Grundfläche vor. Wendrock: „Bleiben 2.400 Quadratmeter Nutzfläche für die Schlafräume, aber auch für Gemeinschafts- und Aufenthaltsräume, Küchen, sanitäre Einrichtungen, Toiletten sowie für die Verwaltung, Administration, Security und so weiter. Die Flächen der beiden nicht zu nutzenden Räume sind nicht bekannt, reduzieren die zur Verfügung stehende Wohnfläche aber ebenfalls.“
Bis zu 300 Personen aus unterschiedlichen Herkunftsländern, Religionen und Kulturen, die oftmals von ihrer Flucht traumatisiert seien, auf engstem Raum und ohne jegliche Privatsphäre in nur bis zu sechs Räume zusammen zu fassen, führe unweigerlich zu Konflikten. „Erst recht, wenn es keine Möglichkeiten des Rückzugs, der Ablenkung und Erholung in der unmittelbaren Umgebung gibt, wie es in Rott der Fall ist“, so Wendrock.
In den Leitlinien des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren, für Sport und Integration vom 4. September 2020 zu Art, Größe und Ausstattung von Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber sei unter Punkt 1 – Individueller Wohnbereich (wozu Wohn- und Schlafräume zählen) – klar geregelt, wie dieser gestaltet sein müsse: „Pro vorgehaltenem Platz soll eine durchschnittliche Wohn-/ Schlafraumfläche von sieben Quadratmetern nicht unterschritten werden“ und „In einem Raum sollen in der Regelbelegung möglichst nicht mehr als vier Personen untergebracht werden.“ Dies widerspreche klar dem geplanten Unterbringungs-Konzept des Landratsamts Rosenheim, so der Bürgermeister weiter. Die Gemeinde Rott und er selbst hätten wiederholt auf diese Probleme mit der in ihren Augen ungeeigneten Immobilie verwiesen.
„Infrastrukturelle Folgeprobleme“
Zudem gebe es am Ort keinerlei angemessene Infrastruktur für eine Sammelunterkunft wie etwa Ärzte oder Einkaufsmöglichkeiten, keine Grün- und Sportflächen oder Spielmöglichkeiten für die Kinder im Umfeld der Halle. Polizei und Rettungskräfte seien in erheblicher Entfernung.
Nicht zuletzt seien auch die Trink- und Abwasser-Kapazitäten am Ort bereits jetzt weitgehend ausgelastet. Noch bestehende und durch eine angedachte Brunnensanierung möglicherweise zu schaffende Kapazitäten würden für ein Baugebiet, dessen Planungen weiter fortgeschritten sind, benötigt.
Für das Neubaugebiet, das derzeit in der Entwicklung sei, sollte das Bauleitplanverfahren Anfang bis Mitte 2025 abgeschlossen sein. Wirtschaftlich sei die extrem verschuldete Gemeinde Rott (durch den Schulhaus-Neubau) auf die Einnahmen aus dem Verkauf der Grundstücke im geplanten Neubaugebiet innerhalb der nächsten zwei Jahre existenziell angewiesen.
Rott signalisiert Gesprächs-Bereitschaft mit Forderungen an die Politik
Die Gemeinde werde ihre Positionen in Abhängigkeit von den jeweiligen Entwicklungen stets neu hinterfragen, ihre kritisch-konstruktive Haltung jedoch aufrecht erhalten. „Die Gesprächskanäle zum Landratsamt und den anderen beteiligten Behörden müssen offen bleiben“, betont der Bürgermeister Daniel Wendrock. Dass diese Haltung auch von außen gewürdigt werde, hätten zum Beispiel die jüngsten Äußerungen des Landtagsabgeordneten der Freien Wähler, Sepp Lausch ergeben.
Wendrock richtet heute seine Forderungen aber auch an die „große Politik“: Der Freistaat Bayern müsse endlich eine gesetzliche Regelung zur paritätischen Verteilung der Geflüchteten auf Gemeindeebene schaffen. Dass eine selbsterfüllende, gerechte Verteilung durch die Landratsämter nicht gelinge, das zeige der Rotter Fall.
Foto: Renate Drax