Professor Clemens Fuest, der Präsident des Münchner ifo-Instituts, referierte in Rosenheim

Professor Clemens Fuest, der Präsident des Münchner ifo-Instituts, beleuchtete jetzt an der Hochschule in Rosenheim die wirtschaftliche Lage und die Zukunfts-Aussichten in Deutschland. In der Reihe „Unternehmen und Hochschule“ vor etwa 250 Besuchern …

Zu der Veranstaltung eingeladen hatte die regionale Wirtschaftsvereinigung Seeoner Kreis.

Der Krieg in der Ukraine hat nach Fuests Worten die Wirtschaft in Europa und insbesondere in Deutschland hart getroffen. Vor allem in der Investitionsgüter-Industrie sei es zu einem starken Rückgang gekommen, die Erholung erfolge nur langsam. „Immerhin ist der Inflationsschock weitgehend überstanden und die Zinsen sinken, zudem steigen die Löhne. Das Problem ist, dass die Konjunktur in Deutschland davon kaum profitiert, weil die Leute in unruhigen Zeiten ihr Geld zusammenhalten“, so Fuest.

Auch die Unternehmens-Investitionen seien 2024 bislang niedriger als 2019, „wir sprechen also von fünf verlorenen Jahren“.

Als großes Problem identifizierte Fuest den insgesamt schlechten Zustand der öffentlichen Infrastruktur in Deutschland. Welche negativen Auswirkungen dies auf die Wirtschaft habe, veranschaulichte er am Beispiel einer jahrelang gesperrten Autobahnbrücke auf der A45 bei Lüdenscheidt. „Wir haben ausgerechnet, dass es dadurch etwa zwei Prozent weniger Beschäftigung im umliegenden Landkreis gibt und den Unternehmen circa 50 Millionen Euro pro Jahr durch die Lappen gehen“, so der Wirtschaftsexperte. Er sprach sich daher für ein neues, kredit-finanziertes Sondervermögen für den Ausbau der Infrastruktur aus.

„Die Frage ist: Wie stellen wir uns auf den Klimawandel ein?“

Enorme Anstrengungen seien laut Fuest auch bei der Dekarbonisierung der Industrie und der Anpassung Deutschlands an den Klimawandel vonnöten. In den vergangenen 30 Jahren habe man den Ausstoß von CO2 um etwa 22 Prozent reduzieren können. „Bis 2045 soll das Land klimaneutral werden. Man will also die restlichen 78 Prozent in 20 Jahren schaffen. Ich kenne niemanden, der das auch nur annähernd für realistisch hält“, betonte Fuest.

Die Klimaerwärmung werde also unweigerlich kommen. Fuets: „Die große Frage ist, wie wir uns darauf einstellen, zum Beispiel in den Bereichen Hochwasserschutz, Landwirtschaft und Gesundheit?“

In diesem Zusammenhang plädierte Fuest für Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit in der Politik. „Man muss den Leuten sagen, dass da eine gewaltige Aufgabe auf die Gesellschaft zukommt. Dass wir viel investieren und arbeiten müssen, ohne daraus mehr Wohlstand zu generieren. Das wird eine anstrengende Angelegenheit“, sagte der Ökonom. Die Vergangenheit habe aber auch gezeigt, dass Wachstum ohne steigende CO2-Emmissionen möglich sei. Fuest: „Wir müssen die technologischen Möglichkeiten dafür allerdings optimal ausschöpfen und dürfen nicht stur an Altbewährtem festhalten“.

USA und China in der Spitzentechnologie enteilt

Genau dies sei allerdings ein Problem, wenn man sich die weltweiten Ausgaben für Forschung und Entwicklung ansehe. „Europa verliert hier den Anschluss im Vergleich mit den USA und China, das muss man deutlich sagen. Nach Fuests Ansicht ist die Konzentration auf die Automobilindustrie vor allem in Deutschland ein Fehler. „Wir reden hier von Mitteltechnologie, in der es zuerst darum geht, Dinge immer weiter zu verbessern. In der Spitzentechnologie hingegen werden bahnbrechende Neuerungen auf den Weg gebracht“, erläuterte Fuest. Das Erfinden sei für Europa weitgehend vorbei, der Vorsprung der USA und von China zu groß. „Unsere Chancen liegen darin, die Anwendungsmöglichkeiten neuer Technologien zu erforschen und zu erproben.“ Dies mache beispielsweise Schweden seit vielen Jahren sehr erfolgreich.

Die Frage, wie Deutschland seine Zukunft erfolgreich gestalten könne, beantwortete Fuest wie folgt:

„Wir brauchen viel weniger Bürokratie und eine deutlich bessere Infrastruktur. Vor allem für unseren starken Mittelstand, der weltweit fast die Hälfte der sogenannten Hidden Champions ausmacht. Dazu müssen wir den Arbeitsmarkt stärken, zum Beispiel durch umfangreiche Investitionen in die Bildung und eine gesteuerte Zuwanderung. In der Technologie-Politik geht es um eine Agenda für Forschung, Innovationen und Start-Ups. Vor allem aber benötigen wir einen Optimismus, der nicht auf Selbstzufriedenheit beruht, sondern der zu Veränderungs-Bereitschaft führt. Nach dem Motto: Es läuft derzeit nicht gut, aber wir haben einen durchdachten Plan und packen es gemeinsam an.“

An den Vortrag schloss sich eine Podiumsdiskussion an, bei der die Sichtweisen und Erfahrungen regionaler Unternehmen und der Hochschule im Vordergrund standen. Es nahmen teil

der CEO von Marc O’Polo Maximilian Böck,

Claudia Küchen aus dem Vorstand der Schattdecor SE,

der CEO der ODU GmbH Dr. Hemmer Spelsberg und

Professor Heinrich Köster, Präsident der TH Rosenheim.

Foto: Hochschule Rosenheim / Anton Maier