Schöffengericht in Rosenheim verhandelt aktuell gegen einen Mann aus der Nähe von Rott

Er ist 54 Jahre alt, wohnt in der Nähe von Rott und soll seinen eigenen, seinerzeit vier Jahre alten, Sohn sexuell missbraucht haben. Bei einer Hausdurchsuchung in seiner Wohnung fielen im Oktober 2021 der Polizei dann zwei Mobiltelefone in die Hände, auf denen zahlreiche Dateien gesichert wurden, in denen eindeutig kinderpornographische Inhalte zu sehen waren. Den 54-Jährigen hatte seinerzeit seine Frau wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt und sich anschließend von ihm getrennt. Um diesen Missbrauch ging es aber dieser Tage gar nicht vor dem Amtsgericht Rosenheim, sondern um den Besitz der kinderpornographischen Schriften, die der Angeklagte auf seinem Mobiltelefon gespeichert haben soll. Seinen Verteidiger hatte der Angeklagte in Schorndorf am Ammersee angeheuert.

Warum das Verfahren erst jetzt, also knapp drei Jahre nach den Vorfällen und der Entdeckung der kinderpornographischen Dateien, eröffnet worden ist, wurde vor Gericht nicht erörtert. Die Frage des sexuellen Missbrauchs am eigenen Sohn wurde in einem anderen Verfahren, über das es in diesem Prozess nicht geht, verhandelt.

Der Anwalt des Angeklagten bestand auf einem Experten für digitale Speichermedien. Das Gericht hatte deshalb eigens einen Sachverständigen für digitale Speichermedien bestellt, und zwar den Dorfener Immo Bornhagen. Doch die Verteidigung wollte ihren eigenen Computerexperten. Ein Mann aus München, der vor Gericht einen etwas unsicheren Eindruck hinterließ – er setzte sich auf den Stuhl des gerichtlichen Gutachters, wurde zurecht gewiesen und wollte sich dann gleich mal auf den Stuhl des Staatsanwaltes setzen, was ihm ebenfalls verwehrt wurde.

Die Dateien, die die Polizei auf den beiden Mobiltelefonen des Angeklagten gefunden hatte, zeigten nach Aussage der ermittelnden Beamten und des vom Gericht bestellten Sachverständigen eindeutig, dass es sich um kinder- und jugendpornographische Darstellungen handelt. So sei beispielsweise ein vierjähriges Mädchen zu sehen, das eindeutig sexuelle Handlungen mit einem erwachsenem Mann verrichten müsse. Auf den beiden Mobiltelefonen des Angeklagten habe die Polizei zahlreiche Dateien gefunden, die einen kinder- oder jugendpornographischen Inhalt aufwiesen.

Richterin Isabella Hubert versuchte am ersten Verhandlungstag immer wieder, den von der Verteidigung hinzugezogenen Sachverständigen auf die bei Gericht üblichen Verfahrensabläufe hinzuweisen, doch zunächst ohne durchschlagenden Erfolg. Immer wieder fiel er anderen ins Wort, weil er zum Verfahren aus seiner Sicht etwas Wichtiges beitragen wollte. Und die Richterin wies ihn auch mehrfach darauf hin, dass er nicht als Gutachter bestellt sei, sondern dass die Verteidigung ihn als Computerexperten beigezogen habe. Deshalb komme er, so leid es ihr tue, immer erst am Schluss der Befragung zu Wort, „also nach den Schöffen, dem Gutachter, dem Staatsanwalt und dem Verteidiger“.

Der Angeklagte schweigt

Am ersten Verhandlungstag, der immerhin knappe fünf Stunden andauerte, sagte der Angeklagte gar nichts. Sogar seine Personalien wurden nur vom Verteidiger bestätigt und nicht von ihm selbst. Das Schweigen wurde an diesem Verhandlungstag vom Angeklagten nicht gebrochen. Dafür sprach der beigezogene Computerexperte um so mehr. Er hatte, im Gegensatz zum bestellten Sachverständigen, auch seinen Beamer dabei, damit alles, worüber er hinsichtlich der Computerdateien sprechen wollte, auch allen Beteiligten des Gerichts vorgeführt werden konnte.

Der gerichtlich bestellte Sachverständige Immo Bornhagen gab zu Protokoll, dass auf den beiden Mobiltelefonen des Angeklagten insgesamt 1.195 kinderpornographische Bilder gefunden worden seien, daneben 385 jugendpornographische Bilddateien und 11 Videos mit kinder- und jugendpornographischem Inhalt. Der Sachverständige betonte dabei, dass das offensichtliche Interesse weiblichen Kindern (ab vier Jahren) in aufreizender Pose gegolten habe. Der Gutachter ergänzte aber auch, dass er bei der Untersuchung der Mobiltelefone viele weitere Bilddateien gefunden habe, die die Polizei bei ihrer Untersuchung nicht gefunden hätte. Und er betonte, dass keine Datei auf einem Mobiltelefon gespeichert werden könne, ohne dass die dazugehörige Website aktiv angesurft worden sei. In seinem, knapp einstündigen Vortrag stellte er eingehend dar: „Man kann keine Datei aus Versehen herunterladen, ohne zu wissen, um welche Datei es sich handelt.“

Das sah der Experte der Verteidigung ganz anders. Sein Vortrag, an dessen Ende die Richterin eine kurze Pause anberaumte, gipfelte in der These, dass die kinderpornographischen Dateien ohne Wissen des Angeklagten auf das Mobiltelefon gelangt sein können. Anschließend sagte er noch, dass es sich bei den minderjährigen weiblichen Kindern teilweise um Asiatinnen handele, die auch im Erwachsenenalter aussähen wie Kinder. Und der Verteidiger ergänzte, dass die gefundenen Dateien keinen Besitz an den Dateien bewiesen. Er ergänzte noch, dass die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht habe, der den Besitz von kinderpornographischen Dateien künftig nicht mehr als Verbrechen, sondern als Vergehen behandelt wissen wolle.

Diesen Einwand ließ Richterin Hubert aber nicht gelten: Der Gesetzesentwurf sei erstens noch gar nicht beschlossen, sondern habe bislang erst die erste Lesung passiert und der Hintergrund für die Anpassung sei einer, der mit diesem Verfahren auch gar nichts zu tun habe: Betroffene Eltern und Lehrkräfte an Schulen kämen wiederholt in die Verlegenheit, sich mit kinderpornographischen Dateien beschäftigen zu müssen, weil Schülerinnen und Schüler solche Dateien besäßen und untereinander austauschten. Um die ginge es bei dem neuen Gesetz.

Schließlich beantragte die Verteidigung, dass das Gericht beschließen möge, die kinderpornographischen Dateien nicht als Beweismittel zuzulassen, weil zum Beispiel die Videodateien erst während der Hausdurchsuchung gespeichert worden seien.
Diesen Antrag lehnte das Gericht ab.

Kinderpornographische Inhalte fielen sofort auf

Am zweiten Verhandlungstag vernahm das Gericht zwei Polizeibeamte, die bei der Hausdurchsuchung beim Angeklagten anwesend waren. Ein Beamter sagte aus, dass er das Handy des Angeklagten sichergestellt habe und erst im Präsidium gesichtet und dann in den Flugmodus versetzt habe. Dabei sei ihm eine Vielzahl geöffneter Tabs mit kinderpornographischem Material aufgefallen und seine Kollegin bestätigte anschließend diese Einschätzung, nämlich, dass ihr sofort die zahlreichen kinderpornographischen Dateien aufgefallen seien.

Auch an diesem zweiten Verhandlungstage argumentierte die Verteidigung dahingehend, dass die zeitliche Zuordnung der Dateien nicht immer zweifelsfrei stimmig sei und deshalb das gesamte Material nicht beweiskräftig sein dürfe. Und so stellte die Verteidigung auch einen weiteren Beweisantrag, nämlich den, dass die Zahl und der Inhalt der Browsertabs sich so häufig verändert hätten, dass sie nicht mehr beweiskräftig seien. Und Verteidiger Dr. Minar ergänzte, den Staatsanwalt ansprechend: „Sie müssen beweisen, dass mein Mandant dies zweifelsfrei getan hat.“

Staatsanwalt Wolfgang Fiedler konnte eine gewisse Verärgerung nicht ganz verbergen. Er entgegnete: „Nein Herr Kollege, das Gericht muss überzeugt werden.“ Die Hauptfrage sei doch, ob sich so viele kinderpornographische Dateien öffnen könnten, ohne dass der Besitzer des Mobiltelefons davon Kenntnis habe.

An dieser Stelle griff Richterin Hubert ein und sagte nur, dass der Angeklagte sich sorgfältig überlegen müsse, ob die Taktik der Verteidigung zu seinem Besten sei, denn eine Bewährungsstrafe sei wohl nach Lage der Dinge nur denkbar, wenn der Angeklagte mit dem Gericht kooperiere, im Moment sei wohl kaum eine Bewährung drin.

Staatsanwalt Fiedler kündigte eine zusätzliche Klageschrift an und Richterin Hubert wollte noch in dieser Woche mit der Verhandlung fortfahren, was die Verteidigung aber nicht akzeptierte. Da die Verteidigung erst nach Studium der zusätzlichen Klageschrift weiter verhandeln will, steht nunmehr zu befürchten, dass der gesamte Prozess neu aufgerollt werden muss, da zwischen zwei Verhandlungstagen nicht mehr als 21 Tage vergehen dürfen.

Es bleibt also abzuwarten, wie es vor dem Schöffengericht in Rosenheim weitergeht. Was allerdings auffiel, war die Tatsache, dass es um eigentliche die Straftat so gut wie kaum vor dem Gericht ging, sondern es standen nur die detaillierten Feinheiten der digitalen Aufbereitung solcher Dateien im Mittelpunkt der Verhandlung. Man darf also gespannt sein, wie sich das Verfahren weiter entwickelt.

Wir berichten weiter …

RP