Tödliche Schleuserfahrt auf der A94 in Ampfing: Staatsanwaltschaft Traunstein erhebt weitere Anklage
Die Staatsanwaltschaft Traunstein hat nach umfangreichen Ermittlungen mit der gemeinsamen Ermittlungsgruppe „EG-Van“, bestehend aus Beamten von Landes- und Bundespolizei, nun Anklage zum Schwurgericht des Landgerichts Traunstein gegen den mittlerweile 25-jährigen staatenlosen Mann erhoben, der weiterhin dringend verdächtig ist, den tödlichen Schleuserunfall vom 13. Oktober auf der Bundesautobahn A94 in Ampfing als Fahrer durch äußerst riskante Fahrweise mit einem Kleinbus verschuldet zu haben. Bei dem Unfall verloren sieben Personen ihr Leben.
Eine Person wurde so schwer verletzt, dass sie sich immer noch in Lebensgefahr befindet. 14 Personen erlitten schwere oder mittelschwere Verletzungen. Die Tatvorwürfe lauten insbesondere auf Mord und Einschleusen von Ausländern mit Todesfolge, jeweils in sieben Fällen, versuchter Mord, versuchtes Einschleusen von Ausländern mit Todesfolge und gefährliche Körperverletzung, jeweils in 15 Fällen, davon in einem Fall auch schwere Körperverletzung, und verbotenes Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge.
Erst vor ein paar Tagen war Anklage gegen drei so genannte Scouts erhoben worden, die die Schleusefhart begleitet hatten (wir berichteten). Jetzt geht um den Fahrer des Todestransporters.
Die Auswertung der Telefondaten und umfangreiche weitere komplexe Ermittlungen haben ergeben, dass der Angeschuldigte zudem verdächtig ist, im September vergangenen Jahres drei Schleusungsfahrten mit insgesamt weiteren 46 Geschleusten durchgeführt zu haben. Dabei soll er die geschleusten Personen jeweils einer das Leben gefährdenden Behandlung ausgesetzt haben. Die Anklage erstreckt sich auch auf diese weiteren Fahrten. Sowohl der Angeschuldigte als auch die drei ermittelten mutmaßlichen Scout-Fahrer, die gesondert wegen Einschleusens mit Todesfolge angeklagt wurden befinden sich in Untersuchungshaft.
Die Staatsanwaltschaft Traunstein geht in der Anklage von folgendem, vor Gericht noch zu beweisendem Sachverhalt aus:
Im September 2023 schleuste der Angeschuldigte in drei gesonderten Fällen als Fahrer unterschiedlicher Kraftfahrzeuge insgesamt 15 syrische, fünf türkische und 26 weitere nicht näher bekannte Drittstaatsangehörige über den Grenzübergang Kirchdorf am Inn von Traiskirchen in Österreich nach Deutschland ein. Dort setzte er die Personen, die, was ihm bekannt war, nicht im Besitz der für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Aufenthaltserlaubnis waren, in Feldkirchen bei München ab.
Bei allen drei Fahrten bestanden für die geschleusten Personen keine ausreichenden Sitzmöglichkeiten, sodass sich diese nicht anschnallen konnten. Obwohl der Angeschuldigte dies wusste, nutzte er bei seinen Fahrten auf österreichischen Autobahnen die dort erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h zumindest phasenweise aus. Im Falle einer Vollbremsung oder eines Unfalls hätten die transportierten Personen aufgrund der fehlenden Sicherung lebensgefährliche Verletzungen erlitten. Für die Durchführung der drei Schleusungsfahrten erhielt der Angeschuldigte insgesamt mindestens 14.200 Euro.
Am 13. Oktober vergangenen Jahres schleuste der Angeschuldigte gegen 3 Uhr morgens als Fahrer eines Kleinbusses, in dem nur neun Personen sicher transportiert werden können, von Österreich kommend 22 Menschen mit türkischer oder syrischer Staatsangehörigkeit über den Grenzübergang Burghausen in das Bundesgebiet ein. Der Angeschuldigte wusste, dass die 22 völlig ungesichert im Innenraum des Fahrzeugs befindlichen Menschen nicht im Besitz der für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet notwendigen Aufenthaltserlaubnis waren. Gemäß dem zuvor gemeinsam gefassten Tatplan ließ sich der Angeschuldigte bei der Fahrt von drei „Scoutfahrern“, die von der Staatsanwaltschaft Traunstein bereits gesondert angeklagt wurden, begleiten.
Diese fuhren mit einem BMW 520d vor dem Kleinbus, um ihn über mögliche Polizeikontrollen zu informieren.Als der Angeschuldigte feststellte, dass zwei Beamte der Bundespolizei in einem zivilen Dienstfahrzeug auf ihn aufmerksam geworden waren, telefonierte er mit den drei „Scoutfahrern“. Aufgrund dieses Telefonats ignorierte er die polizeilichen Anhaltesignale und beschleunigte den Kleinbus bei seiner Fahrt auf der Bundesautobahn A94 auf sehr hohe Geschwindigkeiten bis zu 180 km/h, um sich mit äußerst riskanter Fahrweise der Polizeikontrolle zu entziehen.
Die beiden Polizeibeamten folgten dem Kleinbus mit einem Abstand, der zwischen 100 und 200 Metern variierte, und mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn.
Unmittelbar nachdem der Angeschuldigte einen Lkw überholt hatte, zog er den Kleinbus kurz vor der Ausfahrt Waldkraiburg/Ampfing auf die Ausfahrtspur und wollte die Autobahn mit zirka 150 km/h verlassen. Bei der Einfahrt in die dortige Rechtskurve kam er aufgrund der überhöhten Geschwindigkeit nach links von der Fahrbahn ab. Der Kleinbus durchbrach die Leitplanke, überschlug sich und schleuderte weiter, bevor er auf dem Dach liegend zum Stillstand kam.
Bei dem vom Angeschuldigten verschuldeten Unfall wurden sieben der geschleusten Personen tödlich verletzt, darunter ein sechsjähriges Kind. Die weiteren Personen im Fahrzeug wurden schwer oder mittelschwer verletzt. Ein Geschädigter erlitt einen bleibenden Hirnschaden, welcher ihm jegliche Form der Kommunikation und Fortbewegung unmöglich macht. Er ist nicht ansprechbar und wird intensivmedizinisch versorgt. Der mit einem Sicherheitsgurt geschützte Angeschuldigte zog sich selbst nur einen Armbruch und Prellungen zu. Für die Tatbegehung sollte der Angeschuldigte einen nicht näher bekannten Vermögensvorteil erhalten.
Bei der strafrechtlichen Bewertung des Verhaltens des Angeschuldigten geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass er sich des Mordes und des Einschleusens von Ausländern mit Todesfolge, jeweils in sieben Fällen, des versuchten Mordes, des versuchten Einschleusens von Ausländern mit Todesfolge und der gefährlichen Körperverletzung, jeweils in 15 Fällen, davon in einem Fall auch der schwereren Körperverletzung, und des verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge schuldig gemacht hat. Hinsichtlich der drei weiteren Schleusungsfahrten wird dem Angeschuldigten jeweils gewerbsmäßiges und gefährliches Einschleusen von Ausländern zur Last gelegt.
Staatsanwalt als Gruppenleiter Markus Andrä, der die Ermittlungen gegen den Angeschuldigten geleitet und koordiniert hat:
„Die Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaft Traunstein mit der gemeinsamen Ermittlungsgruppe „EG-Van“, bestehend aus Beamten von Landes- und Bundespolizei, hat sehr gut funktioniert und die effektive Aufklärung und Verfolgung dieses schrecklichen Unfalls mit vielen Toten und der drei weiteren Schleusungsfahrten, für die der Angeschuldigte verantwortlich sein soll, ermöglicht. Leider haben die Fälle, in denen 15 bis 25 Personen ungesichert in Kleintransportern eingeschleust werden, stark zugenommen. Die Täter werden immer menschenverachtender und rücksichtsloser. Es häufen sich Fluchten vor Polizeikontrollen mit hochgefährlichen Fahrweisen oder mit Rammen von Polizeiautos oder Zufahren auf Polizeibeamte. Wir gehen gegen die Schleuser und ihre Hintermänner weiterhin sehr konsequent vor. Wir wollen so Menschenleben schützen und Straftätern das Handwerk legen.“
Über die Eröffnung des Hauptverfahrens und damit über die mögliche Terminierung einer Hauptverhandlung hat das Landgericht Traunstein – Schwurgericht – zu entscheiden.
Foto: Georg Barth
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