Sammelunterkunft: Landratsamt erteilt weiteren Gesprächen über Alternativflächen Absage

Es war eine kurzfristig einberufene Sondersitzung am gestrigen Donnerstag-Abend im Rathaus von Rott, die so rein gar nichts mit Ferien-Stimmung oder einer ansatzweisen Fröhlichkeit zu tun hatte. Ganz im Gegenteil: Rott ist aufgebracht – die Räte aller Fraktionen und Bürgermeister Daniel Wendrock sind stocksauer und enttäuscht. Voll besetzt der Saal mit Rotter Bürgern und ernsten Gesichtern (Foto). Immer wieder wurden die Beiträge der Gemeindeverwaltung und der Räte von starkem Applaus begleitet …

Es geht – wie seit Monaten – um die geplante Sammelunterkunft für Flüchtlinge. Der größte, ganz aktuelle Stein des Anstoßes: Das Landratsamt Rosenheim hat weiteren Gesprächen über Alternativflächen für eine Unterkunft mit der Gemeinde Rott – unter Hinweis auf deren fehlende Wirtschaftlichkeit – in einem jüngsten Schreiben an den Bürgermeister eine Absage erteilt …

Foto: Renate Drax

Seit der Sitzung des Petitionsausschusses des Bayerischen Landtags vor wenigen Wochen ist eine gutachterlich festgestellte Quecksilber-Belastung in der geplanten Flüchtlings-Sammelunterkunft des Freistaates Bayern am Eckfeld in Rott bekannt (wir berichteten). Dadurch verringere sich die laut Bauantrag zur Verfügung stehende Nutzfläche erheblich, hieß es gestern in der Sitzung.

Eine veranlasste Plausibilitäts-Prüfung der Messwerte durch ein Fachbüro im Auftrag der Gemeinde habe jetzt zumindest Zweifel an einer korrekten Umsetzung aufkommen lassen, hieß es gestern in der Gemeinderats-Sitzung.

Rott fordert jetzt deshalb ein neutrales Zweitgutachten unter fachlicher Beteiligung der Gemeinde – einstimmig wurde dieser Beschluss gestern gefasst.

Das geplante Unterbringungskonzept des Landratsamtes unterschreite die vom Bayerischen Innenministerium behördlich als Mindeststandard empfohlene durchschnittliche Wohn-/ Schlafraumfläche von sieben Quadratmetern pro Person und eine Regelbelegung von nicht mehr als vier Personen pro Raum deutlich. Nicht nur für die Rotter Bürgerschaft sei das menschenunwürdig …

Das Landratsamt Rosenheim hat unterdessen die von der Gemeinde Rott eigens angebotenen alternativen Grundstücke, auf denen eine entsprechend adäquate Infrastruktur zur Unterbringung Geflüchteter hätte errichtet werden können, nun aktuell – per E-Mail – nach Monaten aufreibender, langwieriger Verhandlung (wie es gestern deutlich hieß) aus Kostengründen abgelehnt und weiteren Gesprächen dazu eine Absage erteilt.

Da Quecksilber stark gesundheitsgefährdend ist und ein begründeter Verdacht bestand, hatten die Gemeinde und die Bürgerinitiative „Rott rottiert“ bereits seit Herbst 2023 wiederholt ein Gutachten gefordert, das auf dieses Drängen hin schließlich im März 2024 erstellt wurde. Trotz mehrfacher Nachfrage der Gemeinde beim Landratsamt wurde wiederholt erklärt, es lägen noch keine Ergebnisse vor. Erst am Rande einer Sitzung des Bayerischen Landtages am 10. Juli habe die Gemeinde schließlich die Messergebnisse erfahren, so der Rotter Bürgermeister gestern. In einem Raum liegen die Belastungen genau auf dem Grenzwert, in einem zweiten sogar darüber.

Kurz darauf teilte das Landratsamt mit, dass diese beiden Räumen, in denen die Belastung analysiert wurde, von der Belegung ausgenommen würden (wir berichteten). Womit die deutliche Feststellung von Landrat Otto Lederer vom Februar 2024, so der Rotter Bürgermeister gestern, also teilweise revidiert werde „dass bei einer nachgewiesenen Quecksilberbelastung keine Belegung der Halle stattfinden wird.“

Laut Bauantrag vom Dezember 2023 waren die beiden betroffenen Räume für die Belegung aber von insgesamt 286 der bis zu 500 Personen vorgesehen, also für mehr als die Hälfte der Geflüchteten. 

Inzwischen seien die angedachten Belegzahlen vom Landratsamt auf maximal 300 Personen gesenkt worden – wie es geheißen habe, so Wendrock, angeblich als „Entgegenkommen“ an die Gemeinde. „Die zwischenzeitlich festgestellte Quecksilberbelastung und die damit verbundene Reduzierung der nutzbaren Räume lässt dieses vom Innenministerium gemachte Zugeständnis in einem anderen Licht erscheinen. Der Verdacht drängt sich auf, dass dies kein Zugeständnis, sondern eine bloße Notwendigkeit ist“, wundert sich der Rotter Bürgermeister.

Ihm stelle sich zudem die Frage, wie der Freistaat Bayern die Halle dennoch mit bis zu 300 Menschen belegen wolle. „Unabhängig davon, ob man mit der ursprünglich im Bauantrag geplanten Belegung mit 500 Personen auf einer Gesamtnutzfläche von etwa 1.800 Quadratmetern plant oder nach Abzug der quecksilberbelasteten Flächen mit knapp 300 Personen auf den verbleibenden etwa 1.150 Quadratmetern – es läuft immer auf eine viel zu enge Belegung hinaus. Es bleiben weniger als vier Quadratmeter pro Person. Dies widerspricht den empfohlenen Mindeststandards des Bayerischen Staatsministeriums vom 4. September 2020“

Rott fordert Zweitgutachten

Auch wenn das Landratsamt Rosenheim das Gutachten zur Quecksilberbelastung inzwischen veröffentlicht habe – der Gemeinderat von Rott und Bürgermeister Wendrock fordern nach Prüfung der Messwerte ein Zweitgutachten unter fachlicher Beteiligung der Gemeinde.

„Wir haben das Gutachten durch ein Fachbüro auf Plausibilität hin überprüfen lassen. Aus dieser Prüfung ergeben sich zahlreiche fachliche Fragen und Ungereimtheiten an den Erstgutachter“, erklärte Wendrock gestern. Da gehe es zum Beispiel um die Frage, bei welcher Temperatur der Wände gemessen wurde, wie das Lüftungsverhalten vor der Messung war und welche Luftstrommassen in welchen Zeit-Intervallen durch die Messvorrichtungen gelenkt wurden.

Der Raum „ME 7“, einer der größten Räume des Gebäudes mit einer geplanten Belegung von 182 Personen im ersten Stockwerk, werde zum Beispiel trotz einer teilweisen Trennwand im Bauantrag als ein Raum angesehen. Im Quecksilber-Gutachten werde er nun aber dagegen in eine Nord- und Südhälfte mit getrennten Messergebnissen aufgeteilt. Warum? Das fragt sich Rott. In einer Hälfte liegen die Quecksilberwerte über dem Richtwert, in der anderen Hälfte knapp darunter. Ein Schelm, der sich Böses dabei denke, so Wendrock. Da es keine wirkliche räumliche Trennung gebe, erfolge ein laufender Luftaustausch.

Angesichts der potenziellen Gesundheits-Folgen für die unterzubringenden Personen, sei es dringend angeraten, diesen Fragen nachzugehen und ein Zweitgutachten zu erstellen …

Hier der Plan des Landratsamtes zum mit Quecksilber belasteten Hallen-Raum am Eckfeld in Rott – eigentlich gedacht gewesen von der Behörde für 182 Personen im ersten Stockwerk …

Landratsamt Rosenheim will keine weiteren Gespräche über Alternativflächen

Unterdessen hat das Landratsamt Rosenheim weiteren Gesprächen über Alternativflächen für eine Unterkunft mit der Gemeinde Rott unter Hinweis auf deren fehlende Wirtschaftlichkeit eine Absage erteilt.

„Seit Beginn der Planungen hat es unsererseits Kompromissbereitschaft und Gespräche über Alternativen gegeben, die seitens des Landratsamtes befürwortet wurden. In durchaus konstruktiven Gesprächen habe ich – nach teils langen Grundstücks-Verhandlungen mit Privaten – dem Landratsamt bis in den Juli hinein Angebote für kurzfristig realisierbare Alternativstandorte gemacht, die aus unserer Sicht besser geeignet wären als die Industrie-Halle am Eckfeld. Auch bezüglich der Personenzahl hat es eine hohe Bereitschaft des Entgegenkommens gegeben“, fasste der Rotter Bürgermeister gestern Abend zusammen.

Nun habe die Regierung von Oberbayern laut Landratsamt Rosenheim diesen Alternativen jedoch eine Absage erteilt. Allein die monatlichen Kosten einer Leichtbauhalle für die Unterbringung würden die für das Objekt „am Eckfeld 10“ vereinbarten Konditionen um ein Vielfaches überschreiten, hieß es in dem aktuellen Schreiben der Behörde.

„Wenn dem so ist, dann stellt sich mir die Frage, warum wir über Monate hinweg überhaupt verhandelt haben. Hat die Regierung von Oberbayern allen Ernstes erst jetzt das zur Verfügung stehende Budget sowie die Wirtschaftlichkeit möglicher Alternativ-Maßnahmen geprüft?“, zeigte sich Wendrock verärgert und enttäuscht.

Aber es scheine, so Wendrock abschließend, ganz offensichtlich nicht gewollt zu sein.

„Man will das ‚Projekt‘ in Rott offenbar auf Biegen und Brechen durchsetzen – an einem Ort, der infrastrukturell dafür überhaupt nicht ausgelegt ist. Den man aufgrund dann fehlender Erschließungskapazitäten schlimmstenfalls seiner weiteren wirtschaftlichen Entwicklung beraubt. In einem völlig ungeeigneten Industrie-Gebäude ohne jegliche Außenflächen, mit offensichtlicher Altlastenproblematik und einem bei weiten nicht ausreichenden Platzangebot, das sämtliche Standards des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren unterschreitet. Anstatt auf dezentrale Lösungen in mehreren Gemeinden zu setzen, von denen Rott auch einen übergebührlichen Anteil leisten würde“, fasste Wendrock seinen Gesamteindruck zusammen.

Der Rotter Bürgermeister abschließend: „Wir bedauern, dass die Türen für weitere Gespräche seitens des Landratsamtes geschlossen wurden.“ So, wie’s leider nun ausschaue, werde es wohl vor Gericht gehen müssen …

Weiterer Bericht zu den gestrigen Stellungnahmen aus den Fraktionen im Rotter Gemeinderat folgt.

Der Plan des Landratsamtes zum mit Quecksilber belasteten, weiteren Hallen-Raum am Eckfeld in Rott – eigentlich gedacht gewesen von der Behörde für 104 Personen im Erdgeschoß …