Über 500 interessierte Besucher beim Tag des offenen Denkmals in Wasserburg
Das diesjährige Motto „Wahr-Zeichen. Zeitzeugen der Geschichte“ zum Tag des offenen Denkmals war für Wasserburg wie gemacht. Schließlich lassen sich hier zahlreiche Bauwerke und Orte finden, die sowohl als Wahr-Zeichen die Stadt repräsentieren als auch als Zeitzeugen der Vergangenheit zu uns sprechen. So stellten die Veranstaltenden ein abwechlsungsreiches Programm zusammen, von dem sich 500 am zweiten Sonntag im September überzeugten.
Den Anfang machte das Brucktor-Ensemble. Dieses war als Wahr-Zeichen für Heranreisende schon vor dem Zutritt zur Stadt über die Rote Brücke von Weitem sichtbar und zeugte vom städtischen Selbstbewusstsein. Stadtarchivar Matthias Haupt erläuterte, dass der Komplex aus mehreren Gebäuden mit unterschiedlichen, wechselnden Nutzungszwecken bestehe. Westlich an das mittige Stadttor schließe das Heilig-Geist-Spital mit Kirche an. Die Stiftung von Zacharias von Hohenrain bot seit 1338/41 bis 1971 Obdach für kranke, arbeitsunfähige und ältere Wasserburger Bürger. Die hauseigene Spitalkirche erfuhr über die Jahrhunderte mehrmalige Umgestaltungen, stammt in ihrer Substanz jedoch spätestens aus dem 15. Jahrhundert. Die südliche Wand war ursprünglich Bestandteil der ehemals dort verlaufenden älteren Stadtmauer. Um 1480/90 wurde die Kirche reich ausgemalt, allerdings nicht einmal 100 Jahre später schon wieder weiß überstrichen. An einigen Stellen offenbaren heute „Fenster in die Vergangenheit“ freigelegte Reste der Bemalung. Im Wasserburger Saal, der früher als Männerschlafraum diente, erfuhren die Teilnehmenden mehr über die Strukturen und Funktionen der Heiliggeist-Spitalstiftung und den Alltag der Bewohnenden.
Danach ging es über einen Verbindungsgang ins östlich vom Stadttor gelegene Pensionat II, das ab Ende des 19. Jahrhunderts als Erweiterung das Spital ergänzte und früher als Fleischhaus und später unter anderem als Zeughaus fungierte. In den 1920er Jahren übernahm die Stiftung noch das daneben liegende Ferstlhaus – benannt nach einem seiner früheren Eigentümer, dem Schlossermeister Ferstl. Von 2007–2010 wurden beide Häuser – inklusive des beeindruckenden Kellergewölbes – aufwendig saniert und beherbergen heute auch wieder altersgerechte Wohnungen. Für das Gebäude des ursprünglichen Heilig-Geist-Spitals hingegen erfolgte eine partielle Sanierung in den 1970er Jahren, bevor das Imaginäre Museum hier 1978 eröffnet wurde. Im Jahr 2016 zog die Sammlung „Wasserburg aus fünf Jahrhunderten“ von Bernd Joa ein, die ebenfalls am Tag des offenen Denkmals am Nachmittag erkundet werden konnte. Mehr Infos über das „Heiliggeist-Spital mit Kirche“ im Historischen Lexikon Wasserburg unter https://www.historisches-lexikon-wasserburg.de/Heiliggeist-Spital_mit_Kirche.
Wie spannend Hausgeschichten sein können, wurde auch in einem weiteren Wasserburger Wahr-Zeichen, das Bürgertum und Handwerk repräsentiert, deutlich – dem Ganserhaus in der Schmidzeile. Maria Lydia Schöne berichtete nicht nur von den zahlreichen Baumaßnahmen am im Kern wohl aus dem Spätmittelalter stammenden Gebäude in den vergangenen Jahrhunderten, sondern auch von der aktuell anstehenden Sanierung. Diese sei vor allem aus Brandschutzgründen nötig. Besonders eindrucksvoll ist die Fassade des Hauses. Diese weist nicht nur umfangreiche Bemalungen auf, sondern auch zwei Erker mit unterschiedlichen Formen. Anfang der 1970er Jahre wurde die Fassadenmalerei, die in die Zeit der Spätrenaissance datiert werden kann, von zwei Wasserburger Künstlern restauriert und ergänzt, so dass die originalen und modernen Anteile heute nicht mehr mit Bestimmtheit zu unterscheiden sind. Im Erdgeschoss des Ganserhauses waren Werkstatt und Verkaufsräume untergebracht – spätestens seit Anfang des 19. Jahrhunderts einer Zinngießerei. Ende des 19. Jahrhunderts wurde Zinngießer Ganser Eigentümer der Gebäudes. Seiner Familie gehörte das Anwesen, bis es 1968/1975 vom AK 68 übernommen wurde, der hier 1977 seine Galerie eröffnete. Der Dachboden wird mittlerweile auch als Ausstellungsfläche genutzt. Dort sind nicht nur moderne Kunstwerke zu finden, sondern auch Spuren vergangener Umbauten: So sind Reste des beseitigten Grabendaches noch im Wandputz sichtbar, ein erhöhtes Podest zeugt von einer Raumerhöhung im darunterliegenden Stockwerk und der mächtige säulenähnliche Lichtschacht aus Mauersteinen ragt schief im Raum, so dass er mit dicken eisernen Stützbalken abgesichert werden muss. Mehr Infos über das „Ganserhaus“ und den „Arbeitskreis 68“ im Historischen Lexikon Wasserburg unter https://www.historisches-lexikon-wasserburg.de/Ganserhaus und https://www.historisches-lexikon-wasserburg.de/Arbeitskreis_68
Des Weiteren konnten Besucherinnen und Besucher ganz exklusive (Ein-)Blicke auf und in Wasserburger Wahr-Zeichen werfen: in sonst verschlossene Kellergewölbe und versteckte Innenhöfe, in die aufwendige Sanierung der Wasserburger Stadtmauer sowie der dort eingemauerten Grabtafeln, in die über tausendjährige Geschichte des Klosters Attel mit seiner Michaelskirche, in das Wasserburger Rathaus und vom Turm der Jakobskirche über die umliegende Wasserburger Dächerlandschaft.
Auch das Museum Wasserburg öffnete bei freiem Eintritt. Bei zwei Themenführungen berichtete Museumsleiterin Sonja Fehler von Wappen und über die Gebäudegeschichte. Viele Familien begaben sich mit Rallyes entweder auf Spurensuche im Museum oder in der Wasserburger Altstadt.
Weitere Informationen zum Museum Wasserburg gibt es unter www.museum.wasserburg.de.
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