Ausstellung über die Vertreibung der Sudetendeutschen gestern im Rathaus eröffnet

„(Nicht) gekommen, um zu bleiben …“, so heißt die Ausstellung, die gestern im Foyer des Wasserburger Rathauseseröffnet wurde und bis zum 2. Oktober 2024 dort besucht und besichtigt werden kann. Stadträtin Heike Maas (CSU) ist Mitglied im Bundesvorstand der Sudetendeutschen Landsmannschaft und hat diese Ausstellung des Heimatkreises Braunau/Sudetenland nach Wasserburg gebracht.

Die Resonanz der Wasserburger war groß, über 100 Interessierte kamen am Dienstagabend ins Foyer des Rathauses, um bei der Ausstellungseröffnung dabei zu sein.

Heike Maas begrüßte die Gäste, unter ihnen den Zweiten Bürgermeister der Stadt Wasserburg, Werner Gartner (SPD), und die Dritte Bürgermeisterin, Edith Stürmlinger (Bürgerforum). In ihrer Begrüßung wies Maas auf die Vertreibung der Menschen im Sudetenland hin und ging auf auf das große Schweigen der Menschen in Deutschland nach 1945 ein, wenn es um die Verbrechen der NS-Diktatur ging und um die Verbrechen der Vertreibung nach Kriegsende. Maas erwähnte, dass ihr Vater aus Braunau (heute Broumov) stamme und mit 61 Jahren verstorben sei. Sie habe nur ein einziges Foto ihres Vaters, aber viele unbeantwortete Fragen. Darum sei sie froh, diese Ausstellung eröffnen zu können.

Der ehemalige Zweite Bürgermeister der Stadt Wasserburg, Otto Zwiefelhofer (CSU), richtete dann ein Grußwort an die Anwesenden. Er lebe seit 45 Jahren in Wasserburg, auch seine Familie sei aus dem Sudetenland vertrieben worden. Man sei damals nicht vorher über die geplante Vertreibung informiert worden. Man habe in der Frühe erfahren, dass man gehen müsse, jeder habe 25 Kilo Gepäck mitnehmen dürfen und schon sei es losgegangen. Er ergänzte auch, dass Wasserburg nach dem Zweiten Weltkrieg die Vertriebenen gut aufgenommen habe. Der Wohnraum sei knapp gewesen, obwohl es während des Krieges in Wasserburg keine Zerstörungen gegeben habe. Und er ergänzte, dass der seinerzeitige Landrat Heinrich Stulberger die gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft Wasserburg ins Leben gerufen habe, weshalb die akute Wohnungsnot, die auch durch den Zuzug der Vertriebenen gravierend geworden sei, habe gemildert werden können.

1945 und 1946 kamen viele Vertriebene nach Bayern, die beiden größten Gruppen waren jene aus der Tschechoslowakei mit über einer Million Vertriebenen, hauptsächlich aus dem Sudetenland, und aus Schlesien mit annähernd 500.000 Vertriebenen. Otto Zwiefelhofer berichtete auch davon, dass nicht wenige nach der Vertreibung zunächst in Lagern gefangen gehalten worden seien und zu Zwangsarbeit herangezogen worden seien. Die Ergebnisse der „Benesch-Dekrete“ hätten natürlich auch ein Übriges getan, die Vertriebenen zu demütigen. Zwiefelhofer setzte sich aber am Ende seines Grußwortes für Versöhnung ein und betonte auch, dass es bereichernd sein könne, wenn man sehe, dass heute Menschen aus mehr als 90 Nationen in Wasserburg friedlich zusammen lebten.

Im Anschluss daran begrüßte Heike Maas Pater Augustin Schmied. Der heute 92-jährige Pater Augustin erzählte davon, wie er, 13-jährig, aus Deutsch-Wernersdorf im heutigen Tschechien vertrieben worden sei. Er habe die „alte Heimat“ noch erlebt und betonte sofort, dass er sich als Böhme fühle. „Wir sind Böhmen“, ergänzte er. Die Menschen im Sudetenland seien vor 1945 zu 80% deutscher Herkunft gewesen. „Tschechen habe ich in meinem Heimatdorf nie erlebt“, betonte Pater Augustin weiter. Sein Heimatdorf sei direkt an der Grenze zu Schlesien gelegen gewesen und er erinnerte an Gerhart Hauptmanns „Die Weber“ und die Mundart der dort agierenden Personen. „Sie sprechen unsere Sprache!“

Die Schule habe er in Braunau (Broumov) besucht. Durch die Ergebnisse der Potsdamer Konferenz der „Großen Drei“ (Truman, Churchill-Attlee, Stalin) im Juli und August 1945 sei die Vertreibung letztendlich sanktioniert worden, wenngleich sie bereits im Mai 1945 begonnen habe. Es habe keinerlei Vorbereitung auf die Vertreibung gegeben, niemand habe gewusst, dass so etwas kommen werde.

Man sei zunächst auf polnisches Gebiet gekommen, von den Polen dort recht human empfangen worden, in die Tschechoslowakei habe niemand zurückgehen wollen, aus Angst, dort sofort getötet zu werden.

Ab Januar 1946 sei man mit Gütertransporten nach Bayern gebracht worden. In insgesamt 1.011 Zügen zu je 30 Güterwaggons seien die Menschen abtransportiert worden und nach einer längeren Odyssee in Bayern angekommen.

Heike Maas fragte Pater Augustin danach, ob er Heimweh nach seiner sudetendeutschen Heimat habe. Der Redemptoristen-Pater antwortete nach kurzem Überlegen mit der Gegenfrage, was denn Heimat heiße. Dazu gehörten doch auch die Menschen, mit denen man zusammengelebt habe. „Die Leute von damals sind doch alle weg.“ Nein, Heimat sei das nicht mehr, denn die Menschen gehörten dazu. „Dieses Land ist für mich fremd geworden“. Wovon er träume, wollte Heike Maas wissen und er antwortete, dass er von der Kapelle in seinem Heimatort träume und davon, wie er die  dort wachsenden Blaubeeren bewundern könne. Er habe sich mehrere Jahre mit der Frage befasst, ob er nach Deutsch-Wernersdorf zurückkehren könne und wenn ja, wann. Dann sei er 1952 in den Orden der  Redemptoristen eingetreten und habe von da an im Kloster Gars gelebt und gewirkt.

Heike Maas bedankte sich bei Pater Augustin Schmied herzlich für seine Ausführungen, aus dem Publikum gab es noch vereinzelt Fragen an den Referenten des Abends und die Besucher besichtigten noch die Ausstellung und gingen wohl nachdenklich nach Hause. Warum gibt es in unseren zivilisierten Gesellschaften immer wieder Gewalt und den anscheinend unbezähmbaren Willen, durch Gewalt Macht auszuüben? Diese Frage konnte an diesem Abend nicht geklärt werden, aber die Nachdenklichkeit schien manchem auf die Stirn geschrieben zu sein.

Auch kam der evidente Zusammenhang der Vertreibung der Sudetendeutschen mit den Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft an diesem Abend viel zu kurz, denn dies wurde gar nicht thematisiert.

Die Ausstellung im Rathausfoyer kann bis zum 2. Oktober montags, dienstags und donnerstags von 8 bis 17 Uhr sowie mittwochs und freitags von 8 bis 14 Uhr besichtigt werden.

PETER RINK