Wasserburg siegt nach 1:3-Rückstand in Hallbergmoos mit 4:3

Wenn ein Verein gelernt hat, dass ein Fußballspiel erst vorbei ist, wenn abgepfiffen ist und dass Führungen nur relativ sind, dann der TSV 1880 Wasserburg. Der Schmerz des Frühsommers aus der Relegation hat die Spieler gestählt, die Löwen wurden härter und dadurch widerstandsfähiger. Am Freitagabend in Hallbergmoos stellten die Innstädter ihre Comeback-Qualitäten unter Beweis und gewannen ein irrwitziges Fußballspiel nach 1:3-Rückstand mit 4:3 (wie kurz berichtet).

Dabei lässt sich die Begegnung aus Wasserburger Sicht in drei Phasen einteilen. Eine starke Anfangsphase bis zum 1:0, eine (zu) lange Periode ohne Zugriff, die zwangsläufig in einen 1:3-Rückstand mündete und ein fünfzehnminütiges Finale Furioso, in dem sie die Hoffnungen der Gastgeber auf ein Ranpirschen an die Spitzengruppe wie ein Bulldozer niederwalzten. An diesem spektakulären Fußballabend stand zu Beginn die Geburtsstunde eines neuen Stürmertypus, der sogenannten „Staubsaugenden Neun“. Trainer Florian Heller hatte seinen Abräumer Leander Haunolder in den Sturm gestellt und der Sechser spielte, wie ein Sechser nun einmal so spielt – nur halt 40 Meter weiter vorne. „Ich habe versucht, die Position anzunehmen und mich rein zu arbeiten. Am Anfang war es ungewohnt, ich denke aber, dass es mir immer besser gelungen ist“, so der neu geborene Stürmer. Und mit dieser Einschätzung hat er recht. Haunolder war nicht der Staubsauger vor der Abwehr, sondern am gegnerischen Sechzehner, wo er das Wasserburger Pressing anführte und die Gastgeber unter Dauerstress setzte.

Entsprechend viel Druck bauten die Innstädter auf und gingen nach 21 Minuten durch Josef Stellner verdient mit 1:0 in Führung. Daniel Vorderwestner hatte am Strafraum den eingelaufenen Rechtsverteidiger bedient, der überlegt ins lange Eck schlenzte und seinen ersten Treffer für Wasserburg markierte. Kurioserweise ebbte mit diesem Führungstor die Wasserburger Dominanz ab und Hallbergmoos übernahm mehr und mehr die Oberhand. Angetrieben vom spielerisch überragenden Fabian Diranko glichen die ambitionierten Gastgeber fast unmittelbar mit dem Pausenpfiff aus. Dirankos Schuss konnte Alexander Kuile noch an den Pfosten lenken, den Abpraller verwertete Julian Kristo zum 1:1 (45.). Nach dem Seitenwechsel wurde die Überlegenheit des erklärten Aufstiegskandidaten noch größer, auch Michael Barthuber räumte ein, dass „zur Halbzeit hin die Kontrolle verloren ging“. Die Löwen kamen nicht mehr richtig in die Zweikämpfe, daher waren das 2:1 und 3:1 von ihrer Entstehungsgeschichte her ähnlich. Die Hallbergmooser Zocker wurden nur noch begleitet, sodass sich Fabian Porr beim 2:1 ungehindert durch den Strafraum schlängeln konnte und seinen von Kuile gehalten Abschluss aus fünf Metern selbst über die Linie drücken konnte (64.). Beim dritten Treffer hatte Moritz Sassmann nur Geleitschutz, sein präziser Chippass fand Florian Schmuckermeier, der am langen Pfosten ungedeckt vollstreckte (71.). 20 Minuten vor dem Ende schienen die Löwen mausetot, die komplette Hallbergmooser Bank rannte aufs Feld, um die Vorentscheidung zu feiern.

Aber das 1:3 war das Fanal zum Gegenschlag. „Ich denke, wir haben nach dem 1:3 wieder angefangen Fußball zu spielen“, erkannte Haunolder. Plötzlich gewann Wasserburg wieder Zweikämpfe, sie spielten aggressiv und vor allem zielstrebig nach vorne. Beim 2:3-Anschlusstreffer war der Ball im Strafraum schon verloren, Bruno Ferreira Goncalves holte ihn zurück, umkurvte den Torhüter gleichermaßen überraschend wie elegant im Fünfmeterraum auf der Innenbahn und seinen Querpass schob Michael Barthuber aus kurzer Distanz ein (74.). Im anschließenden Gerangel um den Ball wurde Adnan Kasumovic für zehn Minuten des Feldes verwiesen, doch auch in Unterzahl hatte sich die Dynamik des Spiels gedreht und Wasserburg hatte das Momentum auf seiner Seite. Dem Ausgleich war ein erneuter Ballgewinn vorausgegangen, Thomas Voglmaier steckte auf den eingelaufenen Barthuber durch und dieser tunnelte Torhüter Muck Riedmüller zum 3:3 (78.). Schon bei seinem Jubellauf deutete der Torjäger seinen Mitspielern an, dass sie den Ball aus dem Tor holen sollten, denn er hatte frei nach Giovanni Trapattoni noch nicht fertig. Und genau so kam es auch: In der 87. Minute bediente Voglmaier aus dem Mittelfeld heraus Barthuber am Strafraum und dieser überwand den verdutzten Schlussmann mit einem Heber mit links, wie man ihn seit dem Karriereende von Matthias Haas nicht mehr gesehen hatte. Das Schlusswort eines fantastischen Landesligaspiels oblag dem Hattrickschützen: „Die Aufholjagd gelang deshalb, weil wir dazu in der Lage sind, unsere DNA 90 Minuten auf den Platz zu bringen. Diese Comeback-Qualitäten haben nicht viele Mannschaften in dieser Liga“.

Wasserburg: Kuile, Stellner, Kasumovic, Lindner, Brich, Breuer (ab 46. Kononenko), Höhensteiger (ab 58. Voglmaier), Rubio Gonzalez (ab 76. Dumitru), Barthuber (ab 89. Saur), Vorderwestner (ab 73. Ferreira Goncalves), Haunolder

Tore: 0:1 Josef Stellner (21.), 1:1 Julian Kristo (45.), 2:1 Fabian Porr (64.), 3:1 Florian Schmuckermeier (71.), 3:2 Michael Barthuber (74.), 3:3 Michael Barthuber (78.), 3:4 Michael Barthuber (87.)

Zeitstrafe: Adnan Kasumovic (Wasserburg, 74.)

Schiedsrichter: Marius Heerwagen (SpVgg Hainsacker)

Zuschauer: 270

JAH

 

 

 

Foto: Simon Wröbel